Zur Beendigung des Schuldnerverzugs genügt die Erhebung der Einrede aus § 273 nicht mehr: Vielmehr muss der Schuldner dann die seinerseits geschuldete Leistung erbringen oder in Annahmeverzug begründender Weise anbieten.[9]
a) Wechselseitige Forderungen
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§ 273 setzt wechselseitige Forderungen voraus: Der Gläubiger muss einen Anspruch gegen den Schuldner, der Schuldner aber zugleich auch einen Anspruch gegen den Gläubiger haben. Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 273 Abs. 1. Ansprüche gegen Dritte begründen dagegen kein Zurückbehaltungsrecht. Auch das ist eine Folge der Relativität der Schuldverhältnisse.[10] Wenn also beispielsweise der Eigentümer eines Oldtimers von einer Reparaturwerkstatt Herausgabe des Oldtimers (§ 985) verlangt, hat die Werkstatt kein (ein Recht zum Besitz iSd § 986 begründendes) Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer werkvertraglichen Ansprüche, wenn nicht der Eigentümer, sondern ein Dritter (beispielsweise der Ehemann des Eigentümers) den Werkvertrag abgeschlossen hat.[11]
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Schwierigkeiten kann der Fall bereiten, dass wechselseitige Ansprüche bestehen, die ein Zurückbehaltungsrecht begründen, nun aber eine Partei ihren Anspruch an einen Dritten abtritt (§ 398). Dadurch kann sich die Position des Schuldners verschlechtern, wenn er zwar einen Anspruch gegen den alten, nicht aber gegen den neuen Gläubiger hat. Das verhindert § 404: Der Schuldner kann ein Zurückbehaltungsrecht auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten.[12]
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Im Gegensatz zur Aufrechnung[13] müssen die Ansprüche nicht gleichartig sein. Äpfel lassen sich zwar nicht gegen Birnen aufrechnen, denn § 387 verlangt die Gleichartigkeit der Forderungen. Aber man kann die Leistung von Birnen verweigern, wenn man – unter den weiteren Voraussetzungen des § 273 – einen Anspruch auf Äpfel hat. Bei gleichartigen Ansprüchen ist die Aufrechnung vorrangig. Im Prozess bringt die Rechtsprechung den Schuldner auf den richtigen Weg, wenn er – statt aufzurechnen – nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, obwohl er eine gleichartige Forderung hat. Regelmäßig wird ein Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung (vgl § 274) in eine Aufrechnung umgedeutet.[14]
b) Konnexität der Ansprüche („aus demselben rechtlichen Verhältnis“)
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Der Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger muss § 273 Abs. 1 zufolge „aus demselben rechtlichen Verhältnis“ stammen, „auf dem seine Verpflichtung beruht“. Dieses Erfordernis – das die Aufrechnung nicht hat – bezeichnet man auch als Konnexität. Der Wortlaut dieser Voraussetzung scheint ein eher enges Verständnis nahezulegen. Dies trifft aber nicht zu. Mit Blick auf den Zweck des § 273 ist das Erfordernis vielmehr weit auszulegen. Das erklärt sich aus dem grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken, der § 273 zugrunde liegt.[15] Zudem ist die Verbindung zweier Ansprüche bei der Geltendmachung auch effizient: Sie spart Rechtsdurchsetzungskosten, weil der Schuldner seinen eigenen Anspruch ja notfalls in einem eigenen Prozess durchsetzen müsste, wenn ihm § 273 nicht als Abwehrmöglichkeit zur Verfügung stünde. Die stRspr legt den Begriff daher zu Recht weit aus. Es ist nicht nötig, dass die Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis stammen. Es genügt vielmehr, dass ihnen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt.[16] Vertragliche Ansprüche müssen dafür in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen durchgesetzt werden könnte.