Der Brandner Kaspar. Kurt Wilhelm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Wilhelm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783475549120
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geh i mit dir.«

      »Ohne Widerred’?«

      »Ja.«

      »Versprochen?«

      »Es gilt!«

      Der Brandner schlägt mit dem Knöchel auf die Tischplatte, wie es Handelsleut tun, wenn der Vertrag unverbrüchlich ist. Ja, es gilt!

      Der Boanlkramer glotzt noch, es geht ihm nicht ein. Freiwillig mit? Dieser Karten wegen? Welche Bewandtnis sollte es haben mit dem Häuferl? Wie groß war es? Was war mit dem Rest? Kenn einer sich aus mit dem Karten, der nie Karten gespielt hat. Und war er nicht unter den seinen, dieser Grasober, was dann? Gehörte das andere Häuferl auch ihm? Gehört es dem Brandner? Was sollte geschehen, wenn er in dem anderen war? Darum fragt er verlegen:

      »Und wenn er in dei’m Häuferl befindlich is – na gehst aa mit. Oder?«

      »Naa«, lacht der Brandner ihn aus, »dann darfst mir nimmer daherkommen, bis ich Neunz’ge bin!«

      »Ui weh.«

      Das also war der Sinn dieses G’spieleis. Da war der Haken.

      »No? Gilt’s?«, drängt ihn der Brandner.

      »Wart!«

      Da heißt es erst denken, erwägen, sinnieren. Zwei Häuferl mit Karten. So weit ist es verstehbar. In einem musste er sein, der Grasober, oder wie das Blattl sich nennt. Gleich große Häuferl? Davon war nicht die Rede. Hui – wenn schon ein Schicksal in ein Spiel gesetzt wird, warum nicht die Chance verbessern!

      Und schon schreit er und schlägt mit dem Knöchel hart auf den Tisch, wie es der Brandner soeben getan hat:

      »Gilt – und versprocha!« Dem würde er’s zeigen!

      »Gut – na hebst auf.«

      Der Boanlkramer kichert sardonisch: »Du bist mir a ganz a dummer Teufel, Kaspar, aber scho a ganz a saudummer, weil, ich nimm mir so viele Karten in mein Häuferl hinein, dass der Grasober dabei sein muaß!«

      Warum zuckt der Brandner da nicht zusammen und macht eine Lätschen angesichts solch geistiger Überlegenheit und mit allen Wassern gewaschener List? Warum grinst er dazu auch noch, senkt seinen Blick und sagt nur:

      »Des is dei Sach. Es is a ehrliches G’spielei, und a jeder macht’s, wie er’s kann.«

      Dass die Lüge den Brandner hart ankommt, weil Lügen nun einmal nicht seine Gewohnheit ist, bemerkt der Kichernde nicht. Er hebt ab, lässt mit spitzigen Fingern dem anderen noch vier, fünf Karten zurück, tut großmütig noch eine sechste dazu, packt sein Häuferl, lacht und kudert und strahlt, während er die Karten, eine nach der anderen, umdreht, beglotzt und dann auf die Tischplatte drischt.

      Da hält er schon inne und schreit: »Ham ma ’n scho! Hurraxdax!«

      »Naa, is er net. Des ist der Schellenober«, belehrt der Brandner ihn sanft. Und während der Boanlkramer nach kurzem enttäuschten Verhalten weiter umdreht und drischt, erklärt er ihm halblaut die Werte: »Herzzehner – Eichelsau – des da is der Grasneuner, auf die Farb musst schauen.«

      »Schau scho, schau scho«, quietscht der Blätternde und werkelt mit jedem Schlag schneller und hitziger. Dann hat er ihn da, jault auf und strahlt vor Glück und Triumph:

      »Daa!«

      Der Kaspar schüttelt den Kopf: »Wieder net. Des is der Grasunter.«

      Das Strahlen verschwindet: »Ja, gibt’s denn den aa?« mault er empört vor sich hin, blättert fort wie ein Wilder, drischt die Nieten, dass der Tisch dröhnt, und fällt in eine immer tiefere Verwirrtheit. Als die letzte Karte gefallen und sein Häuferl am Ende ist, greint er hilflos:

      »Ja, wo is er denn bloß, dieser Krüppel? Der muaß doch dabei sein. Is er mir eppa abig’fallen, vorhin?«

      Er fährt mit dem Kopf unter den Tisch und sucht auf dem Boden.

