Der Brandner Kaspar. Kurt Wilhelm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Wilhelm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783475549120
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in sich spürt.

      »Ich mach dir was z’ essen.« Das Marei will in die Kuchl, doch er hält sie zurück:

      »Dankschön, i mag nix. Ich brachtert nix nunter. Ich brauch bloß a Zeitl mei Ruh zum staad Sitzen und Ausschnaufen.«

      Der Flori steht herum wie ein fremder Besuch und schaut ein bissei besorgt drein: »’s Beste is g’wiss, i druck mi und bring den Wagen zurück.«

      »Das Marei soll mitfahren!«

      »Geh, Großvater, ich lass dich doch jetzt net allein.«

      »Und dein Treiberlohn? Wir ham’s net grad zum Verschenken, Madl. Du fahrst mit zur Jagdtafel und holst ihn dir ab. Da kann der Senftl nix machen dagegen. Nimm die Kraxen mit, dass d’ was heimschleppen kannst, im Fall was von der Strecke an die Treiber verteilt wird.«

      Das Marei möchte schon gern zum Gelage, aber sie zögert: »Des wär doch net zum Verantworten, bei dei’m Zustand …«

      Der Alte muss sie hinausstampern zum Umziehen, weil sie im Treibergewand, als Bub, dort nicht gut auftauchen kann. »Schleun di«, sagt er, »net dass die besseren Trümmer alle vergeben san.«

      Das Marei lacht und gehorcht nur zu gern.

      Während sie in ihrer Kammer sich putzt, mag der Flori in seiner jugendlichen Neugierde noch einmal über die Vorfälle reden:

      »Du hast den Schwarzen doch ’kennt und magst es net sagen, aus Schonung für ihn. War’s dem Simmerl sein Schuss?«

      »Is doch Wurscht. Es ist gut ausganga und damit vergessen. Ich hab niemand kennt und bin mir auch nimmer sicher, ob da wirklich wer war. Der Doktor wird schon Recht haben, es war a Traum, mehra net.«

      »I glaub aber schon, dass es der Simmerl gewesen sein könnt.«

      »Und wenn – ich wär ihm net gram, es wär net mit Absicht geschehn.«

      Der Flori geniert sich ein wenig, ehe er allzu neugierig wissen mag:

      »Is ’as Marei immer noch Freund mit dem?«

      Der Kaspar schmunzelt, weil sich der junge Dutterer gar so plump über den Rivalen erkundigt:

      »Des fragst sie selber. I schaug net dahinter – des is ihra Sach’.«

      »Und die Drohung vom Senftl? Die war ja beinah wie a biblischer Fluch. Ich mein’, so ein Garneamd, wie ich, der richtet nix aus gegen ihn. Aber traut der sich wirklich an euch?«

      »Bei dem weiß ma nie. Er is a tüchtiger Mann, er hat seine Verdienste, auch um die Gemeinde, aber halt a Ruach, a Geizkragen, a Zornniggel und a Gifthaferl dazu.«

      »Des kannst aber laut sagen. Seine Knecht sind der Ansicht, sie derleben es noch, dass den der Schlag trifft, vor Giez und vor Geiz. Der werd amal blau im G’sicht und fallt um – auf des warten s’.«

      »Man soll neamd nix Böses net wünschen, aber eine Vermahnung kunnt dem g’wisslich net schaden. Es war oft g’nua nah dran, dass s’ ihn ins Haberfeld treiben, so harb sein manche auf ihn. Was meinst, hat er’s dir gegenüber ernst g’meint?«

      »Glaub schon. Ich geh nachert z’ruck auf sein Hof, in mei’ Kammer, und wart ab, was er morgen daherred’t. Kunnt aa sein, i triff ihn jetzt noch, drunten im Schloss, dass er da scho was sagt …«

      »Geh ihm heut aus ’m Weg. Heut is er noch z’ gifti.«

      »Vorhin, wie sich die Herrschaften um dich bekümmert ham, da war er ganz zahm und hat sogar aufs Marei a ganz a süße Fotzn hing’macht. Ihren Treiberlohn werd er na doch net verhindern, oder was meinst?«

      Sie hätten noch mehr hin und her überlegt, wäre nicht das Marei hereingekommen, unternehmungslustig und voll Vorfreude. Im Feiertagsgewand mit dem Schalk sieht sie so zum Abbusseln aus, dass der Brandner ganz stolz auf sein ansehnliches Enkelkind wird.

