Das Gleiche gilt für einen Arm. Wenn jemand mit einem Tennisarm in die Praxis kommt, haben wir es mit einer Extremität zu tun, in deren Mechanismus eine Dysfunktion produziert wurde. Unser erster Gedanke sollte sein, wie dieser Mechanismus aussehen würde, wenn er ohne dieses Dysfunktionsmuster hereingekommen wäre. Wie sollten die Muskeln sein? Was sind die Funktionsgrundlagen dieser Muskeln in diesem Arm, diesem Unterarm, diesem Handgelenk und dieser Schulter? Wie sind sie für den gesunden Zustand in dieser bestimmten Person gestaltet? Dann können wir, wenn wir den Arm anfassen, verstehen, wie er innerhalb dieser speziellen Schwierigkeit, mit der der Patient gekommen ist, funktioniert.
Unser eigentliches Ziel bei diesem Kurs ist deshalb nicht das Erlernen von Pathologien in den Körperbereichen, die wir besprechen und mit unseren Händen berühren. Wir wollen vielmehr begreifen lernen, was die zugrunde liegenden Gesetze für diesen Mechanismus sind. Wofür ist dieses oder jenes Ding im Patienten da? Die Frage lautet nicht: Was machen sie jetzt gerade? Was sie jetzt gerade machen, ist lediglich der diagnostische Hinweis darauf, dass da vielleicht ein Problem besteht. Die Frage ist: Wofür sind diese Mechanismen im Patienten da? Dabei spreche ich nicht nur über den Kraniosakralen Mechanismus, obwohl dies das Thema dieses Kurses ist. Die Grundprinzipien der Anatomie und Physiologie des Kraniosakralen Mechanismus sind identisch mit den Prinzipien eines jeden anderen Körpersystems – ob Bewegungsapparat, Verdauungs-system, Herz-Kreislauf- oder Atemsystem.
Wir müssen uns also fragen: Wie manifestiert sich dieses universelle System, wie arbeitet es im Patienten? Dieses universelle System hat in jedem Einzelnen einen individuellen Namen, es hat in jedem Patienten ein individuelles Muster, mit dem dieser herumläuft. Jeder Mensch hat ein einzigartiges Design, auf dessen Basis er funktioniert, aber seine einzelnen Anteile sind universell. Jede Komponente des Kraniosakralen Mechanismus hat Prinzipien, die allgemeingültig in jedem von uns funktionieren und dann ihren individuellen Ausdruck in der Persönlichkeit, zu der sie gehören, finden.
Dass wir beim Studieren in diesen Kursen nicht nach Pathologien suchen, sondern nach den Grundlagen, die diesen Mechanismus funktionieren lassen, erweitert unseren Horizont um einiges. Nicht um das sogenannte Normale zu studieren, seid ihr also hier, sondern um die Prinzipien zu verstehen, die bei dem individuellen Menschen, mit dem ihr gerade arbeitet, zum sogenannten Normalen gehören.
DNS-MUSTER
Wenn ihr die unwillkürliche Struktur eines Menschen ohne jegliche Einmischung des Willkürlichen untersuchen könntet, würdet ihr finden, dass es für jeden einzelnen Menschen auf dieser Welt ein individuelles Muster der Gesundheit gibt. Jeder anatomisch-physiologische, unwillkürliche Mechanismus folgt vom obersten Punkt des Kopfes bis zu den Füßen einem Muster, das ihm eingeimpft, für ihn geschaffen wurde von der DNS, die zum Zeitpunkt der Empfängnis da war und um die herum jeder Mensch sein Muster der Gesundheit auf baut. Er hat Energie erhalten, um dieses Muster aufzubauen. Es dauert neun Monate, um auf die Welt zu kommen, und
90 Jahre, um sie wieder zu verlassen; aber all diese Zeit über wird die unwillkürliche Struktur ständig Zelle für Zelle wieder aufgebaut, wobei einzig das DNS-Muster dieses speziellen Körpers den inneren Mechanismus erschafft, der sie zu einem funktionierenden unwillkürlichen System macht.
Wenn du dich mit deinen Händen auf diesen Patienten einstimmst mit dem Ziel, Probleme ausfindig zu machen, dann findest du auch Probleme, hervorgerufen durch willkürlich geschaffenen Stress, Krankheit oder Traumen – also durch etwas, was der Patient von außen nach innen getragen hat. Wenn du aber in der Lage bist, durch das, was dieser Sache aufgebürdet wurde, hindurchzuarbeiten und deinen Fokus auf die Gesamtheit des unwillkürlichen Musters richtest, rufst du stattdessen die stärksten Energien der Welt – die DNS und ihr Muster oder ihre Blaupause – herbei, die sagen: „Das ist es, was ich sein will.“ Dieses Muster ist individuell entworfen für diese eine Seele, dieses eine Individuum.
