Das Flüstern der Pferde. Tina Schumacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tina Schumacher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783958477261
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darin das Geschenk der Pferde liegt.

      Podcast

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      Die Arbeit mit meinen Pferden kannst du dir in diesem Podcast anhören https://www.youtube.com/watch?v=FZeucmPo7e8

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       Foto: Anna Kentnofski

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       Foto: Christiane Slawik

Warum Pferde flüstern

      … vielleicht, weil wir oft viel zu laut sind!

      Mit deinem Fokus kannst du Welten bewegen. Das lernen Pferdemenschen, aber auch Menschen, die sich intensiv mit sich und ihrer Wirkung beschäftigen. Ob Führungskraft, Kind oder Jugendlicher, Mensch mit Handicap, millionenschwer oder bettelarm – Pferde wirken auf jeden Menschen gleich. Sie machen keine Unterschiede. Sie wirken klar, unverblümt und ehrlich. Pferde spiegeln das Verhalten des Menschen auf eine unheimlich wertschätzende Art und Weise. Manchmal müssen wir ein wenig deutlicher hinsehen, um das zu erkennen. Manchmal zeigen es uns die Pferde auf eine sehr direkte und harte Weise. Genauso funktioniert das mit dem Leben. Manchmal bekommen wir gewisse Entwicklungspotenziale oder Schritte, die wir für uns auflösen dürfen, in klitzekleinen Portionen geliefert. Diese kleinen Portionen schleichen sich an, „flüstern“ sich in unser Leben. Oft hören wir aber nicht zu, weil wir nur dieses „laute Schreien“ der Gesellschaft, in der wir leben, kennengelernt haben, weil wir jeden Tag in der „Disco des Lebens“ unterwegs sind und es verlernt haben, diese leisen Töne zu hören. Dabei wollen sie uns bereits frühzeitig sagen: „Hey, schau doch mal genauer hin. Ich werde immer wieder kommen. Ich bin ein Thema, das dich immer wieder einholen wird.“ Irgendwann wird dieses Thema schreien. Es muss laut werden, damit wir endlich hinsehen.

      Genauso ist es mit der Reaktion der Pferde. Die Art und Weise, wie ein Pferd wirkt, hat immer auch etwas mit uns zu tun. Es ist ein Spiegel unserer Persönlichkeit, mit dem wir tiefer schauen können, als wir es uns zu träumen gewagt haben. Manche Dinge, die wir dann sehen, werden uns nicht gefallen, und andere hingegen finden wir wunderschön. All das filtern die Pferde und mit ihrer feinen Wahrnehmung geben sie uns die Möglichkeit, uns selbst aus ihren Augen anzusehen. Sie lehren uns, unsere Wahrnehmung zu verfeinern – die leisen Töne zu hören. Sie ermöglichen uns behutsam und liebevoll, das Flüstern wieder zu erlernen.

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       Foto: Lea Schlechtriemen

       „Zuhören und Hinsehen sind oft die größten Schlüssel zur eigenen Persönlichkeit.

      Die Filter unserer (menschlichen) Wahrnehmung werden mit den Jahren, mit dem Älterwerden und all unseren individuellen Erfahrungen teilweise überlagert oder überdeckt von Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben oder die wir im Spiegelbild anderer Menschen erleben durften und mussten, von Dingen, die durch unsere Erziehung beeinflusst wurden und unsere Blickwinkel geprägt haben, durch die wir mittlerweile die Welt und die Menschen sehen. All das lässt uns auf eine gewisse Art und Weise reagieren.

      Dabei spielt natürlich auch schulische Prägung eine Rolle. In der Schule haben wir gelernt, dass der Himmel blau ist und das Gras grün. Wir haben gelernt, dass es gesellschaftliche Muster gibt, in die wir uns fügen sollten, sofern wir in unserer Kultur angenommen werden möchten. Durch festgefahrene Vorgaben, die uns sagen, wie wir zu handeln, zu fühlen und zu denken haben, verlernen wir, wirklich wahrzunehmen – uns und unsere Umgebung. Wir verlernen mit den Jahren, genauer hinzusehen. Dann bedienen wir uns unserer gewohnten Verhaltensweisen und reagieren – wie in einem Hamsterrad, das vorgibt, welche Handlung als Nächstes zu vollziehen ist. Klingt ziemlich unfrei und ist es auch!

