48
Die Wahrnehmung entgeltfreier Güter wie die Dienstleistung eines Online-Dienstes ist häufig an die Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten gekoppelt. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit für solche rechtsgeschäftlichen Übereinkommen liegt zunächst nicht nahe und ist nicht ohne Grund in Frage zu stellen. Warum muss für die Nutzung eines sozialen Mediums in die Weitergabe privater Kontakte an Dritte eingewilligt werden?[73] Die Einwilligung für die Datenverarbeitung ist in solchen Konstellationen als die vertragliche Gegenleistung für die Nutzung entsprechender Online-Dienste anzusehen und nicht als Kopplung eines Vertrages an eine datenschutzrechtliche Einwilligung.[74] Mit der DS-GVO endet diese Geschäftspraxis hingegen nicht, sondern unterliegt ab dann dem Erfordernis den Tausch einer Dienstleistung gegen die kommerzielle Verwertung personenbezogener Daten eindeutig als solchen transparent zu machen.[75] Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot ist gleichwohl auch bei einer entgeltfreien Vertragsleistung möglich. Dies zeigt das Verfahren, dass das Bundeskartellamt im Februar 2019 gegen Facebook einleitete.[76] Das Bundeskartellamt nahm einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Facebook wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht an, weil Facebook die private Nutzung des Dienstes von der Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von Facebook gewonnene Daten mit den Kontodaten der Nutzer zusammenführen zu dürfen und untersagte Facebook diese Praxis.[77] Der gegen die Untersagungsverfügung von Facebook eingereichten Beschwerde gab das OLG Düsseldorf[78] statt. Der BGH hob nunmehr die Entscheidung des OLG auf.[79] In seiner Begründung führt der BGH aus, dass letztlich entscheidend sei, dass Facebook seinen Nutzern keine Wahlmöglichkeit darüber belässt, ob sie den Dienst mit oder ohne Zusammenführung der gewonnenen Daten aus Drittquellen nutzen wollen.[80] Diese fehlende Wahlmöglichkeit verletze – unabhängig vom Kartellrecht – das Datenschutzrecht.[81] Aus der Entscheidung lässt sich ableiten, dass ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot auch bei entgeltfreien Vertragsleistungen in Betracht kommt und die Praxis von Unternehmen, dass Nutzer die angebotenen Dienste durch Preisgabe ihrer Daten „erkaufen“ können den strengen Maßstäben der DS-GVO unterliegt und insofern die Freiwilligkeit der Einwilligung das Vorhandensein einer tatsächlichen Wahlmöglichkeit gleichwertiger Alternativen beinhaltet. Zum Ganzen vgl. auch Art. 6 Rn. 26 und 165 sowie Art. 4 Nr. 11 Rn. 221.
49
Anders positioniert hat sich hingegen der EDSA in seinen Leitlinien zur Einwilligung.[82] Nach diesen sind sog. Cookie-Walls, die den Besuch einer Website zwingend an das Akzeptieren des Setzens von Cookies knüpfen, unzulässig. Eine hierüber abgegebene Erklärung stelle mangels Freiwilligkeit keine Einwilligung im Sinne der DS-GVO dar, solange dem Betroffenen keine echte Wahlmöglichkeit eingeräumt wird. Unbehandelt bleibt in dem Papier die Frage, ob sog. Pay-Walls eine „echte Wahlmöglichkeit“ darstellen. In diesem Falle wäre eine Einwilligung jedenfalls dann als freiwillig einzustufen, wenn dem Betroffenen die Wahl bleibt, Cookies zu akzeptieren oder für den entsprechenden Dienst zu bezahlen.[83]
f) Kopplung bei klarem Ungleichgewicht (ErwG 43)
50
Nicht immer, aber in „besonderen Fällen, wenn zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ein klares Ungleichgewicht besteht“[84], kann die Einwilligung als nicht freiwillig und mithin nicht rechtswirksam angesehen werden. Daraus kann nicht folgen, dass aus einem strukturellen Ungleichgewicht, wie etwa zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, pauschal von einem solchen Ungleichgewicht gesprochen werden kann.[85] Ansonsten wäre die Einwilligung für die Praxis wenig hilfreich, wenn all jene Konstellationen die Unzulässigkeit der Einwilligung nach sich ziehen würden. Der einzelne Verbraucher, der einem Großunternehmen gegenüber steht, unterliegt beim Kauf eines frei verfügbaren Guts jedenfalls nicht einem klaren Ungleichgewicht.[86] Anzunehmen wäre sie hingegen, wenn auch wettbewerbsrechtliche Sanktionen für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung drohen und die Einwilligung davon berührt ist.
51
Ob die Einwilligung in einem klaren Ungleichgewicht, unfreiwillig ist und damit keine gültige Rechtsgrundlage liefern kann, muss im jeweiligen Einzelfall überprüft werden. Als Maßstab für die Bewertung der erforderlichen Freiwilligkeit i.S.d. Art. 4 Nr. 11 i.V.m. Art. 7 Abs. 4 und unter Hinzunahme des ErwG 43 ist im Besonderen auch die Ausgestaltung der abverlangten Einwilligung zu würdigen.[87] Die besondere Überprüfung der Freiwilligkeit entspricht den verbraucherschutzrechtlichen Bemühungen des Verordnungsgebers, der den Verbraucher in seinen Rechten und Durchsetzung ebendieser Rechte unterstützen möchte.
8. Verhältnis zu § 13 Abs. 2 TMG und § 94 TKG
52
Die spezialgesetzlichen Vorgaben zur Einwilligung werden nach Wirksamwerden der DS-GVO nicht mehr fortgelten. Aufgrund des Verordnungscharakters wirken die Bestimmungen zur Einwilligung vorrangig.[88] Mit Gültigwerden einer ePrivacy-VO wird die DS-GVO wieder durch bereichsspezifisches Recht vom selben Verordnungsgeber abgelöst.
Anmerkungen
Vgl. Sloot International Data Privacy Law 2014, 307, 314.
Art. 7 Abs. 1. Kritisch und sehr ausführlich zu den Anforderungen für eine „explizite Einwilligung“ vgl. Kotschy International Data Privacy Law 2014, 274, 278 ff.
Jarass GR-Charta, 2016, Art. 8 Rn. 9; Heselhaus/Nowak-Mehde Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 21 Rn. 38.
Auernhammer-Kramer Art. 7 Rn. 7 sowie Kommentierung zu Art. 6 Abs. 1 lit. f Rn. 135 wie Rn. 10 dieses Kapitels.
Albrecht spricht von einem „klar erkennbaren Widerspruchsrecht“, Albrecht DuD 2013, 655, 656. Die Einschränkung, wonach bei erheblichem Ungleichgewicht zwischen Betroffenem und Verantwortlichen (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO-E) die Einwilligung nicht mehr zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung entsprechend Art. 6 Abs. 1 lit. a führt, hat es nicht in die finale Fassung geschafft.
Vgl. Buchner DuD 2016, 155, 158. Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Art. 6 Rn. 13 ff.
Vgl. dazu Kommentierung zu Art. 6 Rn. 20.
ErwG 171 S. 3.