Andreas Herzog - Mit Herz und Schmäh. Karin Helle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Helle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783903376052
Скачать книгу
in der U16 und hineingestoßen von Ludwig Huyer, hatte Kathi ebenfalls mit ihren Eltern das Wohnterrain gewechselt – und wohnte unweit des Hanappi-Stadions.

      Anscheinend sollte alles so kommen, wie es kam. Und so lernte sie ihren Andi Jahre später und ausgerechnet im „Hudriwudri“ kennen, einer Café-Bar, in der sich Ende der 80er die Cliquen eben so trafen.

      „Hudriwudri“, fragte ich nach und schaute anscheinend recht verwundert drein. Kathi jedenfalls schnappte sich unmissverständlich ihr iPad und suchte gleich darauf los – wenngleich es ihr zunächst eher um die Bedeutung oder besser um ein Bild ging, als um den einstmaligen Intreff selbst. „Das ist so eine Art Figur“, meinte sie, während sie virtuell im Netz blätterte. Und richtig, kurze Zeit später zeigte sie mir Bilder und Skulpturen des niederösterreichischen Karikaturisten, Grafikers und Cartoonisten Manfred Deix, der wohl inspiriert durch das elterliche Gasthaus „Zur blauen Traube“ in St. Pölten Figuren „mitten aus dem Leben Österreichs“ zeichnete – wie auch in diesem Fall. Fleischhauer, Wirt oder Fliesenleger sollte Deix übrigens werden, wenn es nach dem Wunsch seiner Eltern gegangen wäre – doch er entschied sich lieber für multiple Künste und Kreativität – unter anderem für die typischen Deix-Figuren wie den „Hudriwudri“. Selbst auf einer Zigarettenschachtel sorgte dieser zu Beginn der 90er für Aufsehen. Motto: „Sei bloß kein Hudriwudri.“ Stattdessen kamen die „Tschick“ in edlem Weiß daher – und standen wohl für Coolness, Eleganz, Stil. „Voll in der Balance“, wie man heute wohl sagen würde.

      Dass mit „Hudriwudri“ also ein eher unruhiger, nervöser Zeitgenosse gemeint war, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. „Nur nicht hudeln, kennst du eh“, sagte Kathi gleich den dazu passenden Spruch, um nun noch zu entdecken, dass ihr damals so beliebtes „Hudriwudri“ immer noch existierte, wenn es denn auch den Lockdown überstanden haben sollte, und zwar in der Lainzer Straße im 13. Bezirk gelegen.

      „Das ‚Hudriwudri‘ lag einfach günstig“, erzählte Kathi weiter – und für Andi sowieso. „Lainzer Straße, mitten in Hietzing gelegen und auf meinem Weg zum Hanappi-Stadion und retour“, rief er aus dem Nebenzimmer, da er mittlerweile mit den Jungs Mathe büffeln musste. Anscheinend hatte er unsere Unterhaltung mit einem Ohr verfolgt.

image

      Gattin Kathi: Immer schon in seiner Nähe – früher 200 Meter entfernt als „Nachbarin“

      Ich jedenfalls konnte mir alles bestens vorstellen. Hier Kathi mit der Clique, dort Andi mit dem dunkelroten Golf-Cabrio – das blaue Puch Maxi und der dazu passende blaue Helm mittlerweile Vergangenheit. Ihre besten Freundinnen mussten sie darauf hinweisen, dass das doch einer von Rapid war, der kommende Star, doch da sich die damals 20-jährige Kathi nichts aus Fußball machte, machte sie sich erst einmal auch nichts aus Andi. Dass der Knoten dann doch platzte, lag an Herzerls Gespür für den richtigen Pass – wieder einmal. Diesmal chippte er diesen allerdings nicht mit links und über die Mauer hinweg in den Strafraum des Gegners, sondern aus seinem Handgelenk heraus in Kathis Herz hinein. „Keiner konnte mir beim Squash die Bälle auflegen, doch Andi hatte das richtige Gespür“, sagt sie heute noch. Das intuitive Gefühl war also wieder einmal entscheidend – und von nun an beschritt man gemeinsame Wege.

      KAPITEL 11:

       „TRAINER, DES IS JA EH A HUNDSKICKER“

      RAPID WIEN/NATIONALTEAM 1988–1992

      Vielleicht ging es Josef Hickersberger ja ganz ähnlich, als er einige Monate vorher auf der Tribüne der Hohen Warte saß und neben dem herrlichen Panoramablick über Wien und die Donau auch die kreativen Künste Herzerls genoss – sprich: dessen Gespür für den richtigen Pass zur rechten Zeit. Jedenfalls waren die Admira-Monate und die folgenden Rapid-Jahre nicht nur der Beginn seiner Beziehung zu Kathi, sondern auch der Start der Herzogschen Nationalmannschaftskarriere.

