Der Völkerbund wurde durch den Briand-Kellogg-Pakt unter Führung der USA ergänzt.
Wien und Versailles im Vergleich
Das Versailler VertragVersailler Verträgessystem und das Wiener-KongressWiener Kongresssystem ähneln sich in den territorialen Regelungen zur Eindämmung von Staaten. Sie unterscheiden sich aber auch in wichtigen Punkten, insbesondere in den Normen zur Friedenssicherung: Der Völkerbund ächtete den Angriffskrieg, der zu Zeiten des Wiener Kongresses noch nicht als ächtungswürdig betrachtet wurde. Und er etablierte ein Friedenssicherungssystem, das auch kollektive Sanktionen vorsah.
Region | Staat | territoriale Veränderung | weitere Regelungen/Implikationen |
Europa | Deutschland(Versailles) | Gebietsverluste an Litauen, Polen, Tschechoslowakei, Frankreich, Belgien, Dänemarkverliert alle koloniale Besitzungen in Afrika und Asienunter Völkerbundverwaltung: Danzig, Saargebiet (für 15 Jahre)alliierte Besetzung des Ruhrgebiets | Demilitarisierung: Begrenzung von Heer, Marine, Verbot einer LuftwaffeReparationen |
Österreich(St. Germain) | Gebietsabtretungen an Tschechische Republik, Jugoslawien, Rumänien, Polen, Abtretung Südtirols an Italien | Demilitarisierung: Abtretung der gesamten Kriegs- und HandelsflotteReparationen | |
Ungarn(Trianon) | Abtretung Slowakei an Tschechoslowakei, weitere Abtretungen an Rumänien, Jugoslawien und Österreich | DemilitarisierungReparationen | |
Bulgarien(Neuilly) | Abtretung von Gebieten an Griechenland, Jugoslawien, Rumänien | DemilitarisierungReparationen | |
Naher Osten | Osmanisches Reich(Sèvres, revidiert durch Vertrag von Lausanne 1923) | Gebietsabtretung von Syrien und Libanon (an Frankreich), Palästina und Irak (Völkerbundmandat, verwaltet durch Großbritannien), Thrakien und Smyrna (an Griechenland) | Demilitarisierung der Meerengen (Bosporus, Dardanellen)Russland erhält lange angestrebten MittelmeerzugangTürkei wird aus Europa gedrängtFriedensvertrag führt zu einem Bürgerkrieg, der erst 1923 beendet wird |
Territoriale Neuordnung nach den Versailler Verträgen
Ähnlich wie der Wiener Kongress hatten die Versailler Verträge mehrere konkrete Funktionen: Territoriale Neuordnung, Eindämmung und neue Weltfriedensordnung.
Allerdings war diese Aufgabe ungleich schwerer als zur Zeit des Wiener Kongresses. Denn obschon das Schicksal Deutschlands ein zentrales Thema der Friedenskonferenz war, spielten weitere Fragen eine ebenso große Rolle: Was sollte aus Russland werden? Und wie sollte man auf dem Balkan und in Osteuropa verfahren? Schließlich mussten auch noch die Verhältnisse im Nahen Osten befriedet werden und eine Regelung für das Osmanische Reich gefunden werden. Der Versailler VertragVersailler Vertrag (Deutschland), der Vertrag von St. Germain (Österreich-Habsburg), der Vertrag von Trianon (Ungarn) und derjenige von Sèvres (Osmanisches Reich) sahen dabei recht ähnliche Regelungen vor. In allen vier Fällen verloren die Kriegsverlierer Territorium, mussten Kriegsreparationen bezahlen, wurden außenpolitisch überwacht und entmilitarisiert. Dies folgte im Wesentlichen der Praxis, wie sie bereits nach dem Wiener Kongress erfolgreich eingeübt worden war.
Territoriale Neuordnung Europas und des Nahen und Mittleren Ostens: Die Versailler Verträge und der Vertrag von St. Germain (für Österreich-Ungarn) sahen bedeutende Gebietsabtretungen vor. Deutschland musste im Westen das Elsass und Lothringen, im Osten Posen und Westpreußen abtreten. Das Saarland wurde der Verwaltung des Völkerbunds unterstellt, das Ruhrgebiet einer gemeinsamen Verwaltung durch eine Reparationskommission. Das Deutsche Reich verlor alle seine kolonialen Besitzungen. Genauso bedeutend waren die Regelungen zur Rüstungsbeschränkung: Das Deutsche Reich musste 90 Prozent seiner Handelsflotte abtreten oder ausliefern und versenkte diese vorsorglich (vgl. Tabelle 1.5).
Territoriale Regelungen der Versailler Verträge zu Deutschland
Der gesamte Balkan wurde im Zuge der Versailler VerträgeVersailler Verträge ebenfalls neu territorial geordnet.
