– | Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Principle) |
– | Grundsatz der Pagatorik (Grundsatz der Zahlungsverrechnung, Nominalwertprinzip) |
– | Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung. |
1. Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Principle)
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Der Grundsatz der Unternehmensfortführung, der auch als Going-Concern-Principle bezeichnet wird, beinhaltet die Aussage, dass bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist. Für die Bewertung der Aktiva und Passiva ist der Grundsatz der Unternehmensfortführung in § 252 Abs. 1 Nr 2 HGB festgehalten. Für die Bilanzierung gilt er als nicht kodifizierter Grundsatz. Im Steuerrecht ergibt sich das Going-Concern-Principle aus der in § 6 Abs. 1 Nr 1 S. 3 EStG enthaltenen Definition des Wertmaßstabs „Teilwert“, wonach bei der Ableitung des Werts eines Wirtschaftsguts von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist.
Der Grundsatz der Unternehmensfortführung bedingt, dass in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz keine Liquidationswerte bzw (Einzel-)Veräußerungspreise anzusetzen sind, sondern die Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit ihren (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind. Für den Ansatz dem Grunde nach besagt das Going-Concern-Principle, dass keine Verpflichtungen passiviert werden dürfen, die nur bei Auflösung des Unternehmens entstehen (wie beispielsweise Verpflichtungen aus einem Sozialplan), und dass der Umfang der Aktiva nicht auf im Zerschlagungsfall (einzeln) veräußerbare Vermögenswerte beschränkt ist.
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Die Annahme der Unternehmensfortführung ist so lange aufrechtzuerhalten, so lange dieser Annahme nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr 2 HGB). Die Fortführungsprämisse ist jedoch nicht bereits dann aufzugeben, wenn Zweifel auftreten, ob bzw wie lange das Unternehmen bestehen wird. Vielmehr ist vom Grundsatz der Unternehmensfortführung erst dann abzuweichen, wenn konkrete rechtliche oder wirtschaftliche Gegebenheiten eine Beendigung der Unternehmenstätigkeit erwarten lassen. Beispiele hierfür sind die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, ein Beschluss der Gesellschafter, das Unternehmen aufzulösen, oder die Erteilung eines behördlichen Produktionsverbots.
2. Grundsatz der Pagatorik (Grundsatz der Zahlungsverrechnung, Nominalwertprinzip)
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Aufwendungen und Erträge sind unabhängig vom Zeitpunkt der entsprechenden Zahlungen zu berücksichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr 5 HGB). Durch diese Vorgabe werden nicht nur die Periodisierungsgrundsätze angesprochen.[1] Gleichzeitig wird deutlich, dass nach dem Grundsatz der Pagatorik (Grundsatz der Zahlungsverrechnung) der externen Rechnungslegung Ein- und Auszahlungen zugrunde liegen. Über die Periodisierungsgrundsätze wird bestimmt, in welcher Periode die Zahlungsvorgänge als Ertrag oder als Aufwand erfolgswirksam werden. Durch den Grundsatz der Pagatorik unterscheidet sich die externe Rechnungslegung grundlegend von der Kostenrechnung.
Der Grundsatz der Zahlungsverrechnung besagt, dass für die handels- und steuerrechtliche Gewinnermittlung von den tatsächlich angefallenen Zahlungen auszugehen ist. Ein Ansatz von kalkulatorischen Rechenelementen ist ausgeschlossen: (1) Kalkulatorische Werte (Zusatzkosten), wie der kalkulatorische Unternehmerlohn, kalkulatorische Mieten oder kalkulatorische Zinsen, gehen in die Gewinn- und Verlustrechnung nicht ein. (2) Aufwendungen (zB Verbrauch von Roh–, Hilfs- und Betriebsstoffen, Abschreibungen von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens) sind mit den beim Erwerb geleisteten Auszahlungen („historische“ Werte) zu bewerten, nicht mit ihren Wiederbeschaffungskosten („aktuelle“ Tageswerte).
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Der Grundsatz der Pagatorik dient der Objektivierung. Beim Ansatz kalkulatorischer Werte (Zusatzkosten) sowie bei einer Bewertung auf Basis von Wiederbeschaffungskosten würden dem Bilanzierenden erhebliche Ermessensspielräume verbleiben. Die Verwendung von verhältnismäßig eindeutigen Wertmaßstäben – wie (fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten – ist auch mit dem für die Besteuerung zu beachtenden Grundsatz der Rechtssicherheit (Tatbestandsbestimmtheit) vereinbar.
Der Grundsatz der Zahlungsverrechnung hat zur Folge, dass für die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung das Nominalwertprinzip gilt. Als Gewinn wird jede Vermögensmehrung angesehen, die über das nominell eingesetzte Eigenkapital hinausgeht. Es wird nicht danach differenziert, welcher Teil der Reinvermögensmehrung durch einen (realen) Gewinn und welcher Teil lediglich durch die Geldentwertung (Scheingewinn) bedingt ist. Durch das Nominalwertprinzip wird auch eine Gleichbehandlung mit anderen Einkunftsarten erreicht, bei denen gleichfalls auf die tatsächlich angefallenen Ein- und Auszahlungen abgestellt wird. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass bei einem Betriebsvermögensvergleich nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung abgestellt wird, sondern eine Periodisierung von Ein- und Auszahlungen in Erträge und Aufwendungen vorgenommen wird. Die Abweichungen beschränken sich auf einen Zeiteffekt, der sowohl positiv als auch negativ sein kann.
Anmerkungen
Zu den Periodisierungsgrundsätzen siehe die Erläuterungen in Kapitel V., Rn. 97–121.
3. Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung
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Vermögensgegenstände und Schulden (Handelsbilanz) bzw aktive und passive Wirtschaftsgüter (Steuerbilanz) sind zum Abschlussstichtag einzeln, dh jeweils für sich, zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr 3 HGB, Einleitungssatz zu § 6 Abs. 1 EStG). Obwohl sich die gesetzliche Formulierung nur auf den Ansatz der Höhe nach bezieht, ist es unstrittig, dass der Einzelbewertungsgrundsatz auch im Rahmen der Bilanzierung, dh beim Ansatz dem Grunde nach, zu beachten ist: Eine getrennte Bewertung setzt eine getrennte Erfassung der Bilanzierungsobjekte voraus (Grundsatz der Einzelerfassung).
Der Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung besagt, dass jeder wirtschaftliche Sachverhalt (zB Erwerb einer Sache oder Eingehen einer Verpflichtung) für sich zu erfassen und für sich zu bewerten ist. Dies wird insbesondere in den Inventurvorschriften deutlich. Diese schreiben vor, dass der Kaufmann seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Güter genau zu verzeichnen und dabei den Wert der „einzelnen“ Positionen anzugeben hat (§ 240 Abs. 1 HGB). Der Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung verhindert die gemeinsame Bewertung mehrerer Vermögensgegenstände oder Schulden. Dieser Systemgrundsatz weist einen starken Bezug zum Saldierungsverbot auf. Nach dem zum Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gehörenden Saldierungsverbot dürfen Posten der Aktivseite nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen nicht mit Erträgen und Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden (§ 246 Abs. 2 S. 1 HGB).
Unter dem Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung wird verstanden, dass für jeden Vermögensgegenstand und für jede Schuld eine getrennte Wertermittlung vorzunehmen ist. Dieser Grundsatz betrifft die Wertermittlung bei der Inventur, nicht den Ausweis in der Bilanz. Die im Inventar getrennt ermittelten Werte der einzelnen Aktiva und Passiva sind in der Bilanz postenbezogen zusammenzufassen.
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