Der Defizit-Mythos. Stephanie Kelton. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephanie Kelton
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783944203614
Скачать книгу
Vereinigten Staaten der Bundesregierung das ausschließliche Recht zur Emission der Währung verleiht.1 Um es mit den Worten der Federal Reserve Bank von St. Louis zu sagen, die US-Regierung ist „Alleinhersteller für Dollars“.2

      Der Begriff des Monopols bezieht sich natürlich auf einen Markt, auf dem es für ein Produkt nur einen Anbieter gibt. Da nun die Bundesregierung der einzige Hersteller von US-Dollars ist, können wir sagen, dass sie auf den Dollar ein Monopol hat. Das ist ungefähr so, als hätte sie auf die Fähigkeit zur Herstellung zusätzlicher Kopien des Dollar ein Super-Copyright (das nie erlischt). Es handelt sich hierbei um eine ausschließliche Befugnis, die von unseren Gründervätern festgelegt wurde. Haushalten, Unternehmen, lokalen oder bundesstaatlichen Regierungen steht sie nicht zu. Nur die Bundesregierung kann unsere Währung emittieren. Alle anderen sind lediglich Nutzer der Währung. Das ist eine besondere Fähigkeit, die mit großer Umsicht genutzt werden muss.

      Wie bei der Sesamstraße ist hier leicht zu erkennen, welches Ding in Figur 1 anders als die anderen ist.

      Figur 1. Nutzer und Emittenten der Währung

      Die Unterscheidung zwischen den Nutzern und dem Emittenten der Währung bildet das Herzstück der MMT. Und wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, hat dies tiefgreifende Auswirkungen auf einige der wichtigsten politischen Debatten der Gegenwart, wie Gesundheitsversorgung, Klimawandel, Sozialversicherung, internationale Handelsbeziehungen und Ungleichheit.

      Um die besonderen Befugnisse, mit denen der Währungsemittent ausgestattet ist, gänzlich wahrzunehmen, müssen Länder mehr tun, als sich lediglich das ausschließliche Recht zur Währungsemission zu verleihen. Sie dürfen auch kein Versprechen ablegen, ihre Währung in etwas umzutauschen, dessen Vorrat zu Ende gehen könnte (z.B. Gold oder die Währung eines anderen Landes). Und sie müssen davon absehen, Darlehen in einer anderen Währung als ihrer eigenen aufzunehmen (d.h. sich zu verschulden).3 Wenn ein Land seine eigene nicht konvertible (Fiat-)Währung emittiert und nur Darlehen in seiner eigenen Währung aufnimmt, dann hat dieses Land monetäre Souveränität erlangt.4 Monetär souveräne Länder brauchen ihre Budgets also nicht so zu führen, wie dies ein Haushalt tut. Sie können ihre Befähigung zur Währungsemission für politische Maßnahmen nutzen, die die Vollbeschäftigung in der Wirtschaft bewahren.

      Gelegentlich werde ich gefragt, ob die MMT auch außerhalb der Vereinigten Staaten anwendbar ist. Ja! Obwohl der US-Dollar als globale Reservewährung einen besonderen Status genießt, sind viele weitere Länder befähigt, ihre Währungssysteme in den Dienst ihrer Bevölkerung zu stellen. Wenn Sie dieses Buch außerhalb der USA lesen, glauben Sie also bitte nicht, dass Sie hier keine wichtigen Erkenntnisse für Sie und Ihr Land finden werden. Ganz im Gegenteil, mit der MMT lassen sich die politischen Möglichkeiten jeden Landes mit einem hohen Maß an monetärer Souveränität – die Vereinigten Staaten, Japan, das Vereinigte Königreich, Australien, Kanada und viele andere – darstellen und verbessern. Und wie wir in Kapitel 5 sehen werden, liefert die MMT auch Erkenntnisse für Länder mit begrenzter oder keiner monetären Souveränität – Nationen wie Panama, Tunesien, Griechenland, Venezuela und viele andere.

      Die MMT hilft, zu verstehen, warum Länder, die ihren Wechselkurs festlegen, wie dies beispielsweise Argentinien bis 2001 tat, oder Darlehen in ausländischer Währung aufnehmen, wie zum Beispiel Venezuela, ihre monetäre Souveränität untergraben und sich selbst Beschränkungen auferlegen, die für andere Währungsnutzer gelten, wie zum Beispiel Italien, Griechenland und andere Länder der Eurozone. Wenn Länder mit begrenzter oder keiner monetären Souveränität die Budgetdisziplin außer Acht lassen, können ihnen untragbare Schulden entstehen, genau wie einem Haushalt. Im Gegensatz dazu müssen sich die Vereinigten Staaten nie Sorgen machen, dass ihnen das Geld ausgehen könnte. Sie können ihre Rechnungen jederzeit bezahlen, selbst die ganz hohen. Die Vereinigten Staaten können niemals so enden wie Griechenland, das seine monetäre Souveränität aufgab, als es aufhörte, die Drachme zu emittieren, um den Euro einzuführen. Amerikas Finanzierung ist nicht von China (oder sonst jemandem) abhängig. Vor allem bedeutet monetäre Souveränität, dass sich ein Land der Sicherheit und dem Wohlergehen seiner Bevölkerung widmen kann, ohne sich Gedanken um die Finanzierung machen zu müssen.