      Das führt dazu, dass wir uns nicht selten als Opfer der eigenen Umstände betrachten und nicht damit rechnen, dass auch wir einen Anteil an dieser Situation haben könnten. Wir streiten heftig und brüllen uns an, wenn wir anderer Meinung sind. Wir missverstehen uns sehr oft, weil wir in unserem eigenen Hamsterrad und der andere in seinem fröhlich weiterradelt. Oft vergessen wir, genauer hinzusehen und auf unser Gegenüber zu achten. Wir übersehen Potenziale – von uns selbst, der Gemeinschaft und von anderen. Wir übersehen, wenn es dem anderen mal nicht so gut geht. Vielleicht übersehen wir auch, wie wir wirken und was wir in gewissen Momenten nach außen ausstrahlen – ein Konfliktpotenzial, welches mit Wahrnehmung beginnt, den eigenen Ausdruck und die eigene Einstellung beeinflusst und letztendlich darauf wirkt, ob wir in erfüllten oder unerfüllten Beziehungen leben.

      Jeder Pferdemensch weiß natürlich, dass mit „Pferdeflüstern“ nicht gemeint ist, sich neben das Pferd zu stellen und leise mit ihm zu reden. Pferdeflüstern ist ein Ausdruck für eine gewisse Qualität der Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung ist die Basis für eine extrem feine Kommunikation. Wir alle haben das in uns – diese intensiv fühlende und kleinschrittige Wahrnehmung, die letztendlich eine klare und wertschätzende Kommunikation beeinflusst. Wenn wir uns dazu entscheiden, sie wachzurütteln, müssen wir anfangen, uns selbst und unsere Wirkung zu beobachten. Dann werden wir wiederfinden, was wir irgendwo und irgendwann auf unserem Weg verloren haben.

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       Foto: Anna Kentnofski

      Mich hat es schon immer fasziniert, Menschen mit Pferden in der Freiarbeit kommunizieren zu sehen. Dieses Zusammenspiel war für mich magisch. Das musste fast schon eine Art Zauber sein, wie der Mensch sich gemeinsam mit seinem Pferd bewegt. Wie die beiden sich wahrnehmen, wie sie miteinander spielen – wie das Pferd für den Menschen vollkommen frei und ohne Zwang bestimmte Dinge tut. Manchmal habe ich mich sogar dabei erwischt, mich zu fragen, wie man so etwas überhaupt erreichen kann. Ob da Gewalt im Spiel war? Diese Frage spricht natürlich schon für eine gewisse Erfahrung, die ich in meinem Leben gemacht habe.

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       Foto: Lea Schlechtriemen

      Ich durfte lernen, dass es nicht nur schwarze Schafe gibt, die Pferde dressieren, sondern unheimlich fühlende, klare und wertschätzende Pferdemenschen. Ich durfte aber auch lernen, dass ich diese Menschen nicht auf einen Sockel stellen muss. Sie machen eine wunderbare Arbeit und trotzdem durfte ich verstehen, dass eigentlich jeder „flüstern“ kann. Jeder, der sich Fragen stellen möchte, zu sich selbst und seiner Wirkung. Jeder, der sich reflektiert und sich auf Wertschätzung fokussieren möchte. Jeder, der sich für den Weg des „Pferdeflüsterns“ entscheidet. Selbst eine stumpfe und nach Schema F arbeitende, turnierfixierte Dressurreiterin, die ihre Pferde zwar wirklich gern hatte, aber irgendwie trotzdem, auch nach über zehn Jahren, noch nie einen „richtigen“ Dialog mit ihnen führen konnte. Ach übrigens: Ich meine damit nicht, dass alle Dressurreiter so sind – ich habe schlichtweg von mir gesprochen und davon, wie meine Welt damals aussah.

      Heute bin ich an einem Punkt, an dem ich nur mit dem Setzen meines Fokus die Beine meiner Pferde ansteuern kann. Ich bewege mich mit ihnen vollkommen frei. Ich genieße es, mit ihnen zu spielen – vom Boden und im Sattel. Ich hole sie ab, wenn sie sich mal Raum schaffen. Ich lobe unheimlich viel. Ich reflektiere mich selbst in jedem Moment und vor allen Dingen dann, wenn ein Pferd anders reagiert, als ich es mir gewünscht habe. Seitdem kann ich so viel feiner wahrnehmen. Ich führe endlich einen Dialog mit meinen Pferden und vor allen Dingen mache ich eins: Ich flüstere!

      Und die Pferde lieben es! Meine Entwicklung und später die meiner Kunden hat mir ganz extrem gezeigt, wie sensibel diese Tiere reagieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so leicht mit Pferden bewegen kann. Wie fein sie spüren, was wir wollen, wenn wir ganz klar im Fokus haben, was jetzt gerade unser Anliegen ist. Dann brauchen wir keine lauten Gesten mehr. Wir müssen dann nicht mehr