Österreich-Ungarn wurde aufgelöstAuflösung Österreich-Ungarns, ebenso wie ein Teil Russlands. In der Folge entstanden Ungarn, Jugoslawien und die Tschechoslowakei als unabhängige Staaten. Mit der Schaffung dieser drei territorialen Flächenstaaten sollte einerseits ein Puffer gegenüber Russland geschaffen werden, der Deutschland gegenüber dem Bolschewismus abschirmte. Territoriale Neuordnung OsteuropasAndererseits sollte diese Staatengruppe ein östliches Gegengewicht gegen eine künftige „deutsche Gefahr“ bilden (Berghahn 2009: 110).
Neben Deutschland waren vor allem Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich die Kriegsverlierer (Murray 2009). Österreich-Ungarn und damit das Habsburger Königreich hörten auf zu existieren – auch völkerrechtlich. Der Friede von St. Germain löste das Reich auf, auch Österreich wurde als Kriegsschuldiger bezeichnet. Aus ihm gingen mehrere Staaten hervor. Vom einstmals großen Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn blieb Österreich mit etwas mehr als 6 Millionen Einwohnern übrig. Ähnlich erging es dem Osmanischen Reich, dessen Territorium stark verkleinert wurde. Das türkische Territorium wurde reduziert auf Anatolien und Istanbul, der Rest wurde unter den Alliierten aufgeteilt oder dem Völkerbund unterstellt. Die Regelung von Sèvres führte zum Bürgerkrieg im Osmanischen Reich, der erst 1923 beendet war und in das nachhaltigere Abkommen von Lausanne mündete.
Überwachung des Deutschen Reichs und Österreichs: Die Versailler VerträgeVersailler Verträge sahen die nahezu vollständige Demobilisierung und Demilitarisierung Deutschlands vor. Die Wehrpflicht wurde verboten. Der Vertrag verbot den Besitz einer Luftwaffe und begrenzte die Größe des deutschen Heeres und seiner Offiziere. Ruhrgebiet und Saarland wurden demilitarisiert. Österreichs Heer wurde ebenfalls begrenzt.
Völkerbund als Friedenssicherungssystem: Mit den Versailler VerträgeVersailler Verträgen wurde ein System der Friedenssicherung in Form des Völkerbunds als einem kollektiven Sicherheitkollektive Sicherheitssystem etabliert. Kern war die Beschränkung der traditionellen einzelstaatlichen Gewaltpolitik und Geheimdiplomatie, an deren Stelle die kollektive Gewaltanwendung aller Staaten treten sollte und die freie Diskussion der Staatsmänner vor der Weltöffentlichkeit.
Die Streitschlichtung war ein zweiter zentraler Pfeiler des Völkerbunds. Die Mitglieder verpflichteten sich, ihre „einer schiedsrichterlichen Lösung zugänglichen“ Differenzen entweder vor den Völkerbundrat oder den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Die Regelungen zur Streitschlichtung blieben jedoch letztlich unverbindlichKeine rechtlich verbindliche Wirkung der Streitschlichtung.
Die Schwächen des Schiedsgerichtsverfahrens sollten durch Sanktionsbestimmungen der Völkerbundsatzung ausgeglichen werden. Diese traten automatisch in Kraft, sobald ein Mitglied unter Nichtbeachtung der Schlichtungsbestimmungen einen Krieg begann. Als Sanktion gegen den Angreifer war der Wirtschaftsboykott vorgesehen. Die Anwendung militärischer Sanktionen war zwar vorgesehen, ihre Durchführung war aber den Mitgliedern überlassen. Die Wirksamkeit oder Effektivität des Völkerbunds war damit letzten Endes von der Bereitschaft seiner Mitglieder abhängig, seine Verfügungen, wenn nötig, mit Waffengewalt zu unterstützen.
Die Lösung für dieses Problem sollte ein internationaler Beistandspakt sein, über den die Völkerbundversammlung im Herbst 1923 beriet. Dieser sollte garantieren, dass Mitglieder im Falle eines Angriffskriegs einander helfen. „Die im Völkerbund zusammengeschlossenen Staaten sollten gegebenenfalls einen notorischen Friedensstörer oder Aggressor aus ihren Reihen ausgrenzen und gegen ihn eine ‚überwältigende Koalition‘ bilden, um ihn notfalls mit dem gemeinsamen Einsatz von Machtmitteln auf den Pfad des Friedens zurückzwingen zu können.“ (Knapp 2004: 88) Allerdings konnten sich die Staaten nicht auf eine Definition eines „Aggressors“ einigen und vielen ging die darin enthaltene Beistandsverpflichtung zu weit. Der Versuch, den Völkerbund durch ein internationales Militärbündnis zu ergänzen und zu stärken, war damit fehlgeschlagen.
Der Völkerbund war von seiner Anlage als ein globales Friedenssicherungssystem ausgelegt,