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Fallen eine Korruptionstat und eine Steuerstraftat zusammen, ist es jedenfalls nicht möglich, die erhaltene Zuwendung als das Erlangte einer Bestechlichkeit und die ersparten Aufwendungen der hinterzogenen Steuern bezüglich des erhaltenen Vorteils parallel einzuziehen.[73] Dieses Ergebnis folgt aber nicht daraus, dass eine Doppelbelastung im Steuerverfahren zu vermeiden ist, sondern es handelt sich hierbei schon um den gleichen wirtschaftlichen Vorteil.[74]
d) Steuerhinterziehung bei Geltendmachung eines unberechtigten Abzugs
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Eine (versuchte) Steuerhinterziehung auf Seiten des Vorteilsgewährenden liegt vor, wenn die Zahlungen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden trotz des bestehenden Abzugsverbots und dabei unrichtige Angaben über die Natur der Aufwendungen gemacht werden.[75] Die unrichtigen Angaben über die wahre Natur der Aufwendungen werden in der Praxis oftmals mit der Einreichung von Scheinrechnungen begleitet. Diese sind nach § 41 Abs. 1 S. 2 AO für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich, weil nach § 41 Abs. 2 S. 2 AO das verdeckte Geschäft maßgeblich für die Besteuerung ist. Dabei ist es auch unerheblich, ob die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen möglicherweise unwirksam sind, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieser Rechtsgeschäfte gleichwohl eintreten und bestehen lassen wollten.
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Werden die Bestechungsgelder dagegen von vornherein als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gebucht, so scheidet eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung aus.[76] Dieses Vorgehen mag im Rahmen einer Betriebsprüfung zwar als Anhaltspunkt für eine vorgenommene strafbare Vorteilsgewährung auffallen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die weitere Aufklärung oftmals schwierig sein wird, wenn die entsprechende Zahlung nur der Höhe nach gebucht werden und keine weiteren Angaben hinterlegt sind.[77]
2. Empfängerbenennung und Versagung des Betriebskostenabzugs nach § 160 AO
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Werbungskosten und Betriebsausgaben sind nach § 160 EStG nur zu berücksichtigen, wenn dem Empfängerbenennungsverlangen der Finanzbehörde nachgekommen wird. In der Praxis hat diese Möglichkeit der Finanzbehörden vielleicht sogar eine größere Bedeutung als das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, bei einer Anerkennung einer Betriebsausgabe auf der einen Seite eine Besteuerung auf der Empfängerseite sicherzustellen.[78] Deshalb kann auf dem Empfängernachweis verzichtet werden, wenn die Zuwendung ins Ausland geflossen ist und feststeht, dass der Empfänger nicht der deutschen Steuergewalt unterliegt. Es ist mit diesem Instrument also keine Schätzung oder ein erhöhtes Steueraufkommen verbunden, sondern es enthält nur eine Konkretisierung der Mitteilungspflichten. Die Finanzbehörde kann vom Steuerpflichtigen die Angabe über den Empfänger einer Betriebsausgabe verlangen und sie macht davon auch regelmäßig Gebrauch, wenn sie den Verdacht auf eine Zahlung von Bestechungsgeldern hat. Der Steuerpflichtige kann sich dafür entscheiden, diesem Verlangen nicht nachzukommen, Zwangsmittel dürfen nämlich nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO nicht angewendet werden, worauf der Steuerpflichtige auch hinzuweisen ist. In diesen Fällen wird die Zahlung aber regelmäßig nicht als abzugsfähige Ausgabe anerkannt. Die Finanzverwaltung stützt dabei die Nichtabziehbarkeit der Ausgaben nicht auf das nicht oder nur schwer nachzuweisende Korruptionsdelikt, sondern schlicht auf die Nichtbenennung des Empfängers. Ratio dieser Herangehensweise ist es, den möglichen Steuerausfall durch die Gefahr der Nicht-Besteuerung beim Empfänger durch die Versagung des Abzugs beim Zahlenden zu kompensieren.
