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Die Absprache muss nach verbreiteter Ansicht darauf gerichtet sein, die Annahme eines spezifischen Angebots zu erreichen. Letzteres muss daher seinem Inhalt nach eine gewisse Bestimmtheit aufweisen (Beispiel: Festlegung eines Nullpreises).[83] Dabei steht es der Absprache nicht entgegen, wenn diese dem Veranstalter etwa durch eigene Mitarbeiter bekannt war. Es handelt sich bei § 298 StGB nicht um ein „heimliches“ Delikt.[84]
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Die Strafbarkeit setzt vorsätzliches Fehlverhalten voraus.[85] Der Vorsatz muss sich auf das normative Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Absprache erstrecken, weshalb in Irrtumsfällen Straflosigkeit gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB in Betracht kommt.[86]
III. Rechtfertigungsgründe und tätige Reue
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§§ 2, 3 GWB normieren spezialgesetzliche Rechtfertigungsgründe für § 298 StGB. Im Übrigen greifen die allgemeinen Regeln. Eine analoge Anwendung von § 193 StGB kommt nicht in Betracht.[87] § 298 Abs. 3 StGB sieht die Möglichkeit einer persönlichen Strafaufhebung in Fällen der tätigen Reue vor.
IV. Verfolgungszuständigkeit
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Verstöße gegen § 81 GWB werden von der Kartellbehörde verfolgt. Bei Zusammentreffen mit einer Straftat ist allerdings die Staatsanwaltschaft zuständig, §§ 21 Abs. 1, 41 Abs. 1 OWiG. Sofern sich das Verfahren der Kartellbehörde gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung richtet, kommt eine fakultative Abgabe an die Staatsanwaltschaft gem. § 82 S. 2 GWB in Betracht.
D. Betrugsdelikte, §§ 263, 264 StGB
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Korruptionsstraftaten gehen nicht selten mit Betrugsdelikten einher. Hier kommen ganz unterschiedliche Konstellationen in Betracht wie etwa die bloße Vortäuschung der Vorteilszuwendungsbereitschaft durch den Versprechenden oder die Erstellung von Scheinrechnungen zur Verdeckung von Bestechungsgeschäften.[88] Beim Betrug gem. § 263 StGB handelt es sich um ein besonders voraussetzungsreiches Delikt, das in der Praxis Nachweisschwierigkeiten vor allem im Hinblick auf die subjektive Tatseite aufwerfen kann. Vor diesem Hintergrund erklärt sich das gesetzgeberische Bemühen, durch eine Vorverlagerung der Strafbarkeit einen weiteren Bereich von Verhaltensweisen zu erfassen.[89] Zu den sog. betrugsähnlichen Kranzdelikten zählen der Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB), der Versicherungsbetrug bzw. -missbrauch (§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 und § 265 StGB), der Kreditbetrug (§ 265b StGB) sowie der „Ausschreibungsbetrug“ durch wettbewerbsbeschränkende Absprachen (§ 298 StGB)[90]. Diese Delikte sollen jeweils spezielle Anwendungsprobleme oder gar -hindernisse des Betrugstatbestandes aufheben und setzen in den meisten Fällen als abstrakte Gefährdungsdelikte keinen Vermögensschaden voraus. In Fällen der Korruption treten der Subventions- und der Ausschreibungsbetrug besonders häufig auf.
I. Tatbestand des § 263 StGB
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Wegen Betruges macht sich strafbar, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale müssen in einem Zurechnungszusammenhang stehen, der insbesondere Kausalität voraussetzt.[91] § 263 StGB schützt das Vermögen als Inbegriff aller wirtschaftlichen Güter, die nach der Gesamtrechtsordnung einer Person zugeordnet sind.[92] Es handelt sich um ein sog. Selbstschädigungsdelikt.[93]
1. Täuschung
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Der Betrug schützt das Vermögen nur gegenüber der Schädigung mittels Täuschung.[94] „Täuschen“ umfasst die Vorspiegelung falscher ebenso wie die Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Bei Tatsachen handelt es sich um gegenwärtige oder vergangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse, die zur Erscheinung gelangt und in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweis zugänglich sind.[95] Unterschieden werden Tatsachen üblicherweise von Werturteilen, bei denen es sich um die bloße Behauptung einer innersubjektiven Bewertung handele, die Ausdruck des Meinens und daher der empirischen Überprüfung entzogen sei.[96] Getäuscht werden kann durch Tun ebenso wie durch Unterlassen.[97]
2. Irrtum
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Die Täuschung muss bei ihrem Adressaten einen Irrtum hervorrufen oder unterhalten. Hierbei handelt es sich um eine Fehlvorstellung, mithin die positive Vorstellung einer der Wirklichkeit widersprechenden Tatsache.[98] Das bloße Fehlen der Vorstellung einer wahren Tatsache (ignorantia facti) begründet nicht die Annahme eines Irrtums.[99] Täuschungshandlung und Irrtum müssen durch einen Zurechnungszusammenhang verknüpft sein, für den insbesondere Kausalität vorausgesetzt ist.[100] Auf die Vermeidbarkeit der Fehlvorstellung kommt es indessen nicht an. Selbst Fälle des leichtfertigen Vertrauens auf die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung eines anderen sind vom Schutzumfang des § 263 StGB umfasst.[101]
3. Vermögensverfügung
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Wiederum kausal muss durch den Irrtum eine Vermögensverfügung des Getäuschten veranlasst werden. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal stellt den notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen täuschungsbedingtem Irrtum und Vermögensschaden her.[102] Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar eine Vermögensminderung (Schaden) zurechenbar herbeiführt.[103] Unmittelbarkeit liegt vor, wenn die Vermögensminderung aufgrund der Verfügung ohne zusätzliche deliktische Zwischenhandlungen des Täters oder Dritter eintritt.[104] Der Begriff ist weiter zu verstehen als der zivilrechtliche Verfügungsbegriff und daher nicht auf rechtsgeschäftliches Handeln begrenzt.[105] Vielmehr genügt jede tatsächliche Einwirkung auf das Vermögen.[106]
4. Vermögensschaden
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Die Rechtsprechung definiert den Vermögensschaden als negativen Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Getäuschten („Gesamtsaldierung“).[107] Die Annahme eines Vermögensschadens hängt maßgeblich von dem jeweils vertretenen Vermögensbegriff ab.[108] Im Vordergrund steht dabei die Frage, in welchem Umfang normative Kriterien für die Bildung des Vermögensbegriffs maßgeblich sind. Hiervon hängt ab, ob bzw. in welchem Umfang nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung stehende wirtschaftliche Werte einbezogen werden (zum Beispiel: nichtige Forderungen). Der BGH vertritt prinzipiell einen wirtschaftlichen Vermögensbegriff.[109]
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Dem Vermögensschaden steht der Erhalt einer Kompensation grundsätzlich entgegen. Eine solche liegt indes nicht in der lediglich nachträglichen Schadensbeseitigung ebenso wenig wie in zivilrechtlichen Herausgabe- oder Schadensersatzansprüchen.[110] In der Rechtsprechung anerkannt ist darüber hinaus das Rechtsinstitut des Gefährdungsschadens in Gestalt einer – begrifflich freilich bereits problematischen – schadensgleichen Vermögensgefährdung. Damit wird ein Vermögensschaden bereits bei einer konkreten Gefährdung des Vermögens angenommen, sofern bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Minderung des Vermögensgesamtwerts zu verzeichnen ist (Beispiel: mangelhafte Buchführung, sofern mit einer doppelten Inanspruchnahme