      „So, und sag einmal, in dieser Zeit waren auch deine ersten Spiele mit der Nationalmannschaft?“

      „Ja, mein erstes Länderspiel war kurz vor meinem Bänderriss im April 1988 in Griechenland in Athen.“

      „Da gibt es nichts dazu zu sagen?“

      „Eine Anekdote, aber ich erzähl sie dir auch kurz. Ich wollt keine Fehler machen, aber ich glaub, das steht eh in den Anekdoten drinnen, ich bin des falsch angegangen. Ich wollt Fehler vermeiden, aber wenn du Fehler als Offensivspieler vermeidest, nimmst du auch kein Risiko und kannst keine guten Aktionen haben. Das habe ich daraus gelernt.“

      Wir saßen noch immer am Esstisch. Kathi war mittlerweile mit den Jungs zu den Webers gefahren – eine willkommene Ablenkung beim immer noch tristen Regenwetter für die Kinder. Immerhin war Freund Vinzi vor Ort und auch dessen größere Schwester, die Sohn Luca recht gut gefiel. Wir hatten also genügend Zeit, uns noch einmal mit ganzer Leidenschaft in die ersten rot-weiß-roten Jahre zu stürzen. „Drück einmal kurz auf Stopp. Ich schau einmal nach. Wie kann man da im Internet nachsuchen? Andi Herzog Länderspiele?“ Andi tippte laut in die einzelnen Tasten. „Reihenfolge oder wie?“ Er tippte weiter. „Ah, schau her, da hammas schon. Andi Herzog, alle Länderspiele“, um gleich darauf noch einmal zurückzuschauen.

       Das erste Länderspiel war am 6. April 1988, 2:2. Dann hab ich mir die Bänder gerissen, bin operiert worden und hab mein letztes Spiel noch einmal für die Vienna gespielt, und wir ham Admira Wacker 2:1 besiegt. Admira war Vierter, wir waren Fünfter. Durch den Sieg sind wir an ihnen vorbeigezogen und in den UEFA-Cup hineingekommen. Ein Riesenerfolg für die Vienna. Und danach war das Gezeter: „Bleibt der Andi?“ Ich wollt bei der Vienna bleiben, aber kennst ja eh, die Geschichte. Danach war CSSR gegen Österreich und danach UdSSR gegen Österreich.“ (Andreas Herzog)

      Topfit fühlte sich Andi Herzog im Oktober 1988. Und so war er sich auch sicher, dass er von Beginn an gegen die UdSSR spielen würde. Doch es sollte ganz anders kommen – und wieder mit Lerneffekt. Wie immer traf sich die Nationalmannschaft am Spieltag einige Stunden vor dem Anpfiff in einem der typischen Hotel-Tagungsräume. Heutzutage häufig noble Räumlichkeiten mit Beamer und Whiteboard, damals nüchterner oder steriler gehalten – zumal das Spiel in Kiew stattfand. Also: Maroder Charme statt Schickimicki (vermutlich). Doch all das war einem jungen Mann, der einfach nur spielen wollte, egal. Und so kann man sich zumindest ein Stück weit in das Seelenleben Herzogs hineinversetzen, als er plötzlich vernahm, dass er nicht zur Startelf gehörte. Das jedenfalls spürte auch Hickersberger, nachdem er die Mannschaftsaufstellung im Tagungsraum bekannt gegeben hatte.

       „Du, Andi, bist enttäuscht?“

       „Ja, Trainer, hab schon geglaubt, dass ich spielen würde.“

       „Na, warte es mal ab, du wirst dich nachher bedanken, dass du nicht gespielt hast.“

       Was redet der für einen Blödsinn?, hab ich mir gedacht. (Andreas Herzog)

      Doch spätestens nachdem Herzog auf der Ersatzbank Platz genommen hatte, wusste er, was Hickersberger gemeint hatte. 103.000 frenetische Zuschauer empfingen die beiden Mannschaften – und bei jeder Angriffswelle der eigenen Mannschaft auf Rot-Weiß-Rot fingen die Fans an zu pfeifen.

      „Ich hab schon Ohrensausen gehabt auf der Ersatzbank“, gibt Herzog heute lachend zu. Dennoch kam er in den letzten 20 Minuten zum Einsatz – gegen einen „übermenschlichen“ Gegner: „A Pressing, du bist immer von drei Spielern Sprint attackiert worden, keine Chance, einen Gegenspieler zu überspielen.“

      Ob die Russen damals gedopt waren? Auf jeden Fall hinterließ diese Begegnung bei unserem noch jungen Protagonisten Spuren, ähnlich vielleicht wie die ersten Matches in der Rapid-Kampfmannschaft, in denen er mitspielen durfte, aber häufig dem Ball nur hinterherrannte. Umso höher jedoch der erwähnte Lerneffekt und so gesehen auch ein Zeichen. Denn wie heißt es so schön: Intelligente Menschen reflektieren sich und ihr Tun. „Nach dem Schlusspfiff bin ich gleich zum Trainer hin und habe gesagt: ‚Herr Hickersberger, jetzt versteh ich, was Sie gemeint haben‘“, erinnert sich Herzog zurück.