dd) Rasse
45
Der Begriff der Rasse bezieht sich auf Personengruppen mit bestimmten, wirklich oder vermeintlich biologisch vererbbaren Merkmalen. Rasse ist nicht im wissenschaftlichen Sinne gemeint, sondern bestimmt sich nach dem allg. Sprachgebrauch, wie er insbes. im Nationalsozialismus angewendet worden ist.[123] Auch Differenzierungen aufgrund pseudowissenschaftlicher Rassenbegriffe sollen verhindert werden. Deshalb sind Diskriminierungen von Farbigen, Mischlingen, Juden, Sinti und Roma und anderen Gruppen verboten.[124]
ee) Glauben, Weltanschauung und religiöse Anschauungen
46
Der Glaube kann sich auf der Grundlage einer Religion oder einer Weltanschauung entfalten.[125] Die Merkmale Glaube und religiöse Anschauung überschneiden sich jedoch und sind nicht trennscharf voneinander abzugrenzen.[126] Unter Religion (religiösen Anschauungen) oder Weltanschauung ist[127] eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen. Dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt.[128] Es muss nicht näher unterschieden werden, ob eine Lehre als Religion oder Weltanschauung einzustufen ist, weil die Weltanschauung religiösen Anschauungen in Abs. 1 – wie in Art. 4 Abs. 1 GG – rechtl. gleichgestellt ist. Beide bestimmen die Ziele des Menschen, sprechen ihn im Kern seiner Persönlichkeit an und erklären auf eine umfassende Weise den Sinn der Welt und des menschlichen Lebens.[129] Nicht unter die Weltanschauung einzuordnen sind polit. Anschauungen, Überzeugungen oder Einstellungen, wie die ausdrückliche Nennung der polit. Anschauungen in Abs. 1 zeigt.
Der weltanschaulich-religiösen Einstellung muss kein ethischer Mindeststandard bestimmter weltanschaulicher Prinzipien zu Grunde liegen, etwa nach den Maximen, die sich bei heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben.[130] Unzulässig sind Religionen oder Weltanschauungen, die mit der FdGO kollidieren (die z.B. nationalsozialistisches Gedankengut pflegen).
Die Glaubensfreiheit ist nicht nur Mitgliedern anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften (wie der Weltreligionen, z.B. Christentum, Islam, Hinduismus, Judentum einschließlich der jew. Unterformen) gewährleistet. Sie steht auch Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen zu. Auf deren zahlenmäßige Stärke oder soziale Relevanz kommt es grds. nicht an. Für eine Religion oder Weltanschauung ist aber eine – wenn auch überschaubare – Gemeinschaft gleichgesinnter Mitglieder zu fordern. Individuelle, persönliche Überzeugungen Einzelner reichen nicht aus.
Die Einbeziehung von Glauben und religiöser Anschauung als unerlaubte Kriterien im Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Förderung in öff. Ämtern in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und in Abs. 1 ist Zeichen der staatlichen Neutralität in religiösen Fragen, die beim Zugang zu öff. Ämtern erneut in Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG zum Ausdruck kommt. Allerdings wird im Hinblick auf den in § 36 verbrieften Anspruch auf Seelsorge die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit der Soldaten zulässig sein; der Soldat kann, gestützt auf die negative Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG[131], zu der Frage schweigen.[132]
ff) Politische Anschauungen
47
Das Verbot der Nichtberücksichtigung polit. Anschauungen beruht auf mehreren Aspekten.
Einerseits soll das Leistungsprinzip entscheidendes Gewicht beim Zugang zu öff. Ämtern und bei förderlichen Maßnahmen im Dienstverhältnis haben, nicht eine Seilschaft zu Fraktionen im BT, einzelnen Abg., Parteien oder parteinahen Organisationen. Dies zielt gegen eine mit dem Schlagwort Ämterpatronage[133] verbundene Personalpolitik im öff. Dienst, die nicht Eignung, Befähigung und Leistung, sondern die systematische Bevorzugung „eigener Leute“ sowie die Benachteiligung polit. anders denkender Personen in den Vordergrund stellt und die – wie bei jedem Regierungswechsel unschwer erkennbar – auch im mil. Bereich weit verbreitet ist. Das mag in einigen wenigen mil. Spitzenpositionen – etwa beim GenInspBw als dem mil. Berater der BReg – oder bei Soldaten in Schaltzentren der Regierungsarbeit – z.B. im Bundeskanzleramt – tragbar sein. Ansonsten ist diese Praxis rechts- und verfassungswidrig. Aus § 50, wonach Berufsoffz auf der Generalsebene jederzeit wie polit. Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, kann nicht gefolgert werden, es sei legitim, die Auswahl der Angehörigen dieser Dienstgradgruppe nicht am Leistungsprinzip, sondern an polit. Zweckmäßigkeitserwägungen zu messen.[134] Es wäre aus Gründen der Einsatzbereitschaft der SK nicht verständlich, wollte man die gesamte mil. Führungsspitze zur Disposition wechselnder Regierungsmehrheiten stellen.[135]
Andererseits soll die Nichtberücksichtigung polit. Anschauungen gewährleisten, dass Soldaten ihre Funktionen parteipolit. neutral ausüben. Wer durch polit. Protektion in eine hohe mil. Verwendung gelangt, wird zumindest in der Gefahr sein, nicht zu Gunsten des Dienstherrn, sondern der ihn fördernden Personen und Organisationen zu agieren und wesentliche soldatische Pflichten (z.B. zur Verschwiegenheit) zu verletzen.
Bei leistungsgleichen Bewerbern um eine förderliche Verwendung dürfen polit. Anschauungen als verpöntes Merkmal auch keine Rolle als Stichauswahlkriterium spielen.[136]
Ausnahmsweise können polit. Anschauungen (vor allem bei Bewerbern, die verfassungsfeindliche Tendenzen vertreten) als zulässiges Indiz für eine fehlende Gewähr der Verfassungstreue und damit als Indikator für einen persönlichen Eignungsmangel gewertet werden.[137] Vgl. zur Gewähr künftiger Verfassungstreue als Eignungskriterium die Komm. zu § 37 Rn. 19 ff.
gg) Heimat
48
Der Begriff „Heimat“ gründet sich auf die „örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit i.S.d. emotionalen Beziehung zu einem geographisch begrenzten, einzelnen mitprägenden Raum (Ort, Landschaft)“;[138] maßgebend ist die identitätsstiftende Bedeutung der Umgebung während der Kindheit und Jugend.[139] Nach der Rspr. des BVerfG fällt Heimat nicht mit dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zusammen;[140] Differenzierungen nach diesen Merkmalen sind deshalb zulässig. Nicht erfasst wird auch die Staatsangehörigkeit als solche.[141] Das Kriterium „Heimat“ sollte vor allem Flüchtlinge, Vertriebene und Umsiedler gegen Diskriminierungen schützen, ohne jedoch praktische Bedeutung erlangt zu haben.[142]
hh) Ethnische oder sonstige Herkunft
49
Über den Begriff „Heimat“ hinaus bezieht sich das Merkmal „Herkunft“ auf die ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung. Das Merkmal soll die Bevorzugung oder Benachteiligung einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse oder Schicht (z.B. Arbeiterklasse, Adel) verbieten.[143] „Herkunft“ ist deshalb als soziale Herkunft zu verstehen und bezieht sich vor allem auf die soziale Stellung der Eltern, in die jemand hineingeboren wird; nicht erfasst werden soll die gegenwärtige soziale Lebenssituation.[144] Die Begriffe „Heimat“ und „Herkunft“ überschneiden und ergänzen einander