Wenn ich also diesen Kranialen Mechanismus, oder was auch immer ich zu behandeln versuche, berühre, während ich den Fokus meines Bewusstseins auf den Mechanismus dieses Patienten richte, bemühe ich mich, darunter zu lesen mit der Frage: Was möchte dieser unwillkürliche Mechanismus tun? Wo ist er, und wie kann ich ihn an die Oberfläche hochholen, damit er arbeitet? Da ich weiß, dass er diese Energie besitzt, deren Kraft noch vom Zeitpunkt der Geburt oder früher herrührt, dass diese Energie also zur Verfügung steht, kann, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf lenke, diese Energie hervorkommen und sich in dem Gebiet, das ich behandle, ausdrücken. Wenn ich fühle, dass sie ihren Kopf herausstreckt und sagt: „Okay, Boss, ich habe diesen neutralen Punkt gefunden und jetzt kann ich anfangen zu arbeiten“, weiß ich, dass etwas auf der unwillkürlichen Ebene geschehen ist. Und ich kann zurückgehen und auf der Ebene des willkürlichen Mechanismus die Dysfunktion überprüfen, die ich dort ursprünglich vorgefunden hatte. Allein durch dieses Lenken der Aufmerksamkeit korrigieren sich viele Dysfunktionen selbst.
EINE TIEFERE BEZIEHUNG
Nehmen wir an, wir sind wieder zurück in unserer Praxis und wir haben die übliche Behandler-Patient-Beziehung. Wir erheben eine sorgfältige Anamnese, untersuchen den Körper, veranlassen Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen, konsultieren einen Facharzt und erstellen schlussendlich eine Diagnose und planen ein Behandlungsprogramm. Vielleicht setzen wir Medikamente ein oder eine Operation wird vorgenommen. Wir machen also, was auch immer nach unserem besten Wissen in dieser Behandler-Patient-Beziehung angebracht ist.
Wenn wir nun aber eine andere, tiefere Ebene der Beziehung haben wollen – eine engere Verbindung, ein persönlicheres Verhältnis, dann lasst uns statt der üblichen, objektiven Behandler-Patient-Beziehung einen etwas subjektiveren Ansatz wählen und den Arzt und den Patienten zu einer Einheit zusammenbringen.
Arzt und Patient haben einen ähnlichen physischen Körper, der jeweils über den gleichen anatomisch-physiologischen Mechanismus verfügt. Dieser Mechanismus hat kein Ego, er hat keinen Namen, er heißt weder Becker noch Jones. Beide, Arzt und Patient, haben einen Energiekörper, der sie lebendig macht, einen Mentalkörper mit sowohl intellektuellen wie emotionalen und spirituellen Anlagen. Beide sind gleich, es gibt keinen Unterschied. Es ist der gleiche Körper; es gibt keinen Unterschied, keinen einzigen.
Ihr als Studenten, wir als Fakultät haben genau denselben identischen Mechanismus, den ich eben beschrieben habe. Was diesen Mechanismus angeht, besitzt keiner von uns ein Ego.
2.2. BEWEGUNG – DER SCHLÜSSEL ZU DIAGNOSE UND BEHANDLUNG
Vortrag auf einer Konferenz der Cranial Academy, die 1979 mit Unterstützung der Sutherland Cranial Teaching Foundation stattfand.
Bewegung ist nicht Leben. Bewegung ist eine Manifestation des Lebens. Das Wunder des Lebens drückt sich in Bewegung aus, vom Fluss der Elektronen um einen Nucleus herum bis hin zu den lebendigen Wesen, die wir Viren, Bakterien, Pilze, Pflanzen, Tiere und die Menschheit nennen. Dieses Leben kann man im Meer finden, auf dem Land und in der Luft – vielleicht sogar im Weltraum. Die Menschheit hat in all diesen Umgebungen gelebt bzw. sich angepasst, um dort leben zu können. Webster definiert Bewegung als:
„Die Handlung bzw. den Prozess des sich Bewegens; die örtliche Veränderung eines Körpers von einer Stelle zur andern; die Handlung, seinen Körper oder einen Körperteil zu bewegen; in der Mechanik: eine Kombination von sich bewegenden Teilen; Mechanismus.“ 9
Zu Dorlands insgesamt 30 Definitionen von Bewegung gehören auch folgende:
1.Der Vorgang des Sich-Bewegens.
2.Aktive Bewegung: eine durch die eigene Muskulatur hervorgerufene Bewegung.
3.Automatische Bewegung: eine Bewegung, die ihren Ursprung im Organismus hat, aber nicht willentlich ausgelöst ist.
4.Übertragene