      »I waar ’s, Flori! Großvater, im Herd is noch Feuer, kanntst dir die g’schmalzene Brotsuppen aufwärmen, wenn dir danach is. Dann gehst aber ins Bett, des musst mir versprechen. Du schaugst zwar schon wieder ganz frisch her, aber besser is besser. Gib gut auf dich Obacht und mach keine G’schichten. Wenn’s dir schlechter gehn sollt, läutest die Glocken oben am Haus. Die hör ich bis drunten und bin glei bei dir.«

      »Wenn ’s mir letz wurert, hätt i den allerbesten Nothelfer gleich bei der Hand«, sagt der Alte, holt den Kerschgeist des Simmerl aus seiner Tasche und lacht: »Jetzt druckt’s euch, ihr zwoa, vor i euch ’nausschmeiß! Hat ma denn niemals a Ruh vor euch Junge?«

      Er ist so guter Dinge, wie er da sitzt in dem Lehnstuhl, dass sie fröhlich und sorglos davoneilen können. Er sieht durch das Fenster sie ins letzte Dämmerlicht laufen, hört ihre Stimmen, das Anschirren drunten, das Wenden des Wagens, das Schnauben des Sengerschen Pferdes. Sie rasseln davon, es wird still.

      Da ist er allein und allem ausgeliefert, was kommt.

      Der Tod

      Der Schmerz im Schädel wird ihm wieder bewusst. Er verharrt unbeweglich, er kann sich nicht entschließen, in die Schlafkammer zu gehen, er wartet und weiß nicht, worauf. Er wickelt die Binde ab, die der Medicus um seinen Kopf geschlungen hat, tastet, schaut auf die Finger, ob noch ein Blut zum Sehen ist, aber da ist nichts mehr. Missmutig tatscht er an dem wehen Ohr herum.

      Das elende Sirren und Klingen in seinen Ohren will nicht verstummen. Und seine Augen? Wohin er auch schaut, es ist ihm, als blicke er wieder durch Wände aus dickem Glas, die alles verzerren und krumm machen. Deifi noch amal, denkt er, ich hab doch schon ganz andere Sachen derlebt, und mir war net a so. Jeder Wehdam wird mit der Zeit g’ringer, und so damisch kann einem doch net sein von so a bissei am Streifschuss. Sollt ich aufstehn und mir a Essen bereiten? Ich hab seit in der Früh fast nix im Magen. Am End liegt’s an dem, dass ich so roglert beinand bin.

      Er will sich erheben, aber es geht nicht. Die Mattigkeit presst ihn in den Lehnstuhl zurück. Er ächzt leise und wiegt den Kopf schmerzhaft hin und her, wie er es öfter hat tun müssen seit dem Peitschenschlag des Schusses im Wald.

      Es ist still. Er hört nur die alte Uhr an der Wand unermüdlich die Minuten in Stücke hacken. Lauter als sonst, kommt ihm vor. Dass von draußen so gar nichts zu vernehmen ist? Kein Laut von den Viechern im Stall, kein Uhuschrei durch die Nacht?

      »Ah was«, sagt er rau, reißt sich empor aus dem Sessel, stellt sich, so fest es gehen will, auf seine Füß und schlurft in die Kuchl hinüber zum Herd. Er vernimmt dabei nicht die eigenen Schritte, über das Sirren und Klingen im Schädel dringt nur das schmerzende Hacken der Uhr, sonst ist alles wie tot und verstorben, als lebe die Welt nicht mehr, als sei er allein geblieben in ihr.

      »Und ’s Feuer is auch aus? Kein Fünkerl Glut mehr, nur Asche? Wo ’s Marei doch g’sagt hat, es brennt noch, und wo ’s doch ansonsten immer noch glimmt, auch wenn wir den ganzen Tag fort waren. Was g’schiecht denn bloß heut? Spinn ich? Is alles derquer?«

      Eine Wut packt ihn. Er haut mit der Faust auf die laue eiserne Herdplatte. Für die Brotsuppen müsst ich den Herd erst wieder zünden. Ah was, a Stückl a Brot oder a Nudel wird’s auch tun, und zur Feier meiner Errettung vergönn ich mir a Trumm vom G’selchten und einen Schluck von dem Kerschgeist dazu. Wo hab ich die Flaschn denn hingetan?

      Als er sie sucht und in die Stube zurückkommt, gleitet sein Blick über den Herrgott im Winkel über der Ofenbank. Ein Schein Mondlicht fällt just auf ihn. Still hängt er da, aber es ist ihm, als schaue er her, mit einem wahrhaftigen Blick aus wirklichen Augen, wo die doch nur aufgemalt sind.

      »Weh tut’s«, sagt er leise zum schmerzhaften Herrgott hinüber, »und mir is so loami wie niemals zuvor, und schieach zum Verzagen. Ich war noch nie krank, bis zum heutigen Tag. Was hätt mich auf oamal ’packt, und ich kann mich nicht wehren?«

      Blicken die gemalten Augen aus dem gesenkten Haupt wahrhaftig forschend herüber, oder macht nur das seltsame Mondlicht, dass es so scheint? Mondlicht? Ist denn nicht Neumond?

      Dem