      THATCHERS RÜCKSTÄNDIGES DIKTUM: (TAB)S

      In einer berühmt gewordenen Ansprache von 1983 erklärte die britische Premierministerin, Margaret Thatcher, „Der Staat besitzt keine Geldquelle außer dem Geld, das die Menschen selbst verdienen. Wenn der Staat mehr Geld ausgeben möchte, kann er das nur, indem er sich Ihre Ersparnisse leiht oder höhere Steuern von Ihnen verlangt.“5 Das war Thatchers Art, zu sagen, dass die Finanzen der Regierung, ganz wie unsere persönlichen Finanzen, begrenzt waren. Wenn sie mehr Geld ausgeben wollte, musste sich die Regierung das Geld dafür beschaffen. „Wir wissen, dass es kein staatliches Geld gibt,“ fügte sie hinzu. „Es gibt nur das Geld der Steuerzahler.“ Wenn die Briten Geld von ihrer Regierung wollten, würden sie für die Kosten selbst aufkommen müssen.

      War es ein harmloser Fehler oder ein sorgfältig ausgearbeitetes Statement, um das britische Volk davon abzuhalten, mehr Geld von seiner Regierung zu verlangen? Ich bin mir nicht sicher. Aus welchem Beweggrund auch immer verheimlichte Thatchers Aussage die Befähigung des Staates zur Währungsemission. Mehr als drei Jahrzehnte danach äußern sich politische Führer währungsemittierender Länder wie des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten noch immer so, als seien wir, die Steuerzahler, letztlich die Geldquelle der Regierung. Wie es die ehemalige britische Premierministerin, Theresa May, in jüngerer Zeit formulierte, hat die Regierung keinen „magischen Geldbaum“.6 Nur, wenn sie mehr von unserem Geld nimmt, heißt es, kann es sich die Regierung leisten, die Finanzierung bereits bestehender Programme aufzustocken oder gar ehrgeizige neue Projekte zu finanzieren.

      Den meisten von uns leuchtet es wahrscheinlich ein, dass die Regierung mehr Steuern erheben muss, um mehr auszugeben. Und das wissen unsere Politiker. Sie wissen auch, dass die meisten von uns nicht wollen, dass die Steuern erhöht werden, also verstricken sie sich bei der Jagd nach Wählerstimmen immer mehr in Widersprüche, indem sie geloben, Großes zu vollbringen, ohne dass die Mehrheit von uns mehr bezahlen muss. Beispielsweise versprach Donald Trump dem amerikanischen Volk, dass Mexiko die Grenzmauer bezahlen werde, wohingegen die Demokraten behaupten, dass viele ihrer ehrgeizigen Projekte von Milliardären und der Wall Street finanziert werden können. Von irgendwoher muss das Geld schließlich kommen, nicht wahr? In Wirklichkeit ist es genau andersherum. Doch bevor wir uns damit befassen, sehen wir uns zuerst die herkömmlichen Vorstellungen an, um diese rückständige Denkweise dann leichter mit dem wahren Sachverhalt vergleichen zu können.

      Sie wissen doch noch, dass wir unsere eigenen Finanzen am besten verstehen, und dass wir wissen, dass wir erst zu Geld kommen müssen, bevor wir es ausgeben können. Also scheint der Gedanke, dass sich die Bundesregierung für ihre Ausgaben Geldmittel beschaffen muss, intuitiv richtig. Ausgehend von unseren eigenen Erfahrungen wissen wir, dass wir nicht einfach mit neuen Schuhen aus einem Geschäft spazieren oder mit einem neuen Sportwagen vom Autohändler wegfahren können, bevor wir dafür bezahlt haben. Nach konventioneller Denkart ist die Regierung von zwei Geldquellen abhängig: Sie kann unsere Steuern erhöhen, oder sie kann sich unsere Ersparnisse leihen. Mittels Steuern kann die Regierung Geld von denen eintreiben, die es besitzen, weshalb Steuern als ein Weg angesehen werden, um der Bundesregierung Geld zu übertragen. Wenn die Bundesregierung mehr ausgeben möchte, als sie an Steuern einnimmt, kann sie sich zusätzliche Geldmittel beschaffen, indem sie bei Sparern Darlehen aufnimmt. In beiden Fällen gilt die Vorstellung, dass die Regierung das Geld aufbringen muss, bevor sie es ausgibt. So hat man den meisten von uns die finanzpolitischen Aktivitäten der Regierung erklärt. An erster Stelle stehen Steuern und Darlehen. An letzter Stelle stehen die Ausgaben. Eine nützliche Gedächtnisstütze für die konventionelle Denkart ist (TAB)S: Steuern