Internationale Regime („Konsensdefinition“) (Krasner 1983b, S. 2, Übers. RW)
„Regime können definiert werden als Instrumentarien aus impliziten oder expliziten Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren zur Entscheidungsfindung, durch die vermittelt die Erwartungen der Akteure auf einem bestimmten Gebiet der internationalen Beziehungen konvergieren. Prinzipien sind grundlegende Annahmen über tatsächliche Gegebenheiten, kausale Zusammenhänge und richtige Bewertungskriterien. Normen sind durch Rechte und Verpflichtungen definierte Standards des Verhaltens. Regeln sind spezifische Vorschriften und Verbote zur Anleitung des Handelns. Verfahren zur Entscheidungsfindung geben Praktiken für das Treffen und Umsetzen einer gemeinsamen Auswahl vor.“
Die Unterscheidung in die vier Elemente Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren bietet ein brauchbares Schema zur Analyse international-multilateraler Kooperation in Internationalen Regimen wie durch Internationale Organisationen.
Prinzipien sind die grundlegenden Aussagen über die Wirklichkeit in einem Arbeitsbereich, über die Ursachen und Auswirkungen der zu bearbeitenden Probleme sowie über die von den Partnern einer Kooperation geteilten Bewertungskriterien; auf dieser Basis können die Ziele der Kooperation formuliert wie auch die dazu passenden Zweck-Mittel-Relationen bestimmt werden. Wenn Problemsicht und Lösungsbereitschaft potentieller Partner nicht zusammenpassen, wird es schon schwierig sein, generelle Prinzipien im Konsens zu finden.
Normen geben maßgebliche Standards und verpflichtende Richtlinien für das angemessene Verhalten vor; sie beschreiben und verteilen die Rollen in der Kooperation, indem sie komplementär Pflichten auferlegen und Rechte einräumen. Erst die Achtung der Normen macht die prinzipiellen Überzeugungen und Ziele zu gemeinsamen politischen Verpflichtungen.
Konkrete und meist rechtsverbindliche Regeln definieren spezifische Vorschriften und Verbote; sie übersetzen die weiten Prinzipien und generellen Normen operativ in konkrete Handlungsanweisungen. Das macht die Zusammenarbeit leistungsfähig und wirksam, weil intern und Dritten gegenüber berechenbar. Bei der oft mühsamen Festlegung der Regeln und zumal durch ihre Einhaltung zeigt sich erst definitiv, wie ernst es den Staaten wirklich ist, international zu kooperieren.
Festgelegte Verfahren zur Entscheidungsfindung und zum praktischen Handeln aller Art (wie Geschäftsordnung, Mitgliedschaft, Information, Kommunikation, Aktionsprogramme, Konfliktschlichtung, Sanktionen) sichern eine verlässlich funktionierende prozedurale Routine und damit zugleich Flexibilität bei der Anpassung an sich verändernde Situationen, ohne dass kurzfristig Regeln geändert, Normen angetastet oder Prinzipien bemüht werden müssten. In der Arbeitsweise bei der Umsetzung und Durchsetzung zeigt sich, wie konstruktiv die Kooperationspartner sein können oder wollen.
Den internationalen Menschenrechtsschutz zum Beispiel (siehe 8.2) legitimiert das Prinzip, dass es unveräußerliche Rechte von universaler Geltung gäbe (allerdings oft im Konflikt mit dem Prinzip der unantastbaren Souveränität der Staaten), konkretisiert in den Normen, die Rechte und Pflichten der Staaten deklamatorisch in einer „Allgemeinen Erklärung“ formulieren und in einzelnen Pakten verbindlich festlegen; die Regeln sollen dann als spezifische Handlungsanweisungen Wirksamkeit herstellen und schließlich die praktischen Verfahren Verlässlichkeit sichern, indem sie Menschenrechtsschutz in Aktionsprogrammen (wie Berichtspflicht, Überprüfung, fact findig missions, Beschwerdeverfahren) umsetzen und gegebenenfalls mit Sanktionsmechanismen durchsetzen.
Mit diesem Ordnungs-Schema nach Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren können für alle Problem- und Arbeitsbereiche die Funktionen, Arbeitsweisen und Leistungen internationaler Kooperationsformen dargestellt und diskutiert werden. Wenn Internationale Organisationen als Instrument, Forum oder Akteur gesehen werden können, ergeben sich als Rollen-Zuschreibungen:
Sie dienen den uneingeschränkt souveränen Staaten, zumal den mächtigsten, zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen; diese dominieren die organisationsinternen Entscheidungsprozesse.
Sie geben allen Akteuren dank ihrer logistisch-technischen Vorleistungen und mittels standardisierter Verfahrensweisen dauerhaft und verlässlich die Gelegenheit zu multilateralen Verhandlungen aller Art und Reichweite – zu den Zwecken von Informationsaustausch, technisch-organisatorischer Koordination und politischer Kooperation.
Sie können selbst als Akteur nur auftreten, wenn und insoweit sie von den souveränen Staaten dazu bevollmächtigt sind – das Entstehen bundes- bzw. weltstaatlicher, also supra-nationaler Strukturen über den Staaten bleibt vorerst Spekulation (siehe 2.4).
Diese Funktionen sind als emergent aufeinander aufbauende Schichten, nicht als sich ausschließende Alternativen zu verstehen. Für internationale Kooperation ist die Bereitstellung eines komplexen Verhandlungssystems politisch wie organisatorisch die Grundlage; die Leistungen von Internationalen Organisationen dafür sind vielfältig: Indem sie
Informationen besorgen, analytisch aufbereiten und verteilen (intern, aber auch medial),
diskret oder öffentlich Gespräche und Verhandlungen politisch anregen, organisatorisch durchführen und durch Verfahrensregeln absichern,
Interessen durch Bündelung (in Staatengruppen) hörbar artikulieren und durch Konfliktschlichtung ausgleichen,
Normen diskutieren und formales (Völker-)Recht fortentwickeln,
verschaffen Internationale Organisation
schwächeren Akteuren mehr Einfluss
und stärkeren mehr Legitimität
und ermöglichen oder unterstützen so
Gefahrenabwehr durch vertrauensbasierte Kooperation
und Stiftung von Ordnung durch globale Regelungen.
Funktionen Internationaler Organisationen
informationell (→ medial) z.B. für Menschenrechtsschutz, Umwelt-/Klimaschutz
Sammeln, Auswerten und Verbreiten von Informationen und Daten
Beobachtung und Auswertung von Entwicklungen und Trends
Schaffung von internationaler Öffentlichkeit
Unterstützung für politische Initiativen
politisch (→ prozessual) z.B. für Frieden/Sicherheit, Wirtschaft/Welthandel
Austausch, Verhandlung und Entscheidung
Bündelung nationaler zu Gruppen- und multilateralen Interessen
Schaffung von Einflussmöglichkeit für schwächere Akteure
Schaffung von mehr Legitimität für stärkere Akteure
normativ (→ rechtlich) z.B. für Menschenrechtsschutz, Welthandel, Umwelt/Klima
Generierung von Normen und Regeln für staatliches Verhalten
Festlegung von Verhaltens-Standards
Ausarbeitung