[17] So genügt etwa eine ständige Geschäftsbeziehung zwischen zwei Unternehmen, wenn zwar verschiedene Vertragsverhältnisse vorliegen, diese aber wegen ihres zeitlichen oder sachlichen Zusammenhangs als natürliche Einheit erscheinen.[18] Wenn beispielsweise die Deutsche Bahn AG gegen die Siemens AG Gewährleistungsansprüche wegen Fehlern in einer ICE-Lieferung aus 2018 hat, kann sich die Siemens AG wegen ihrer Zahlungsansprüche gegen die Deutsche Bahn AG aus einer Schienenlieferung aus 2019 gegebenenfalls auf § 273 berufen. Auch ein nichtiger Vertrag, der Grundlage wechselseitiger Bereicherungsansprüche ist, begründet ein einheitliches Rechtsverhältnis iSd § 273 Abs. 1.[19]
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Einen gesetzlichen Fall der Konnexität regelt § 273 Abs. 2: Wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht auf seine fälligen Ansprüche wegen Verwendungen auf den Gegenstand geltend machen oder auch wegen eines ihm durch den Gegenstand verursachten Schadens. Das gilt nur dann nicht, wenn der Schuldner den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat. Wenn beispielsweise Ihr Nachbar während Ihres Urlaubs Ihre Wellensittiche hütet, hat er wegen seiner Fütterungskosten (§ 693) ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 gegen Ihren Anspruch auf Herausgabe der Vögel (§ 695). Ein anderes Beispiel bietet der Fall, dass jemand rechtswidrig auf Ihrem Grundstück parkt. Der Eigentümer kann zwar Herausgabe des Autos verlangen. Sie haben jedoch Ihrerseits einen Anspruch auf Zahlung der Abschleppkosten, der Ihnen ein Zurückbehaltungsrecht iSd § 273 Abs. 2 vermittelt.
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Ein praktisch wichtiger weiterer Fall der gesetzlichen Konnexität ist § 1000.
c) Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des Gegenanspruchs
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Das Zurückbehaltungsrecht erfüllt bei nicht gleichartigen Ansprüchen eine ähnliche Funktion wie die Aufrechnung. Das Zurückbehaltungsrecht bietet bei ihnen einen einfachen und kostengünstigen Weg, die eigene Forderung durchzusetzen. Dementsprechend muss der Gegenanspruch, auf den das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird, auch fällig sein. Noch nicht fällige Gegenansprüche begründen grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht.[20] Wenn in dem Beispiel von oben[21] die Gewährleistungsansprüche der Deutschen Bahn AG fällig sind, nicht aber die Zahlungsansprüche der Siemens AG (weil beispielsweise vertraglich ein späterer Fälligkeitszeitpunkt vereinbart ist), kann die Siemens AG aus diesen (verhaltenen) Zahlungsansprüchen auch kein Zurückbehaltungsrecht herleiten. Eine kurze Kontrollüberlegung erhellt den Sinn dieser Voraussetzung: Die Siemens AG würde ja auch mit dem Versuch scheitern, die verhaltenen Ansprüche schon jetzt, bevor sie fällig sind, eigenständig gerichtlich durchzusetzen.
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Es genügt allerdings, dass der Gegenanspruch mit der Erfüllung der eigenen Leistung fällig wird.[22] So liegt es beispielsweise bei § 1223 Abs. 1: Der Pfandgläubiger muss dem Verpfänder das Pfand erst nach dem Erlöschen des Pfandrechts zurückgeben. Der Anspruch des Verpfänders auf Rückgabe des Pfandes wird also beispielsweise fällig, wenn der Verpfänder die Forderung erfüllt, zu deren Sicherung das Pfand diente. Denn dann erlischt das Pfandrecht gem. § 1252. Wenn der Pfandgläubiger den Verpfänder nun wegen dieser Forderung in Anspruch nimmt, kann der Verpfänder gem. § 273 Abs. 1 die Leistung wegen seines Rückgabeanspruchs verweigern, obwohl der Rückgabeanspruch erst mit Befriedigung der Forderung fällig wird.[23]
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