Eine Adaption von MSC für Jugendliche mit dem Titel »Sich mit sich selbst anfreunden« (»MFY« oder »Making Friends with Yourself«) wurde von Lorraine Hobbs und Karen Bluth (2016) entwickelt. Jede der wöchentlichen Sitzungen dieses Acht-Wochen-Kurses hat ein bestimmtes Thema, das Parallelen zu den Themen des Erwachsenenprogramms aufweist. Im Grunde unterscheidet sich dieses Programm von dem für Erwachsene dadurch, dass die Sitzungen kürzer (circa neunzig Minuten) und aktivitätsorientierter sind. Auch die geführten Meditationen sind kürzer, was bedeutet, dass sie mehr dem Entwicklungsstand der Jugendlichen entsprechen. MFY umfasst mehrere praktische, interaktive, spielerische Aktivitäten, die die Selbstfindung der Teilnehmenden hinsichtlich Achtsamkeit und Selbstmitgefühl fördern. Eine Übung enthält beispielsweise ein Rollenspiel, um aufzuzeigen, wie wir mit uns selbst in Beziehung treten, und schafft die Basis für eine Selbstmitgefühlspraxis. Es gibt außerdem eine künstlerische Aktivität, die den Wert von Unvollkommenheit demonstriert. Gespräche über das sich entwickelnde jugendliche Gehirn werden ebenfalls während des gesamten Kurses eingeflochten.
Bluth, Gaylord, Campo, Mullarkey und Hobbs (2016) führten eine Mixed-Methods-Studie über das MFY-Programm mit 34 Jugendlichen durch (74 Prozent weiblich; vierzehn bis siebzehn Jahre). Man verglich die Ergebnisse der Teilnehmenden, die nach dem Zufallsprinzip der MFY-Gruppe (n = 16) zugewiesen worden waren, mit denen einer Wartelistenkontrollgruppe (n = 18). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gebeten, zu Beginn und unmittelbar nach dem Programm eine Reihe von Selbstbeurteilungsbögen auszufüllen, um ihr Selbstmitgefühl, ihre Achtsamkeit, Lebenszufriedenheit, soziale Verbundenheit, Depressionsneigung, Angst und Anspannung sowie positive und negative Stimmungen einzuschätzen. Die Sitzungen wurden auch aufgezeichnet und transkribiert, und die Teenager gaben verbales Feedback über die Annehmbarkeit des Programms.
Die Teilnehmenden des MFY-Programms berichteten von signifikant höheren Zuwächsen bei Selbstmitgefühl (11 Prozent) und Lebenszufriedenheit sowie dem Rückgang von Depressionen im Vergleich zur Wartelistenkontrollgruppe mit Trends zu signifikanten Verbesserungen im Hinblick auf Achtsamkeit und soziale Verbundenheit sowie reduzierte Ängstlichkeit. Angesichts des kleinen Samples könnten diese Trends bei mehr Teilnehmenden signifikant gewesen sein. Die Teenager gaben im Allgemeinen auch positives Feedback über das Programm. Eine Jugendliche sagte:
»Ich denke, ich bin dankbar für die Werkzeuge, deren Anwendung ich hier gelernt habe, denn ich habe viele Ängste, besonders in Bezug auf die Schule. Ich habe das Gefühl, dass sich meine momentanen Ängste im Laufe der letzten Wochen verringert haben, weil ich achtsam und mitfühlend mit mir umgehe, und – keine Ahnung – ich fühle mich viel besser in Hinblick auf eine Menge Dinge, die ich tun muss, weil ich weiß, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich sie nicht tue oder was auch immer.«
Bluth und Eisenlohr-Moul (2017) untersuchten auch die Ergebnisse für Jugendliche (n = 47; 53 Prozent weiblich, Alter: elf bis siebzehn Jahre), die an MFY teilnahmen, in fünf Kohorten. Die Selbstbeurteilungen fanden zu Beginn, nach Abschluss und bei einem Follow-up-Termin nach sechs Wochen statt. Mehrstufige Wachstumsanalysen zeigten, dass bei den Teilnehmenden im Laufe der Zeit Selbstmitgefühl (17 Prozent), Achtsamkeit, Resilienz, Neugier/Forschergeist und Dankbarkeit zunahmen, während sich der wahrgenommene Stress verringerte. Campo und Kollegen (2017) führten eine ähnliche Studie über eine adaptierte Version des MFY-Programms durch, an dem junge weibliche Krebsüberlebende online teilnahmen (n = 25, 18 – 29 Jahre). Die Teilnehmerinnen berichteten nicht nur, dass sie das Programm mochten und hilfreich fanden, sie zeigten auch mehr Selbstmitgefühl (29 Prozent), mehr Achtsamkeit, ein verbessertes Körperbild, posttraumatisches persönliches Wachstum und weniger soziale Isolation, Angst und Depression. Diese Ergebnisse sind ermutigend und deuten darauf hin, dass es möglich ist, die MSC-Skills auch sehr jungen Menschen zu vermitteln und so den Entwicklungsweg von Jugendlichen in eine Bahn zu lenken, die ihnen ein Leben lang zugute kommen könnte.
