2. Leistungsumfang
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Grundsätzlich ist der Anbieter des sozialen Mediums zur Ermöglichung der Kommunikation zwischen den Nutzern und der Speicherung von nutzergenerierten Inhalten verpflichtet.[4] Den Schwerpunkt der Leistung bildet daher die Eröffnung des Zugangs zu einer technischen Online-Plattform, die die kontaktmäßige Verknüpfung und den gedanklichen Austausch mit anderen Nutzern ermöglicht.[5] Weil die fortschreitende technische Entwicklung und die im Wandel begriffenen Bedürfnisse der Nutzer bisweilen eine Anpassung des sozialen Mediums an diese Parameter erforderlich machen, wird regelmäßig auf die Festlegung eines konkreten Leistungsumfangs verzichtet oder dessen Änderung vorbehalten.[6]
3. Social Media-Vertrag
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Stimmt der Nutzer den Bedingungen des Social Media-Anbieters zu, kommt zwischen beiden Parteien ein Vertrag zustande (§§ 145 ff. BGB). Ist der Nutzer minderjährig, richtet sich die Wirksamkeit eines solchen Vertrages nach der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). Dies gilt nicht nur für kostenpflichtige, sondern auch für kostenfreie Angebote, weil sich die Anbieter sozialer Medien regelmäßig weitreichende Rechte an den nutzergenerierten Inhalten einräumen lassen und zugleich das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung nachteilig beeinträchtigt wird.[7] Praktische Schwierigkeiten bereitet indessen die Verifikation der durch den gesetzlichen Vertreter erteilten Zustimmung zum Abschluss eines Social Media-Vertrages. Global tätige Anbieter verzichten bislang auf sichere Prüfsysteme und verlassen sich vielmehr auf die Selbstauskunft der Nutzer.[8]
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Weil sämtliche Regelungen vom Anbieter des sozialen Mediums für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und einseitig gestellt sind, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Die wirksame Einbeziehung dieser Bedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB erfolgt regelmäßig dadurch, dass der Nutzer die Kenntnisnahme des vorgegebenen Regelwerks bestätigen muss, um sich bei dem sozialen Medium überhaupt registrieren zu können.[9] § 305 Abs. 2 BGB verlangt allerdings nicht nur, dass der Verbraucher den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt wahrnehmen kann. Erforderlich ist vielmehr, dass ihm die Möglichkeit verschafft wird, von den Bedingungen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Dies ist insbesondere dann nicht gewährleistet, wenn deutsche Verbraucher, die von dem jeweiligen Social Media-Anbieter im Übrigen auch in deutscher Sprache angesprochen werden, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur in englischer Sprache abrufen können. Es kann insoweit nicht erwartet werden, dass der durchschnittliche Verbraucher Vertragsbedingungen in englischer (Rechts-)Sprache ohne Weiteres verstehen kann.[10]
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Die gelegentlich verwendete Bezeichnung als Social Media-Vertrag ist rein beschreibender Natur, weil es an der expliziten gesetzlichen Regelung eines solchen Vertragstyps fehlt. Da jedenfalls die Basisdienste sozialer Medien unentgeltlich zugänglich sind (sog. Freemium-Angebote),[11] handelt es sich regelmäßig um Verträge sui generis im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB.[12] Kostenpflichtige Dienste lassen sich hingegen als Werkverträge mit Dauerschuldcharakter qualifizieren. Die Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit sind dem hierfür zahlenden Nutzer als tatsächlicher Erfolg geschuldet.[13]
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Darüber hinaus können Social Media-Verträge danach abgegrenzt werden, ob sie für private oder gewerbliche/berufliche Zwecke genutzt werden. Im Falle einer privaten Nutzung handelt es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB. Dient der betreffende Account dagegen vornehmlich beruflichen Zwecken, liegt nach § 343 HGB ein Handelsgeschäft vor. Speziell verbraucherschützende Vorschriften kommen dem gewerblich handelnden Nutzer dann nicht zu Gute. Auswirkungen kann die Einordnung als Verbraucher auch auf das anwendbare Recht haben.[14]
4. Wirksamkeit typischer Klauseln
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Gemäß § 305c Abs. 1 BGB werden solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den jeweiligen Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Diskutiert wird dies im Bereich der sozialen Medien insbesondere im Hinblick auf solche Klauseln, mit denen sich die Social Media-Anbieter weitreichende urheberrechtliche Nutzungsrechte einräumen lassen.[15] Nach der sog. Zweckübertragungslehre im Sinne von § 31 Abs. 5 UrhG überträgt der Urheber im Zweifel keine weiterreichenden Rechte, als der Zweck des zugrundeliegenden Vertrages es erfordert.[16] Weil der Anbieter einer Social Media-Plattform für seine Zwecke regelmäßig nur das Recht zur Vervielfältigung der Nutzerinhalte (§ 16 UrhG), zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) sowie das Bearbeitungsrecht (§ 23 UrhG) benötigt, wird teilweise angenommen, dass der Nutzer mit einer darüber hinausgehenden Rechteeinräumungsklausel nicht rechnen müsse.[17] Dagegen kann indessen angeführt werden, dass einer Klausel, die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird, ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen muss.[18] Angesichts der medialen Beachtung von Social Media und der damit verbundenen öffentlichen Debatte, die auch die Nutzungsbedingungen sozialer Medien umfasst, kann ein derartiges Überraschungsmoment nicht in jedem Fall umfassender urheberrechtlicher Nutzungsrechtseinräumungen automatisch bejaht werden. Vielmehr bedarf es der genauen Prüfung jeder Klausel unter besonderer Berücksichtigung von Art und Umfang der Rechteeinräumung.[19]
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Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB angenommen wird, kann die über den konkreten Vertragszweck hinausgehende Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 31 Abs. 5 UrhG darstellen. Dementsprechend wird in der Zweckübertragungslehre, die den Urheber möglichst umfassend an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes beteiligen will, teilweise ein gesetzliches Leitbild gesehen, dessen Nichtberücksichtigung im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer sozialer Medien darstellt.[20] Hiervon abweichend sieht der Bundesgerichtshof (BGH) die Zweckübertragungslehre lediglich als Ausdruck einer teleologischen Auslegungsregel ohne Leitbildcharakter.[21] Hieran dürfte die auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 31 Abs. 5 UrhG gestützte Unwirksamkeit einer urheberrechtlichen Rechteeinräumungsklausel nach höchstrichterlicher Rechtsprechung letztlich scheitern.[22]
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Allerdings kann sich die unangemessene Benachteiligung einer allzu umfangreichen Rechteeinräumungsklausel aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben. Der Nutzer ist danach unangemessen benachteiligt, sofern die betreffende Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist.[23] An der erforderlichen Transparenz fehlt es, sofern der Nutzer durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Social Media-Anbieters pauschal zur Einräumung von Nutzungsrechten verpflichtet wird, ohne dass die zu übertragenden Rechte im Einzelnen aufgeschlüsselt werden.[24] Aus dem Rechtsgedanken der Zweckübertragungslehre folgt, dass für den Nutzer stets erkennbar sein muss, welche konkreten Nutzungsarten dem Vertragspartner eingeräumt werden sollen (sog. Spezifizierungslast).[25]
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Eine unangemessene Benachteiligung der Social Media-Nutzer kann sich weiterhin aus einer AGB-Klausel ergeben, die eine freie Weiterübertragung (§ 34 Abs. 1 UrhG) und Unterlizenzierung (§ 35 Abs. 1 UrhG)