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(10) Leasingvertrag: Leasingverträge lassen sich aus rechtlicher Sicht als eine besondere Form von Mietverträgen bezeichnen, bei denen innerhalb eines fest vereinbarten Zeitraums (der Grundmietzeit) sowohl für den Leasingnehmer (Mieter) als auch für den Leasinggeber (Vermieter) eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Die Kennzeichen des (Finanzierungs-)Leasings bestehen darin, dass der Leasinggeber das Wirtschaftsgut erst nach Abschluss des Leasingvertrags beschafft und dieses entsprechend den Wünschen des Leasingnehmers auswählt, sich die Leasingrate aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des überlassenen Wirtschaftsguts ableitet, der Leasingnehmer verpflichtet ist, die erforderlichen Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen zu übernehmen und sämtliche Eigentümerrisiken (Gefahr des zufälligen Untergangs, des Verlusts, des Diebstahls, der Beschädigung, der Zerstörung und des vorzeitigen Verschleißes) zu tragen hat, dh der Leasingnehmer hat die Leasingrate unabhängig davon zu entrichten, ob das überlassene Wirtschaftsgut funktionsfähig ist. Aufgrund dieser Regelungen trägt beim (Finanzierungs-)Leasing der Leasingnehmer das Investitionsrisiko. Der Leasinggeber übernimmt im Wesentlichen nur die Finanzierungsfunktion: Er beschafft das Wirtschaftsgut mit seinen Mitteln und stellt es dem Leasingnehmer entgeltlich zur Verfügung. Der Leasinggeber trägt wirtschaftlich nur das Delkredererisiko, dh das Risiko, dass der Leasingnehmer zahlungsunfähig wird. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann das Leasing als eine Art Sachdarlehen angesehen werden.
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Über die persönliche Zurechnung eines Wirtschaftsguts, das im Wege eines Leasingvertrags überlassen wird, wurde in den 1960iger und 1970iger Jahren, dh zu der Zeit, als das Leasing in Deutschland als Finanzierungsinstrument wirtschaftlich an Bedeutung gewann, kontrovers diskutiert. Von der Finanzrechtsprechung wurden für die Zurechnung des überlassenen Wirtschaftsguts zum Leasinggeber oder zum Leasingnehmer Kriterien aufgestellt, die im Jahre 1977 nahezu unverändert in § 39 Abs. 2 Nr 1 S. 1 AO aufgenommen wurden.[6] Die Finanzverwaltung hat diese allgemeinen Formulierungen in mehreren Erlassen konkretisiert.[7] Diese Erlasse gelten nicht nur für die steuerliche Gewinnermittlung. Nach weit verbreiteter Auffassung können sie auch für die persönliche Zurechnung in der Handelsbilanz herangezogen werden. In der Praxis haben die Leasinggeber idR ihre Vertragsbedingungen so ausgestaltet, dass das Wirtschaftsgut beim Leasinggeber zu bilanzieren ist.
Abb. 16:
Zurechnung des Leasinggegenstands bei einem Vollamortisationsvertrag über bewegliche Wirtschaftsgüter, Betriebsvorrichtungen und Gebäude
Abb. 17:
Zurechnung des Leasinggegenstands bei einem Vollamortisationsvertrag über Grund und Boden
Eine Analyse der Leasingerlasse zeigt, dass die Kernfrage lautet, ob die Verteilung der Rechte und Pflichten so ungewöhnlich ist, dass zwar das rechtliche Eigentum beim Leasinggeber verbleibt, jedoch der Leasingnehmer das Wirtschaftsgut als wirtschaftlicher Eigentümer zu aktivieren hat, oder ob die Vergleichbarkeit mit einem Miet- oder Pachtvertrag nach dem Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch in dem Umfang gegeben ist, dass der Leasinggeber nicht nur rechtlicher Eigentümer, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer bleibt. Im Einzelnen sind die Zurechnungskriterien sehr differenziert ausgestaltet: Bei Vollamortisationsverträgen ist zwischen beweglichen Wirtschaftsgütern, Gebäuden sowie Grund und Boden zu unterscheiden (Abb. 16 und 17). Bei Teilamortisationsverträgen wird zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern differenziert (Abb. 18 und 19).
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In den Leasingerlassen schlagen sich die allgemeinen Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums, wie sie in § 39 Abs. 2 Nr 1 S. 1 AO formuliert sind, in mehrfacher Weise nieder:
– | Die Differenzierung zwischen Voll- und Teilamortisationsverträgen ergibt sich daraus, ob der Leasingnehmer innerhalb der Grundmietzeit die beim Leasinggeber anfallenden Anschaffungsausgaben für das Wirtschaftsgut, die Finanzierungsaufwendungen, die Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie einen Gewinnaufschlag in vollem Umfang oder nur zum Teil abdeckt. Diese Einteilung bestimmt zusammen mit den Vereinbarungen, die über die Verwertung des Wirtschaftsguts nach Ablauf des Leasingvertrags (der Grundmietzeit) getroffen werden, wer die Chancen von Wertsteigerungen besitzt bzw wer die Risiken von Wertminderungen zu tragen hat. Der Leasinggeber bleibt wirtschaftlicher Eigentümer, solange diese Aspekte für ihn wirtschaftlich ins Gewicht fallen. Dies trifft beispielsweise bei Verträgen ohne Verlängerungs- oder Kaufoption zu, da der Leasinggeber für die weitere Verwertung des Wirtschaftsguts verantwortlich ist. |
– | Die Unterscheidung zwischen Mobilien- und Immobilienleasing ist deshalb erforderlich, weil (a) bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter eine unterschiedliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer besitzen bzw der Grund und Boden ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut darstellt und weil (b) das Verhältnis der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zur Grundmietzeit ein bedeutsames Kriterium für die persönliche Zurechnung darstellt. |
– | Das Verhältnis der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zur Grundmietzeit ist deshalb entscheidend, weil in dem Fall, in dem sich die Laufzeit des Leasingvertrags auf mehr als 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts erstreckt, davon auszugehen ist, dass der Leasingnehmer den Leasinggeber auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann oder der Herausgabeanspruch des Leasinggebers wirtschaftlich wertlos ist. Zur Ermittlung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ist der in den AfA-Tabellen angegebene Zeitraum bzw der in § 7 Abs. 4, 5 EStG normierte Zeitraum zugrunde zu legen. |
– | Bei Vollamortisationsverträgen, deren Laufzeit weniger als 40% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts ausmacht, wird von einem „versteckten“ Ratenkauf ausgegangen, sodass das Wirtschaftsgut dem Leasingnehmer zuzurechnen ist. |
– | Ist das Wirtschaftsgut auf die besonderen Einsatzbedingungen beim Leasingnehmer ausgerichtet (Spezialleasing), ist der Leasingnehmer wirtschaftlicher Eigentümer. Der Herausgabeanspruch ist für den Leasinggeber wirtschaftlich ohne besondere Bedeutung, da das Wirtschaftsgut von ihm nach Ablauf des Leasingvertrags nicht gewinnbringend verwertet werden kann. |
Abb. 18:
Zurechnung des Leasinggegenstands bei einem Teilamortisationsvertrag über bewegliche Wirtschaftsgüter
Abb. 19:
Zurechnung des Leasinggegenstands bei einem Teilamortisationsvertrag über unbewegliche Wirtschaftsgüter
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