Der Brandner Kaspar. Kurt Wilhelm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Wilhelm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783475549120
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zu drohender Größe und donnert den Erdensohn an, so gut es ihm im Gewackel gelingen will:

      »Irrtum?! Mir san die oberste aller Instanzen, du Mensch!«

      Was soll der Kaspar da anderes tun, als behutsam einlenken:

      »Is ja gut, hock di nur grad wieder hin. I moan bloß, ’leicht gibt’s noch an anderen Brandner Kaspar, könnt doch sein. Im Werdenfelser Land eppa …«

      Die oberste aller Instanzen aber erweist sich als äußerst gekränkt und donnert unbeirrt weiter:

      »Erdenwurm du! Ich komme aus der Allweisheit daher! Ich bin ausgesandt, dich zu geleiten in den ewigen Glanz – öha!«

      Da dreht ihn der Kerschgeist, die Knie knicken ein, er plumpst zurück auf die Bank und vermag nur noch nachzumaulen: »Und du Bursch, du kecker, du werfertst mir eine Amtsverwechslung vor – i muss schon sagen –, naa!«

      »Is ja guat, es war net a so g’meint.«

      »Also! Was redst na! – Weißt was, jetzt trink ma aus, und dann gehn wir zwei miteinand auf die Reise, als guate Freund!«

      Auf die Reise – die letzte, die endgültige? Nichts hatte der Kerschgeist genützt, nichts die schönen Worte und guten Wahrheiten allesamt. Der Unheimliche bleibt unerbittlich. Den Brandner packt eine Wut. Die Furcht vor dem Schwarzen hat er verloren, seit er ihn so lallend vor sich sieht, und darum traut er sich blaffen:

      »Guate Freund, soso! Des wär mir a saubere Freundschaft, mit dem Kommando: ›Mir gehn mitnand auf die Roas!‹ Des is koa G’hörtsi unter g’standene Leut – und braucht auch nix weiter zum Trinken – Punktum!«

      Mit einem ganz raschen Griff nimmt er dem Gast die Flasche gach aus der Hand und stellt sie weit weg, unter sich, unter die Bank auf den Boden. Punktum!

      Dem Boanlkramer reißt es die rauschigen Augen weit auf:

      »Kasper, ich hab dir a ganzes Jahr ’boten, als Zuwag, aber du, du hast ja für alles a Ausred. Willst denn du noch zehn Jahr leben?«

      Er kann einem schier Leid tun, so kläglich schaut er jetzt drein. Der Brandner aber schüttelt nur seinen Kopf:

      »Mein Vatern selig hast du schon vor der Zeit g’holt …«

      »Geh, vor der Zeit, woher möchtst du des wissen?«

      »Weil mei Großvater und fast alle meine Ahndln Neunz’ge worden san! Jaja, des is so bei uns! Und so alt werd i aa! Nachert kannst kommen, von mir aus, ehnder net.«

      Das ist zu viel. Da schnappt der Boanlkramer nach Antwort und bringt keine heraus. Er wiegt sich und stöhnt, wie man es bei einer Handelschaft tut, und zieht seine Finger herauf, zählt an ihnen herum und murmelt dazu:

      »Neunz’ge – achtz’ge – siebz’ge – äh – wie viel gaab denn des nachert, so alles mitnander?«

      »Akkrat achtzehn Jahr«, sagt der Brandner leise und fest, holt tief Luft, greift zum ersten Male von sich aus nach seinem Stamperl und trinkt es leer auf einen einzigen Zug. Der Boanlkramer achtet nicht darauf. Er spitzt das faltige Maul, siffelt leise, pfeift vor sich hin und denkt nur und denkt. Dann sagt er entschieden:

      »Naa – geht net!«

      Ehe der Brandner etwas erwidern kann, hört er von draußen, ganz nah vor der Tür, ein Wiehern und Schnauben. Ein Ross? – Wo käm denn da mitternächtlich eines daher, denkt er erschrocken, und fragt:

      »Was war des?«

      »No, mein Karrenross, was denn sonst.«

      Der Schwarze wundert sich nicht, dass der Brandner sich wundert. Er tut auf zwei Fingern einen gellenden Pfiff, und aus ist’s und gar mit dem Wiehern und Schnauben.

