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Sofern aber im Wege des Erbrechts ein uneingeschränkter Zugang zu sämtlichen Accounts des Verstorbenen eröffnet wird, trägt dies weder dem verfassungsrechtlich verankerten postmortalen Persönlichkeitsschutz noch den einfachrechtlichen Belangen des Datenschutzes hinreichend Rechnung. Das Auskunfts- und Nutzungsverlangen der Erben im Hinblick auf die Daten des Erblassers muss dort seine Grenze finden, wo bereits das Wissen um das künftige Bestehen derartiger Ansprüche die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Erblassers zu Lebzeiten hindert.[41] Der Nutzer eines E-Mail- oder Social Media-Accounts wird sich in den betreffenden Kommunikationsräumen unter Umständen anders verhalten, wenn er weiss, dass seine Erben nach seinem Ableben auf sämtliche dort vorgehaltenen Inhalte und Informationen zugreifen können. Vor diesem Hintergrund muss dem Verstorbenen ein Recht auf Respektierung seines zu Lebzeiten kreierten Persönlichkeitsbildes zugestanden werden. Solange der Erblasser nicht den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen zur Freigabe seiner Daten zum Ausdruck gebracht hat, ist der Diensteanbieter daher nicht zur Herausgabe der jeweiligen Zugangsdaten an die Erben berechtigt. Als problematisch kann sich das grundsätzliche Verbot der Datenweitergabe indessen im Hinblick auf vermögensrechtliche Positionen des digitalen Nachlasses darstellen. Sind im Rahmen des Accounts etwa geschäftliche Daten hinterlegt, sind die Erben auf den Erhalt dieser Informationen regelmäßig angewiesen und können diesen aufgrund des ganzheitlichen Vermögensübergangs nach § 1922 Abs. 1 BGB auch beanspruchen. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich jedoch aus der Trennung privater, dem postmortalen Persönlichkeitsschutz unterliegenden, und die Vermögenssphäre betreffenden, den Erben zugänglichen Daten. Handelt es sich um einen gemischt-genutzten Account, bedarf es einer sorgfältigen Trennung beider Bereiche. Insoweit wird es Aufgabe der Diensteanbieter sein, die technischen Voraussetzungen für eine solche datenmäßige Differenzierung zu schaffen.[42] Zugleich müssen Funktionen geschaffen werden, die dem Nutzer bereits bei erstmaliger Registrierung eine Entscheidung abverlangen, wie mit seinen Daten im Todesfall verfahren werden soll.[43]
Anmerkungen
Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008. Nach 2 Rom-I-VO betrifft die Rom-I-VO nicht nur Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union. Vielmehr ist sie zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts auch dann heranzuziehen, wenn der Bezug zu einem Staat außerhalb der Europäischen Union in Rede steht.
Vgl. dazu Bräutigam/Sonnleithner in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 3. Kap. Rn. 37.
Vgl. dazu unten Rn. 66 ff.
Redeker in Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Teil 12 Rn. 419.
Bräutigam/Sonnleithner in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 3. Kap. Rn. 9.
Twitter behält sich die Änderung oder Einstellung von Diensten im Rahmen seiner AGB sogar ausdrücklich vor, vgl. unter https://www.twitter.com/tos?PHPSESSID=57a411f70b1964a2bc78b82638 ba1843 (dort unter Nr. 1: Grundlegende Bedingungen). Facebook unterstellt mit der Weiternutzung des Netzwerks trotz geänderter Nutzungsbedingungen das Einverständnis im Hinblick auf die jeweiligen Änderungen, vgl. unter https://www.facebook.com/legal/terms (dort unter Nr. 13.3). Zur Zulässigkeit derartiger Änderungsklauseln vgl. unten Rn. 41.
Hornung in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 4. Kap. Rn. 81 ; Bräutigam MMR 2012, 635, 637.
Zur Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger im Hinblick auf die Verwendung personenbezogener Daten durch Social Media-Anbieter Hornung in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 4. Kap. Rn. 83 ff.
Paul in Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Teil 7.4 Rn. 143.
LG Berlin K&R 2014, 544. Es handelte sich dabei um einen Rechtsstreit des Bundesverbands der Verbraucherzentralen gegen den Instant Messaging-Dienst WhatsApp. Da die Entgegennahme der Klageschrift nach gerichtlich veranlasstem Zustellungsversuch am Sitz der WhatsApp Inc. in Kalifornien
Zur Frage, ob die umfassende Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten an den Daten der Nutzer als entgeltliche Leistung gesehen werden kann Bräutigam/Sonnleithner in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 3. Kap. Rn. 18 ff.
Zur fehlenden Anwendbarkeit der Regelungen für Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB), Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) oder Auftrag (§§ 662 ff. BGB) Bräutigam/Sonnleithner in Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.), 3. Kap. Rn. 22 ff.
Redeker in Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Teil 12 Rn. 421.
Vgl. dazu oben Rn. 30.
Vgl. etwa Ziff. 5.B.ii. der Nutzungsbedingungen des Instant Messaging-Dienstes WhatsApp: „(…) you hereby grant WhatsApp a worldwide, non-exclusive, royalty-free, sublicenseable and transferable license to use, reproduce, distribute, prepare derivative works of, display, and perform the Status Submissions in connection with the WhatsApp Service and WhatsApp’s (and its successor’s) business, including without limitation for promoting and redistributing part or all of the WhatsApp Service (and derivative works thereof) in any media formats and through any media channels.“
Vgl.