Schließlich wurde über kurze Selbstmitgefühlstrainings auf der Grundlage des MSC-Protokolls geforscht. So führten beispielsweise Smeets, Neff, Alberts und Peters (2014) eine Studie durch, bei der Studentinnen über einen Zeitraum von drei Wochen adaptierte Übungen aus dem MSC-Programm vermittelt wurden (zum Beispiel die Selbstmitgefühlspause, der mitfühlende Brief an sich selbst und das Formulieren von Sätzen der liebevollen Güte). Die Teilnehmerinnen, 49 Psychologiestudentinnen (Durchschnittalter = 19,96 Jahre), die im ersten oder zweiten Jahr an einer europäischen Universität studierten, wurden nach dem Zufallsprinzip der Selbstmitgefühls-Interventionsgruppe (n = 27) oder einer Kontrollgruppe zugeordnet, die aktives Zeitmanagement betrieb (n = 22). Beide Gruppen trafen sich an drei aufeinanderfolgenden Wochen zu drei kurzen Sitzungen: zu zwei aktiven Interventionssitzungen von jeweils 90 Minuten und einer Abschlusssitzung, die 45 Minuten dauerte. Eine Woche vor und eine Woche nach der Intervention wurden verschiedene Selbstbeurteilungsbögen verteilt. Man stellte fest, dass die kurze MSC-Intervention zu einer signifikant höheren Zunahme an Selbstmitgefühl (21 Prozent), Achtsamkeit, Optimismus und Selbstwirksamkeit sowie einem signifikant höheren Rückgang des Gedankenkreisens geführt hatte als das Kontrollsetting.
Der Erfolg dieses kurzen Trainings ist ermutigend und legt nahe, dass die positiven Aspekte von Selbstmitgefühl gelehrt werden können, ohne dass eine Meditationspraxis erforderlich ist. Deshalb testen wir derzeit Kurzversionen von MSC für Bevölkerungsgruppen wie Lehrer, Eltern chronisch kranker Kinder und Fachkräften im Gesundheitswesen, die vom Burn-out bedroht sind. Vorläufige Ergebnisse einer randomisierten Wartelistenkontrollstudie über ein kurzes Protokoll von sechs einstündigen Sitzungen, die mit Pflegekräften eines Kinderkrankenhauses durchgeführt wurden, legen nahe, dass die kurze Intervention bei dieser Population Wirkung zeigt. Die Teilnehmenden berichteten nicht nur, dass sie Spaß an diesem Programm hatten, es zeigte sich auch, dass es zu einer signifikanten Zunahme des Selbstmitgefühls (16 Prozent), der Achtsamkeit, des Mitgefühls für andere sowie der Mitgefühlszufriedenheit führte und Stress verringerte. Es gab auch einen Moderatoreffekt, das heißt, dass Teilnehmende, die zu Beginn wenig Selbstmitgefühl hatten, einen signifikanten Rückgang depressiver Symptome erlebten (im Gegensatz zu denjenigen, die zu Beginn einen hohen Selbstmitgefühls-Level hatten). Darüber hinaus war die Zunahme des Selbstmitgefühls bei einem Follow-up nach drei Monaten stabil geblieben.
Diese kurzen Interventionen sind vielversprechend, da sie weniger Zeitaufwand erfordern und sich eventuell besser für Menschen eignen, die keine Meditationspraxis aufnehmen möchten und es vorziehen, einfach nur die Selbstmitgefühlspraxis in ihren Alltag zu integrieren. Die diesbezügliche Forschung befindet sich allerdings noch in einem frühen Stadium, und es bleibt abzuwarten, wie viel Praxis notwendig ist, um die neue Gewohnheit des Selbstmitgefühls auf eine Weise zu erlernen, die langfristig Wirkung zeigt.
Implizites versus explizites Selbstmitgefühlstraining
Obwohl sich gezeigt hat, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen wie MBSR und MBCT das Selbstmitgefühl steigern, und obwohl ein höheres Selbstmitgefühl ein Schlüsselmechanismus dieser Interventionen zu sein scheint, gibt es einige Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob Selbstmitgefühl besser implizit oder explizit gelehrt werden sollte. Jon Kabat-Zinn (2005) schreibt, dass MBSR-Lehrer stets »versucht haben, liebevolle Güte zu verkörpern … meiner Meinung nach musste also nie explizit etwas darüber gesagt werden. Besser, in allem, was wir waren und taten, liebevoll und freundlich zu sein, so gut wir konnten, und es dabei zu belassen.« Dieses Argument wird von Segal und Kollegen (2013) in ihrem MBCT-Trainingshandbuch wiederholt, in dem sie die Meinung vertreten, Selbstmitgefühl solle am besten implizit vermittelt werden:
»Wenn sich Selbstmitgefühl in MBCT durch pervasive, indirekte, ja implizite Unterweisung entwickelt, dann liegt ein Großteil der Verantwortung, dies zu verkörpern, bei der Trainerin oder dem Trainer. Die Freundlichkeit, die zunächst durch die menschliche Wärme, Aufmerksamkeit und einladende Haltung der anleitenden Person vermittelt wird, wird während des gesamten Programms durch den sanften Umgang mit den Teilnehmenden verstärkt, insbesondere angesichts negativer Gefühle wie Trauer oder Wut. Auf diese Weise werden Achtsamkeit und Mitgefühl übertragen und nicht gelehrt.«
Dieser Ansatz besagt, dass Selbstmitgefühls-Skills durch implizite Herangehensweisen wie menschliche Wärme des Lehrenden und das