1. Allgemeines
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Wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Zu unterscheiden sind danach die Missbrauchs- und die Treubruchvariante der Untreue.[6] Nach überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretener Ansicht handelt es sich bei der Missbrauchsuntreue um einen Spezialfall der weitergehenden Treubruchalternative.[7] Die Besonderheit soll dabei darin liegen, dass der Täter im Fall des Missbrauchstatbestandes eine nach außen wirkende Vertretungsmacht entgegen der internen Abrede überschreitet, mithin sein rechtliches Dürfen durch sein rechtliches Können nach außen überdehnt. Auch für die Begehung einer Treubruchuntreue bedarf es der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Diese kann aber bereits durch bloß tatsächliches Verhalten verwirklicht werden.[8]
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§ 266 StGB schützt das Vermögen,[9] nicht etwa ein individuelles oder kollektives „Vertrauen“ in die Sicherheit der Güterzuordnung oder das Befriedigungsinteresse von Gläubigern.[10] Die Untreue ist ein Fremdschädigungsdelikt.[11] Dabei ist der Täter in die organisatorische Sphäre des betroffenen Vermögens eingebunden und schädigt dieses von innen heraus.[12] Insofern unterscheiden sich Untreue und Korruption in der Mehrdimensionalität der letzteren: Während § 266 StGB allein das Verhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer erfasst, richten die §§ 331 ff. StGB ihren Blick auf die Dreiecksbeziehung zwischen Treugeber, Treunehmer und Dritten.[13]
a) Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis
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Der Missbrauchstatbestand setzt zunächst das Vorliegen einer Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis voraus. Diese kann qua Gesetz, durch behördlichen Auftrag oder durch ein Rechtsgeschäft bestehen. Gemeint ist damit die Rechtsmacht, wirksam die Vermögensrechte eines anderen zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern bzw. den Betreffenden gegenüber einem Dritten zu verpflichten.[14]
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Beispiele: Elternschaft (§§ 1626, 1629 BGB); „Schlüsselgewalt“ der Ehepartner (§ 1357 BGB); Prokura (§§ 48 ff. HGB), Handlungsvollmacht (§§ 54 ff. HGB); Aufträge, Dienstverträge etc.
b) Vermögensbetreuungspflicht
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Die Begehung einer Missbrauchsuntreue setzt zudem nach überwiegend vertretener Ansicht ebenso wie die Treubruchvariante eine Vermögensbetreuungspflicht voraus.[15] Hiervon ist auszugehen, wenn dem Treunehmer die Befugnis eingeräumt ist, im Interesse des Geschäftsherrn über dessen Vermögen in bedeutsamer Weise zu verfügen, und es sich hierbei um den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer handelt.[16] Als Anhaltspunkt kann es dienen, wenn dem Treunehmer die „Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums“ (und nicht lediglich mechanische Hilfstätigkeiten) eingeräumt wird, es an einer „engmaschigen Kontrolle“ fehlt bzw. das Schuldverhältnis einen fremdnützigen Charakter aufweist.[17]
c) Missbrauch der Befugnis
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Die Tathandlung liegt im Missbrauch der Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis, d.h. der Täter hat seine Befugnis im Außenverhältnis entsprechend seinem rechtlichen Können wirksam (rechtsgeschäftlich) ausgeübt und dadurch die ihm im Innenverhältnis gezogenen Grenzen des rechtlichen Dürfens überschritten.[18] (Unwirksame) schädigende Handlungen außerhalb der rechtlichen Befugnis unterfallen nicht dem Missbrauchstatbestand. Typische Fälle sind unter anderem das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, das unerlaubte Ausfüllen von Blanko-Formularen oder auch die Vereinbarung von Kick-Back-Provisionen durch Geschäftsführer oder Vorstände zu Lasten der vertretenen Gesellschaft.[19]
3. Treubruchtatbestand
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Anders als für die Missbrauchsvariante genügt für die Annahme einer Treubruchuntreue bei Vorliegen der übrigen Strafbarkeitsvoraussetzungen gerade auch nicht-rechtsgeschäftliches Verhalten.[20] Angesichts dieser tatbestandlichen Weite ist die Norm in der Vergangenheit in die Kritik geraten. Das Bundesverfassungsgericht bejaht indes die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG.[21]
a) Vermögensbetreuungspflicht
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Die für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht erforderlichen Voraussetzungen entsprechen den beim Missbrauchstatbestand näher erläuterten. Neben der Entstehung aus Gesetz, behördlichem Auftrag und Rechtsgeschäft kommt noch ein sonstiges „Treueverhältnis“ als Entstehungsgrund der Vermögensbetreuungspflicht in Betracht. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass zivilrechtliche Hindernisse der strafrechtlichen Verantwortlichkeit entgegenstehen. Eine Vermögensbetreuungspflicht kann im Fall der Treubruchvariante daher etwa auch aus einem unwirksamen Rechtsverhältnis erwachsen.[22]
b) Pflichtverletzung
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Das tatbestandliche Verhalten der Untreue liegt in der Verletzung der (gesetzlichen oder vertraglichen) Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Der Pflichtenkreis wird im Einzelnen von gesetzlichen Bestimmungen, Richtlinien oder auch konkreten Weisungen des Vermögensinhabers festgelegt.[23] Möglich erscheint ein Rückgriff auf untergesetzliche Regelungen, jedoch nur soweit sie gleichsam individualschützend ausgestaltet sind. Beispielsweise sind im Bereich des Banken- und Wertpapierrechts vor allem Kapitalerhaltungs- und Betriebsvorschriften taugliche Anknüpfungspunkte, nicht jedoch Vorschriften, die überindividuelle Schutzgüter betreffen.[24]
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In spezifisch gelagerten Konstellationen wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Teil ein besonderes Gewicht der Pflichtverletzung als strafbarkeitsbegründendes Kriterium verlangt.[25] Das Erfordernis ist sowohl bezüglich seines Inhalts als auch seiner prinzipiellen Berechtigung umstritten.[26]
4. Vermögensnachteil
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Das Verhalten des Täters muss bei dem Treugeber einen Vermögensnachteil begründen. Dabei wird der Nachteilsbegriff des § 266 StGB inhaltlich mit dem Schadensbegriff des § 263 StGB gleichgesetzt. Ein Vermögensnachteil liegt vor, sofern im Wege einer Gesamtsaldierung festgestellt wird, dass das Vermögen infolge der Tathandlung einen geringeren Wert aufweist, mithin insbesondere keine Kompensation durch einen gleichzeitig erlangten, rechtmäßigen Vermögenszuwachs erfolgt ist.[27]
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Praktisch relevant ist auch der Eintritt eines Vermögensnachteils durch Ausbleiben einer Vermögensmehrung. Ob hierin ein Nachteil liegen kann,