      Dem Brandner schlägt das Herz wie ein Hammer, als er seinen Betrug vollendet, den Grasober aus dem Ärmel hervorzieht und ihn unter die sechs Karten seines eigenen Häuferls schiebt, als die siebente.

      Falsch spielen, das ist eine Niedertracht, und er hat es seit seiner Lausbubenzeit nicht mehr getan. Hier aber geht es nicht anders, ihm bleibt keine Wahl. Er holt Luft, ehe er, so ruhig und gemächlich es ihm eben gelingen will, zu dem Suchenden sagt:

      »Schau halt amal nach – in mei’m Häuferl.«

      Der fährt auf, dass sein Kopf von unten her gegen die Tischplatte kracht, bekümmert sich nicht, sondern stürzt sich begierig auf die sieben restlichen Karten und schreit voll Begeisterung, weil er noch nicht begreift, dass er verloren hat:

      »Ja! Da muss er drin sein!«

      Erst als er ihn in den Fingern hält, geht ihm, langsam genug, ein Licht auf, und er stöhnt:

      »Verdammti G’schicht! Wo es dir doch aufgesetzet war für den heutigen Tag.« Er wirft ihn weg, den vermaledeiten Grasober, und wischt ratlos mit den Händen herum auf dem Tisch.

      Darf er lachen und brüllen vor Glück, der Kaspar? Nein, er hält sich im Zaum und schreit seinen Jubel nicht laut heraus. Seinen Augen indes kann er das Leuchten nicht nehmen und dem Mund nicht den Schatten des Schmunzelns, als er die Flasche aufhebt, beide Gläser auffüllt und schließlich das seinige ruhig und feierlich nimmt und dabei spricht:

      »So! – Jetz trink ma zum Abschied no’mal mitanand. Auf den Neunziger!«

      »Naa!« kreischt der Andere. »Naa, und i mag’n gar nimmer, den Kerschgeist, den hinterkünftigen. I glaub, da damit hast du mich dran’kriegt!«

      Damit nicht, will der Brandner grad sagen, da hat der Ausgeschmierte seinen Schnaps schon wütend in einem Zuge hinuntergegossen und schaut so kummervoll her, als ginge es ihm an den Kragen.

      Er erhebt sich mühsam, schlotternd und schwach, dreht sich torkelnd zur Tür hin und versucht noch ein Letztes:

      »Aber eppa reut dich dei Glück amal, Kasper, könnt doch sein …«

      »Kannt mir’s net denken!«

      »Doch doch, ganz gewiss! Des weiß ich besser wie du. Der Gewinnst, der bringt dir koan’ Nutzen, da hast nix davo’. Der Ewigkeit kimmst du net aus!«

      »Is scho recht, tua di net oba, i glaub dir’s a so.«

      »Kaspar, im bitteren Ernst, wirst es sehn, dei’ gewonnene Zeit lauft dir übel dahin und kommt zu einem ganz bösen End’! Wenn’s dir vordem schon g’langt, na brauchst mi bloß rufen, gleich bin i da.«

      »Hat guate Weg.«

      »Naa, ruf mi, und hab koane Schiss. Ich weiß es, du werst di bald nach meiner Wiederkunft sehnen! Ruf! – Ich komm auf der Stell und führ dich ganz sanft und in Gnade, ganz sanft – i versprich’s. Versprich du mir’s auch, du Hallodri, o je …«

      Alle Kraft ist aus ihm, es schmeißt ihn auf dem Weg hinaus noch an den Ofen und hinüber zum Stuhl. Ums Haar wäre er mit knickenden Knien an die Tür hingerannt, die sich auftut vor ihm.

      »Jetzt schau, dass d’ endlich ’nausfindst beim Tempel«, lacht der Alte ihn aus, als er ihn da so ganz klein und ganz krumm am Türpfosten herumscheuern sieht.

      »Und gib mir fei Obacht, dass es dich net auf d’ Nasen hinhaut, da draußen. Pfüa Gott, bis in achtzehn Jahr, Bruder, und Glück auf ’n Weg.«

      »Ruf mi vordem! I bitt dich gar schön! Versprich’s halt! Wenn’s amal nimmermehr gilt, dei G’sangl!« Und er beginnt schauerlich falsch und daneben zu krähen: »Nix hast du, und lebst aa!«, und weiß nicht weiter.

      Da singt’s ihm der Brandner noch einmal vor, laut und stark, und seine alte Stimme klingt jung, übermütig, und dankbar dazu:

      »Nix han i, und do leb’ i halt,

      mit Gottes Gnad.

      Und