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Von seinem Recht kann er gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 „jederzeit“ Gebrauch machen. Eine Begründung für den Entzug dieses Legitimationstatbestands ist nicht erforderlich. Analog zur Formfreiheit der Einwilligung ist der Widerruf ebenfalls frei auszuüben (Art. 7 Abs. 3 S. 3). Unstrittig kann für den Widerruf dieselbe Form wie bei der Einwilligung wirksame Anwendung finden. Im Sinne des Schutzziels dieser Bestimmung, der Ausübung informationeller Selbstbestimmung durch die Einwilligung des Betroffenen als Entscheidungsprärogative, darf der Widerruf nicht an der Form scheitern, so dass jedwede Form des Widerrufs als zulässig zu qualifizieren ist.[55] So dürfte der Widerruf im Rahmen eines Telefonanrufs zu Werbezwecken auch unmittelbar im Telefonat zulässig sein, sofern an der Identität des Gesprächspartners keine Zweifel bestehen. Hierzu sollte der Verantwortliche entsprechende Maßnahmen getroffen haben, um sicher ausschließen zu können, dass ein Unberechtigter das Widerspruchsrecht ausübt. Die Maßnahmen müssen spiegelbildlich zu einer sicheren Identifikation beim Anruf gewählt sein, etwa durch eine Zwei-Faktor-Authentifizierung.[56] Damit ist auch in technischer Hinsicht festgelegt, dass der Widerruf der Einwilligung so einfach wie möglich gestaltet sein muss.[57] Gleichermaßen besteht zudem die Möglichkeit die bestätigende Erklärung partiell – etwa bezogen auf bestimmte Datenarten oder einzelne Verarbeitungsformen – zu widerrufen.
aa) Ex nunc-Wirkung
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Mit dem Widerruf entfällt die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. a. Vom Zeitpunkt des erklärten Widerrufs an ist die Verarbeitung personenbezogener Daten damit nicht mehr legitimiert und zulässig, sofern sich die Verarbeitung nicht noch auf eine andere Legitimation stützen kann.[59] Der Widerruf wirkt im Ergebnis ex nunc.[60] Gerade bei der Verarbeitung von Daten zu Forschungszwecken kann dies zu Problemen führen. Gleichwohl sind nach Ansicht der Art.-29-Datenschutzgruppe auch in diesem Falle die Daten zu löschen.[61] Insofern sind die Daten durch den Verantwortlichen zu anonymisieren, wenn er eine Löschung vermeiden will.
bb) Art. 17 Abs. 1 lit. b
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Nach einem Widerruf sind die entsprechend davon berührten Daten gem. Art. 17 Abs. 1 lit. b zu löschen, sofern sich ihre Verarbeitung nicht noch auf einen anderen Rechtfertigungsgrund stützen kann. Über das Recht zum Widerruf und seine Wirkung ist der Betroffene vor Abgabe der Einwilligung in Kenntnis zu setzen.[62]
cc) Einschränkungen der freien Widerrufbarkeit
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Das Recht zum Widerruf einer Einwilligung gilt nur grundsätzlich. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist eine Einschränkung der freien Widerrufbarkeit dann möglich, wenn die auf einer Einwilligung gründende Datenverarbeitung für eine rechtsgeschäftliche Beziehung unverzichtbar ist.[63] Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen spezialgesetzlich in Abweichung von der Systematik der DS-GVO die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 lit. b ausgeschlossen ist.[64]
7. Art. 7 Abs. 4: Freiwilligkeit und Zwanglosigkeit
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Zu den materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung gehört in besonderem Maße die Freiwilligkeit.
a) Freiwilligkeit
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Die abgegebene Willensbekundung muss gem. Art. 4 Nr. 11 „freiwillig“ erfolgen. D.h. der Betroffene muss seine Einwilligung grundsätzlich ohne Zwang erteilt haben, damit sie legitimierenden Charakter entfaltet. Die freiwillige Erteilung einer Einwilligung kann bereits dann in Zweifel gezogen werden, wenn dem Nutzer einer App die Nutzung der selbigen deshalb verwehrt bleibt, weil er nicht in die Erhebung seiner Daten zum Zweck der personalisierten Werbung einwilligt.[65] Von der Freiwilligkeit ist dagegen auszugehen, wenn dem Betroffenen klar aufgezeigt wird, dass ihm durch die Nichterteilung keine negativen Konsequenzen entstehen und er eine echte Wahl hat. Bittet zum Beispiel eine öffentliche Schule die Schüler um ihre Zustimmung, ihre Fotos in einer gedruckten Studentenzeitschrift zu verwenden mit der Möglichkeit die Zustimmung zu verweigern, ohne dass daraus erkennbare Nachteile folgen, haben die Betroffenen eine echte Wahl.[66]
b) Kopplungsverbot
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Art. 7 Abs. 4 definiert einen Maßstab, ob eine Einwilligung als freiwillig qualifiziert werden kann. Danach ist darauf zu achten, ob die Erfüllung eines Vertrags von der Einwilligung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung ebendieses Rechtsgeschäfts nicht erforderlich ist. In diesem Fall der Kopplung einer Einwilligung in eine nicht erforderliche Datenverarbeitung an den Abschluss eines Vertrags ist die Einwilligung als unfreiwillig und damit als unzulässig zu bewerten.
c) Kein absolutes Kopplungsverbot
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Es sollte nur dann davon ausgegangen werden, dass der Betroffene seine Einwilligung freiwillig gegeben hat, wenn eine echte oder freie Wahl, ohne Nachteile zu erleiden, bestanden hat.[67] Die Verbindung aus dem Konjunktiv („sollte“) mit dem Ausschlussgrund („nur dann“) im ErwG korrespondiert nicht wirklich mit dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4, wonach dem Beurteilungsmaßstab über die Freiwilligkeit „in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden“ soll. Ein absolutes Kopplungsverbot lässt sich aus der Bestimmung deswegen nicht ableiten. Auch wenn die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich sind[68], gehen sie über bloße Empfehlungen hinaus. Die ErwG in Gestalt eines festen Bestandteils einer Rechtsquelle dienen als erste Kriterien der Auslegung.[69] Eine Verknüpfung von Gewinnspielteilnahme und Werbeeinwilligung etwa soll die Freiwilligkeit der Einwilligung nicht verletzen, da die betroffene Person durch eine Gewinnspielteilnahme nicht so in ihrer Entscheidungsgewalt beeinträchtigt sei, dass sie nicht entscheiden könne, ob die Preisgabe ihrer Daten die Teilnahme am Gewinnspiel „wert“ sei.[70]
d) Grenze der Unzulässigkeit
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Damit besteht die Frage nach der Grenze, ab der von Unfreiwilligkeit gesprochen werden kann. Von einer deswegen unzulässigen Einwilligung ist auszugehen, wenn der Kauf eines Gerätes an eine Einwilligung in die werbliche Datenverarbeitung geknüpft ist, weil sie für die Erfüllung des Vertrages schlicht nicht erforderlich ist.[71] Eine Freiwilligkeit bei der Zustimmung in dieses Geschäftsgebaren liegt auch dann nicht vor, wenn das Gerät bei anderen Händlern erhältlich ist, die eine solche Koppelung nicht verlangen. Auch in Marktstrukturen, die nicht monopolistischer Art sind, ist über den Vertragsverschluss frei und unabhängig von einer dafür nicht erforderlichen Einwilligung zu entscheiden.[72]