Quasi Heimweh. Anna Felder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Felder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038551911
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splitterig wie ein zerbrechender Eiszapfen, das Glockenspiel, das von der Uhr am Stadtturm fiel: Man vernahm es kaum, wenn man in eine Straße einbog, dann nichts mehr und auf einmal wieder, immer neu und unerwartet, es zeigte nicht die Stunden an, es gab sich selber kund.

      Wenn ich nach Hause zurückkehrte, zu der Zeit, da die Straßen in die Nacht hineinleuchteten, er­blick­te ich dort im obersten Stock den Schein unseres in der schwarzen Luft schwebenden Zuges gleich einem Mond-Ei. Dann wusste ich, Gianni hatte daran ge­dacht und Holz in den Ofen geworfen. Es war schön, wieder einzutauchen in den Wachsgeruch des Treppenhauses, in die Kinderstimmen im Parterre. Vor einem Jahr kannte ich das alles nicht, wenn ich zu Fabio hinaufstieg, der in der Küche mit seinen Töpfen hantierte, im schmutzigen Arbeitskittel und die Rührkelle in der Hand, und ich musste die Sauce ab­schmecken.

      Bei uns jetzt merkte ich gleich, kaum hatte ich die Haustür geöffnet, wie mein Bruder gelaunt war; rauchte er schon vor dem Essen die Pfeife, im Gebälk zusammengekauert, die Beine bergauf und den Kopf hinter einer Automobilzeitschrift versteckt, dann wusste ich, dass er den ganzen Abend nicht mehr den Mund auftat, selbst wenn die andern kommen sollten. Unsere Mutter war zu nichts mehr fähig, wenn die böse Laune Gianni so packte: Sie konnte bei Tisch den Löffel nicht mehr richtig halten, verschüttete die Suppe, und sie hob dann den Blick zu Gianni, der ihr gegenübersaß; und beide senkten rasch die Augen, wie Diebe, weil sie sich dabei ertappt hatten, wie sie stumm aufeinander lauerten.

      «Er bringt mich ganz außer Fassung, wenn er so schmollt, und dabei ist er doch im Grunde der gutmütigste Mensch von der Welt; er schaut mich so an, als könnte seine eigene Mutter, die ihn geboren und großgezogen hat, die Suppe nicht mehr allein essen.» Aber ich wusste nun, dass Gianni von Zeit zu Zeit, wie damals, als ich noch in Italien war, ihr vom Ge­schäft aus telefonierte (man musste weniger lang auf die Verbindung warten als auf der Post) und dass sie es schnurstracks weitererzählte und sich damit in Herrn Egidios Laden wichtig machte, wo sie immer einkaufen ging:

      «Gute Nachrichten aus der Schweiz?»

      «Nun ja, sie schlagen sich so durch; mein Sohn hat mich gerade gestern angerufen.»

      «Sie können von Glück reden, dass Sie so einen Sohn haben; und die Tochter Lehrerin! Ich sag es immer: Guter Wille ist heutzutag mehr wert als alles andere.»

      Uns brachten die Briefe der Mutter die Grüße und Wünsche der ganzen Nachbarschaft, die bei Herrn Egidio einkaufte: Dann begannen jeweils auch wir die Tüten aus gelbem Ölpapier aufzuzählen, die wir ins Netz versorgt hätten dort vor dem Laden, wo im­mer nasse Blättchen von Spinat und anderm Gemüse am Boden lagen; denn es war eine Liste herrlicher Wohlgerüche von zu Hause, die in der Küche schmorten, versehen mit dem Siegel von Rosmarin und Salbei aus dem Garten, jeden Sonntag nach dem Gottesdienst.

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