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Nach zutreffender Ansicht ist § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG lex specialis zu § 160 AO, weil letztere Vorschrift abziehbare Betriebsausgaben gerade voraussetzt.[79] Deshalb muss nach der Systematik des Gesetzes zuerst geprüft werden, ob es sich um Betriebsausgaben handelt, die nicht abgezogen werden dürfen, weil die Zuwendung ein Strafgesetz erfüllt. Da das im Einzelfall schwierige Ermittlungen einer Korruptionsstraftat voraussetzt, geht die Finanzbehörde oft verfahrensökonomisch vor und wendet in Zweifelsfällen § 160 AO an, ohne vorher die Voraussetzungen des Abzugsverbots geprüft zu haben. Aus verfahrensökonomischen Gründen ist dies nachvollziehbar, weil die Finanzbehörde mit der Feststellungslast der Nichtabziehbarkeit wegen eines Korruptionsdelikts belastet ist.[80]
III. Umsatzsteuerhinterziehung
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Die Geltendmachung von Vorsteuern für Leistungen setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Rechnung voraus. Liegt diese nicht vor oder handelt es sich um eine Scheinrechnung, ist ein Vorsteuerabzug nicht zu gewähren und die Geltendmachung mit unrichtigen Angaben bzw. unter Vorlage einer Scheinrechnung eine (versuchte) Steuerhinterziehung. Dem Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a UStG unterfallen die Vorteilszuwendungen dagegen nicht, weil § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG in dem genannten Katalog nicht enthalten ist. Das beruht auf Art. 176 MwStSysRL, die vorsieht, dass nur Ausgaben ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben.
I. Zuständigkeit
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Im Steuerstrafverfahren stehen der Finanzbehörde die Aufgaben und Befugnisse nach § 386 Abs. 1 S. 2 AO zu, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt oder zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuer oder andere öffentlich-rechtliche Aufgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen oder Steuerbeträge anknüpfen. Damit der Steuerhinterziehung durch Geltendmachung von Betriebsausgaben entgegen § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG grundsätzlich eine Strafbarkeit eines Korruptionsdelikts einhergeht, bleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, die sich dann auch auf die Steuerstraftat bezieht. Die Finanzbehörde nimmt in diesen Verfahren die Rolle der Ermittlungsbeamten ein.
1. Steuergeheimnis
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Die Finanzbehörde verfügt über ein beträchtliches Wissen über die wirtschaftlichen und zum Teil auch persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen, wobei die gesammelten Erkenntnisse zu einem wesentlichen Teil von den Steuerpflichtigen selbst herrühren, da sie nach § 90 Abs. 1 S. 1, 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet sind. Das kann aber nicht zur Abschwächung des Schutzes der Daten führen, auch nicht, wenn der Steuerpflichtige die Angaben gemacht hat, um eine Besserstellung, beispielsweise eine Steuerbefreiung oder Minderung seiner Steuerschuld zu bewirken.[81] § 30 AO schützt diese Informationen vor unbefugter Weitergabe, auch wenn sie sich auf Straftaten beziehen. § 355 StGB sichert die Einhaltung des Verbots der Offenbarung und Verwertung auch strafrechtlich ab.
2. Mitteilungspflichten
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Lückenlos ist der Schutz jedoch nicht, weil § 30 Abs. 4–6 AO Mitteilungspflichten enthält, die auch bei Korruptionssachverhalten einschlägig sein können. Bei Korruptionssachverhalten bestehen konkurrierende Mitteilungspflichten und -befugnisse.[82] Zum einen enthält § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 AO eine originäre Mitteilungspflicht.[83] Da die Geltendmachung nicht abzugsfähiger Zuwendung unter unrichtiger Angabe ihrer Natur als andere Betriebsausgaben auch eine Steuerstraftat darstellt, ist auch die Mitteilungspflicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO i.V.m. § 10 BpO begründet, die aber neben der erstgenannten kaum einen eigenständigen Anwendungsbereich hat. Umstritten ist, ob eine Mitteilungspflicht nur besteht, wenn die Zuwendung unrichtig als Betriebsausgabe geltend gemacht worden ist. Richtigerweise ist das abzulehnen.[84]