      Dem Brandner ist es wieder eisig ins Herz gefahren, weil er sich vorstellt, wie da draußen die Fuhr auf ihn wartet, nur auf ihn, für die letzte Reise, deren Ziel niemand kennt. Wie oft hat er beim Rosenkranzbeten gedankenlos leiernd den Satz wiederholt: ›– jetzt und in der Stunde unseres Todes – Amen‹, und nun soll sie wirklich gekommen sein, die grausame Stunde der Überfuhr zu dem Ort, den keines Lebenden Aug je gesehen, für den er mit allen anderen um Gnade und Fürbitt gebetet, sein Leben lang. Dort draußen im Dunkel soll es beginnen –

      »– auf am Karren?«

      »Sowieso. Ich kann meine Passagier ja net gut auf’m Buckel spedieren oder auf meine Arm tragen«, grinst der Fuhrmann grob und ungerührt zu ihm her. Dann gedenkt er und lispelt mitleidig vor sich hin: »Höchstens die klein’ blassen Kinder, wenn s’ im Eis ein’brochen san – die sind eine leichte Last.« Und, als gereue es ihn, sich dem Lebendigen verraten zu haben, faucht er noch hinterher: »Aber so a Prügel Mannsbild wie du!« Da kann der Brandner auftrumpfen: »Prügel Mannsbild, soso? No also, jetz b’stehst es ja selber zu, dass i noch lebendig gnua wär für den Neunz’ger. Horch amal zu und pass auf …«

      Er kommt nicht dazu, erneut über den Handel zu disputieren. Von draußen ist abermals, näher als vordem, das durchdringende Wiehern zu hören. Es gellt dem Brandner schmerzhaft im Ohr.

      »Malefizkrampen! Is jetzt a Ruah!«, schreit der Boanlkramer, pfeift abermals auf den Fingern, fährt hoch, die Türe ins Freie schwingt dienstbar auf vor ihm, ohne dass er sie berührt hätte, er wankt hinaus und schimpft ins Dunkel. Er kommt zurück und lallt die Entschuldigung: »Der wird mir ungeduldig. So lang hat er noch nie warten müssen.«

      »Z’wegs meiner braucht er net warten«, faucht der Brandner und ballt seine Fäuste. Er würde nicht mitgehen, ums Verrecken nicht, das steht für ihn fest.

      Nun, da er grad wieder auf Füßen steht, wenn auch recht schwankend, scheinen Pflicht und Auftrag in den jenseitigen Boten zurückzukehren. Der frühere Glanz leuchtet wieder aus seinen seltsamen Augen, als er verheißt:

      »Kaspar, sei halt vernünftig. Schau, die Welt dreht sich behaglich ohne dich weiter.«

      Der aber blickt fest und finster, schaut nicht auf, und hört nicht auf den Ton der Verlockung:

      »Nix! Neunz’ge sag i, und dabei bleibt’s!«

      »Bedenk, für dich fängt’s dann doch erst an …«

      »Was nacher?«

      »Das wahrhaftige Leben«, haucht es ihm zu.

      »Jaja, ich weiß schon. Des sagt der Herr Pfarrer aa. G’sehn hat er’s net.«

      »Aber ich – ich hab’s g’sehn, Kaspar! Du, es is so unendlich wahr und gut dorten. Ich derf ja net ’nein. Im Paradies, da brauchen s’ koan Boanlkramer, so schön is’ es da, glaub mir’s, so schön – ach, bal du wissertst …«

      Er seufzt verzückt und verdreht vor Wonne seine Augen gen Himmel. Da der Kaspar sich nicht regt und nicht rührt, nicht antworten will, sondern sich mit den Händen am Tisch einkrallt, greift der Bote listig lockend zum Glas, hebt es und zwinkert versöhnlich:

      »Wie waar ’s, mir trink ma a letztes Glasl mitnand – als ein Siegel auf unser Verständnis. Gönnst mir net eines zum Abschied? Sei net a so, kumm –«

      Der Kaspar brummt und wiegt sich in Missmut, ehe er grimmig die Flasche unter der Bank herausholt, eingießt und dabei fordernd und grob, dem Gast fest in die Augen schauend, sagt:

      »Aber – neunz’ge, gell! Dass i mich vor die Ahndln net genieren müsst!«

      »Wuh«, macht der Schwarze verzweifelt und versucht es erneut mit der gütigen Überredung: »Kaspar, hab doch a Einsehen. Schau, die Uhr da …« Er wendet sich hin und macht Miene, hinüberzuwanken.

      Da ist aber der Kaspar schon aufgefahren, ihm voraus auf den Platz vor der Uhr in zwei Sätzen und stellt sich schützend davor. Der Boanlkramer gerät aus dem Lot, verhält, schaut auf seine dürren Haxen hinunter, reibt sich die Augen, und deutet erschrocken vor sich:

      »Hui, da wackelt fei was. Der Boden hebt sich – da ’nüber! Was is des?«

      »In einer