d) Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 311b Abs. 1
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Gem. § 125 S. 1 ist ein nicht notarieller Vertrag, der von § 311b Abs. 1 erfasst wird, nichtig. Wenn keine Heilung erfolgt ist (§ 311b Abs. 1 S. 2), können möglicherweise erbrachte Leistungen gem. § 812 Abs. 1 S. 1 kondiziert werden. Denkbar sind auch Schadensersatzansprüche aus § 311 Abs. 2 iVm § 280 Abs. 1, wenn der Käufer nutzlos gewordene Erwerbskosten aufgebracht hat (etwa zur Finanzierung oder für Grundbuchgeschäfte).
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Nur ausnahmsweise greift die strenge Nichtigkeitssanktion des § 125 S. 1 gem. § 242 nicht ein, wenn die Berufung auf den Formmangel treuwidrig ist. Dafür gelten strenge Voraussetzungen.[58] Die Nichtigkeitssanktion ist auch für den Schwarzkauf relevant, der in der Praxis nicht selten vorkommt (vgl Fall 14): In dieser Situation beurkunden die Parteien eines Kaufvertrags den Kauf zu einem geringeren als dem eigentlich gewollten Kaufpreis, um Steuern und Gebühren zu sparen. Der beurkundete Vertrag (simuliertes Geschäft) ist ein nichtiges Scheingeschäft (§ 117 Abs. 1). Der nicht beurkundete Vertrag (dissimuliertes Geschäft) unterfällt § 311b Abs. 1 S. 1 (vgl auch § 117 Abs. 2) und ist insoweit – vorbehaltlich einer Heilung gem. § 311b Abs. 1 S. 2 – formnichtig gem. § 125 S. 1.[59] Vom „Schwarzkauf“ sind Fälle zu unterscheiden, bei denen zwar eine unrichtige Beurkundung erfolgte (beispielsweise ein objektiv anderes als das tatsächlich gewollte Grundstück), die Parteien aber über das tatsächlich gewollte Grundstück einig sind. In diesen Fällen ist der Vertrag mit dem von den Parteien übereinstimmend gewollten Vertragsinhalt wirksam zustande gekommen (falsa demonstratio non nocet).[60]
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Der Formmangel wird gem. § 311b Abs. 1 S. 2 geheilt, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Auflassung und Eintragung bedeuten den Vollzug des Geschäfts, so dass ein Übereilungsschutz nicht mehr geboten ist. Dazu kommt ein Verkehrsschutzgedanke: Sachenrechtlich abgeschlossene Vorgänge sollen im Interesse des Rechtsverkehrs aufrechterhalten werden.[61] Der Kaufvertrag wird also durch die Übereignung vollumfänglich wirksam. Im Fall des Schwarzkaufs bedeutet dies: Der eigentlich gewollte Vertrag (das dissimulierte Geschäft) mit dem regelmäßig höheren Kaufpreis wird durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch wirksam, so dass der Käufer nicht etwa lediglich den niedrigeren beurkundeten Kaufpreis zahlen muss, sondern den eigentlich gewollten höheren Kaufpreis.
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Die Heilung des § 311b Abs. 1 S. 2 bezieht sich lediglich auf die Formnichtigkeit gem. § 125 S. 1 iVm § 311b Abs. 1 S. 1. Andere Nichtigkeitsgründe bleiben von der Heilungsvorschrift unberührt. Wenn beispielsweise der Kaufvertrag auch wegen Geschäftsunfähigkeit einer Partei nichtig ist, führen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch nicht zur Wirksamkeit des Vertrags.[62]
e) Fall 14 Lösung
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A könnte gegen B einen Anspruch auf Grundstücksübertragung gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 haben.
