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Insbesondere bei informellen Handlungen außerhalb der Mandatsträgerversammlung kann die Zuordnung zum Aufgabenkreis des Mandatsträgers schwierig sein, vor allem, aber nicht nur, wenn der Mandatsträger zugleich Amtsträger (z.B. Bürgermeister oder Minister) ist.[105] Ein Abgeordneter, der in seinem Wahlkreis zugleich Mitglied des Gemeinderates ist und sich in einer regionalen Angelegenheit für ein bestimmtes Anliegen einsetzt, kann dies in seiner Eigenschaft als Abgeordneter oder Gemeinderatsmitglied (in beiden Fällen also als Mandatsträger, s. Rn. 4, 6), tun, aber auch in seiner Eigenschaft als (Partei-)Politiker oder Privatperson und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des § 108e. Die Rollenzuordnung erfordert in solchen Fällen regelmäßig eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände. Die Verwendung des Abgeordnetenbriefkopfes und die Inanspruchnahme des Wahlkreisbüros (und damit der mandatsbezogenen Amtsausstattung[106]) sind dabei Indizien, die für ein Handeln in Wahrnehmung des Mandats sprechen. Die im Gesetzgebungsverfahren vertretene Auffassung, dass ein Wahrnehmen des Mandats „ausschließlich bei parlamentarischen Verhandlungsgegenständen“ vorliege, nicht hingegen, wenn „lediglich die Autorität des Mandats oder die Kontakte des Mandatsträgers genutzt werden, um einen in der Zuständigkeit einer anderen Stelle liegenden Vorgang zu beeinflussen,“[107] ist, jedenfalls wenn man den Mandatsbegriff des Parlamentsrechts zugrunde legt,[108] zu eng.[109]
V. Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld
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§ 108e StGB ist ein Vorsatzdelikt. Bedingter Vorsatz genügt.[110] Wer einem Mandatsträger bewusst einen (ungerechtfertigten) Vorteil anbietet und es dabei billigend in Kauf nimmt[111], dass dieser das als Aufforderung versteht, als Gegenleistung dafür bei der Wahrnehmung des Mandats eine Handlung im Widerspruch zu seinen politischen Überzeugungen vorzunehmen, handelt also vorsätzlich. Gleichfalls vorsätzlich handelt ein Mandatsträger, der billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten als Angebot verstanden wird, für einen Vorteil eine im Widerspruch zu seinen Überzeugungen stehende Handlung bei der Wahrnehmung des Mandats vorzunehmen. Der Umstand, dass die Handlung in Wirklichkeit gar nicht in Widerspruch zu seinen (nicht offengelegten) inneren Überzeugungen steht, lässt den Vorsatz ebenso wenig entfallen wie die (nicht offengelegte) Absicht, die versprochene Handlung gar nicht vorzunehmen.[112]
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Vom Vorsatz umfasst sein muss der komplette objektive Tatbestand einschließlich der „Ungerechtfertigtheit“ des Vorteils.[113] Bei einem Irrtum über die Reichweite von die Annahme des Vorteils gestattenden Vorschriften (Rn. 26 ff.) soll allerdings ein Verbotsirrtum vorliegen,[114] der gem. § 17 StGB den Täter schuldlos handeln lässt, wenn er unvermeidbar ist. Letzteres dürfte regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Mandatsträger seiner Pflicht nachgekommen ist, sich in Zweifelfällen beim Parlamentspräsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach den Verhaltensregeln zu vergewissern (Rn. 10), und der erteilten Auskunft entsprechend gehandelt hat.
Anmerkungen
Der Autor dieses Beitrags gibt allein seine persönliche Auffassung wieder.
So die amtliche Überschrift der Norm, die 1994 als „Abgeordnetenbestechung“ in das StGB aufgenommen wurde und 2014 ihre heutige Fassung erhielt (s. NK-StGB/Kargl § 108e Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 2; MK-StGB/Müller § 108e Rn. 6 ff.).
Zu den Begrifflichkeiten s. BT-Drucks. 18/476, 5.
Vgl. §§ 26, 27 sowie § 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB; ferner Fischer § 108e Rn. 53 f.
Vgl. Austermann/Schmahl/Raue Vor § 44a und § 44b Rn. 20 für Bundestagsabgeordnete.
An denen sich die für die Mitglieder der Landtage geltenden Regelungen allerdings vielfach orientieren (vgl. Austermann/Schmahl/Raue Vor § 44a und § 44b Rn. 142 ff.).
Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 10; S/S/W/Rosenau § 108e Rn. 3; MK-StGB/Müller § 108e Rn. 21; NK-StGB/Kargl § 108e Rn. 12.
MK-StGB/Müller § 108e Rn. 21.
S. dazu Fischer § 108e Rn. 14; NK-StGB/Kargl § 108e Rn. 14; Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 10; MK-StGB/Müller § 108e Rn. 20).
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Bestechung in Deutschland begangen (§ 3 StGB) oder der ausländische Mandatsträger von einem Deutschen bestochen wurde (§ 5 Nr. 10 StGB). Die Bestechung eines französischen Mandatsträgers in Frankreich durch einen Franzosen wäre allenfalls unter den engen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB oder des § 2 IntBestG nach § 108e StGB strafbar (vgl. Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 10 m.w.N.).
Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 10; Fischer § 108e Rn. 14; MK-StGB/Müller § 108e Rn. 20; NK-StGB/Kargl § 108e Rn. 13.
Vgl. Ruffert/Walter Rn. 318 ff.; Art. 25 Abs. a Satz 1 der Satzung des Europarates (BGBl. 1950 S. 263); www.bundestag.de/europa_internationales/international, letzter Abruf: 20.6.2020).
S. Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 9.
§ 108e Abs. 3 Nr. 1 StGB.
§ 108e Abs. 3 Nr. 2 StGB.
Schönke/Schröder/Eser § 108e Rn. 9; MK-StGB/Müller § 108e Rn. 18.