I. Das setzt einen wirksamen Kaufvertrag voraus. Zunächst könnte ein wirksamer Kaufvertrag über das Grundstück zu einem Kaufpreis von 500.000 Euro bestehen. Ein solcher Kaufvertrag wurde unter Beachtung des § 311b Abs. 1 vor dem Notar geschlossen. Problematisch ist allerdings, dass A und B insgeheim den Vertrag in dieser Form gar nicht schließen wollten. Ihr Ziel war der Abschluss eines Vertrags zu einem Kaufpreis in Höhe von 1.000.000 Euro. Nach § 117 Abs. 1 sind diese vor dem Notar mit Einverständnis des anderen Teils abgegebenen Willenserklärungen daher nichtig. Bei solchen Scheingeschäften kommt es mithin zur Nichtigkeit des simulierten Geschäfts.
II. Jedoch könnte ein wirksamer Kaufvertrag über das Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 1.000.000 Euro bestehen. Eine entsprechende Einigung (Angebot und Annahme durch A und B) liegt vor. § 117 Abs. 2 stellt klar, dass die Nichtigkeit des simulierten Geschäfts sich nicht auf die Nichtigkeit des dissimulierten Geschäfts erstreckt. Der Vertrag ist auch nicht etwa gemäß § 134 iVm § 370 AO nichtig: Das ist nur dann der Fall, wenn die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Geschäfts ist. A möchte aber auch Notarkosten sparen und B will den Verkaufserlös ihrer Familie teilweise vorenthalten. Der Vertrag könnte indes gemäß § 125 S. 1 nichtig sein. Nach § 311b Abs. 1 S. 1 sind Grundstückskaufverträge notariell zu beurkunden (§ 128). Dies gilt gem. § 117 Abs. 2 insbesondere auch für dissimulierte Geschäfte. Das dissimulierte Geschäft (Kauf zu 1.000.000 Euro) wurde hier jedoch gerade nicht notariell beurkundet. Auch die notarielle Beurkundung des simulierten Rechtsgeschäfts vermag den Formmangel des dissimulierten Rechtsgeschäfts nicht zu überwinden: Erstens sind weder A noch B schutzbedürftig. Zweitens sieht der Wortlaut des § 117 Abs. 2 eine gesonderte Behandlung beider Geschäfte vor, so dass auch die Formvorschriften jeweils gesondert einzuhalten sind. Eine Heilung gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 ist bei dem dissimulierten Geschäft mangels Übertragung des Grundstücks nicht eingetreten. Daher liegt auch kein wirksamer Kaufvertrag über das Grundstück mit einem Betrag von 1.000.000 Euro vor.
Ergebnis: A hat gegen B keinen Anspruch auf Grundstücksübertragung gemäß § 433 Abs. 1 S. 1.
a) Verträge über das gegenwärtige Vermögen (§ 311b Abs. 3)
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Besonders gefährlich und weitreichend ist die Verpflichtung des Schuldners, das gesamte Vermögen zu übertragen. Gem. § 311b Abs. 3 bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, daher der notariellen Beurkundung. Die Norm schützt den Schuldner dadurch vor allem vor einer übereilten Entscheidung und sichert seine fachgerechte Aufklärung und Beratung. Zugleich dient die Norm der Rechtssicherheit und verhindert, dass Formvorschriften über Verfügungen von Todes wegen umgangen werden. Dass – unabhängig von der Höhe – auch Bruchteile des Vermögens erfasst werden, soll darin begründet liegen, dass solche Verträge zu unabsehbaren Verwicklungen führen würden.[63]
In Fall 15 sind dementsprechend Zweifel dahingehend angebracht, ob die Übertragung der Fondsanteile von E an B gesetzlich gebilligt wird, schließlich würde im Todesfall normalerweise stattdessen A von der Erbmasse profitieren. Dass Verwicklungen drohen, belegt schon der Umstand, dass A sich nicht mit dem aktuellen Zustand zufriedengeben möchte und gegen B vorgeht.
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§ 311b Abs. 3 setzt einen schuldrechtlichen Vertrag voraus. Häufige Beispiele sind Kaufverträge und Schenkungsverträge. Entscheidende Voraussetzung ist, dass der Schuldner sich vertraglich zur Übertragung seines gegenwärtigen Vermögens oder eines Bruchteils davon verpflichtet. Mit Vermögen ist das gesamte Aktivvermögen gemeint.
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Die