Anmerkungen
Zur Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips siehe Velte, Ubg 2015, S. 265.
Vgl Döllerer, BB 1971, S. 1333; Moxter, BB 1997, S. 195. Siehe auch die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum Bilanzrichtlinie-Gesetz in Bundestag-Drucksache 10/4268, S. 146. Zur Kritik des Teilhabergedankens siehe zB Wagner, BB 2002, S. 1885: Beim Teilhabergedanken wird auf das Unternehmen als solches abgestellt. Bezieht man auch die Anteilseigner mit ein, geht es nicht um die Gleichbehandlung von Anteilseignern und Staat, sondern um das Verhältnis zwischen Investitionen in ein Unternehmen oder einer anderweitigen Verwendung der finanziellen Mittel (zB Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren).
Vgl Mellwig, BFuP 1989, S. 163.
Zur körperschaftsteuerlichen- und gewerbesteuerlichen Organschaft siehe Band I, Rn. 828 ff. sowie Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 10. Aufl., Herne 2017, S. 8–263; Schumacher, Die Organschaft im Steuerrecht, 3. Aufl., Berlin 2016, S. 25–237.
II. Inhalt des Maßgeblichkeitsprinzips
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Ausgangspunkt des Maßgeblichkeitsprinzips bildet § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG. Diese Vorschrift sieht vor, dass Gewerbetreibende, die ihren Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich ermitteln, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen haben, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Für gewerblich tätige Steuerpflichtige, die aufgrund von handels- oder steuerrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtig sind (§ 140, § 141 AO) oder die freiwillig eine Buchführung einrichten, bildet folglich ein den GoB entsprechender Abschluss die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung.
Das Maßgeblichkeitsprinzip bezieht sich auf jeden einzelnen Geschäftsvorfall. Es gilt für jedes einzelne (aktive oder passive) Wirtschaftsgut. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz beschränkt sich nicht auf das Gesamtergebnis.
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Die Interpretation des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ist nicht eindeutig. Für die Auslegung dieser Vorschrift sind prinzipiell zwei Positionen denkbar:
– | materielle Maßgeblichkeit |
– | formelle Maßgeblichkeit. |
Die materielle Maßgeblichkeit ist erfüllt, wenn die Steuerbilanzansätze mit den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften abstrakt vereinbar sind. Es wird auf die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als solche abgestellt, nicht auf den konkreten Wertansatz. Nach der materiellen Maßgeblichkeit dürfen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte in den beiden Rechnungslegungsinstrumenten in unterschiedlicher Weise ausgeübt werden. Handels- und Steuerbilanz können übereinstimmen, sie müssen es aber nicht. Nach der materiellen Maßgeblichkeit wird die steuerliche Gewinnermittlung durch handelsrechtliche Regelungen nur insoweit eingeschränkt, als die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung den Rahmen darstellen, innerhalb dessen die Steuerbilanz (eigenständig) gestaltet werden kann.
Die formelle Maßgeblichkeit stellt zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz eine wesentlich engere Verknüpfung her als die materielle Maßgeblichkeit. Nach der formellen Maßgeblichkeit gelten in der Handels- und Steuerbilanz nicht nur die gleichen Rahmenbedingungen, vielmehr ist der in der Handelsbilanz enthaltene konkrete Wert in die Steuerbilanz zu übernehmen.
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§ 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 EStG sieht vor, dass der handelsrechtliche Wertansatz nicht übernommen werden muss, wenn im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts ein davon abweichender Ansatz gewählt wird. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist die materielle Maßgeblichkeit der formellen Maßgeblichkeit vorzuziehen. Aufgrund des allgemein für die Besteuerung geltenden Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit (§ 38 AO) ist jedoch im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung dem Objektivierungsgedanken eine hohe Bedeutung beizumessen. Will man im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit (Tatbestandsmäßigkeit und insbesondere Tatbestandsbestimmtheit der Besteuerung) den Ermessensspielraum des Bilanzierenden so weit wie möglich einschränken, sind die Anforderungen an den Nachweis für den gewählten Bilanzansatz im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung streng zu formulieren:
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– Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung sollten grundsätzlich keine Wahlrechte gewährt werden. Durch die Vorgabe verbindlicher Bilanzierungs- und Bewertungsregeln für die Steuerbilanz ist (eher) gewährleistet, dass die Besteuerungsgrundlagen eindeutig formuliert sind, sodass die Steuerpflichtigen die Verteilung des Gesamtgewinns auf die einzelnen Perioden nicht selbst festlegen können. Die Einschränkung des Umfangs der Wahlrechte dient gleichzeitig dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Eine Ausnahme gilt für Wahlrechte, die auf Vereinfachungsüberlegungen beruhen (wie Wahlrechte zum Einbezug von den Gemeinkosten in die Herstellungskosten, die von geringem Wert sind und nur schwer zuordenbar sind, sowie Festbewertung und Gruppenbewertung zur Vereinfachung der Inventur). Aufgrund der mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit untrennbar verbundenen Objektivierungsüberlegungen ist allerdings zu fordern, dass derartige Wahlrechte in der Steuerbilanz in gleicher Weise auszuüben sind wie in der handelsrechtlichen Rechnungslegung.
Eine Sonderstellung nehmen Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen, Bewertungsabschläge und steuerfreie Rücklagen ein (zB Übertragung von stillen Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter nach § 6b EStG oder R 6.6 EStR, Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe nach § 7g Abs. 5, 6 EStG, erhöhte Absetzungen für Gebäude in einem Sanierungsgebiet nach § 7h EStG oder für Baudenkmäler nach § 7i EStG) und die im Umwandlungssteuergesetz enthaltenen Wahlrechte, beim Wechsel der Rechtsform die stillen Reserven aufzulösen oder die bisherigen Buchwerte fortzuführen. Ihre Zielsetzung besteht darin, Investitionen zu fördern (Gewährung eines positiven Zeiteffekts) bzw unternehmerische Umstrukturierungen nicht durch die Auflösung und sofortige Besteuerung von stillen Reserven zu behindern (Vermeidung eines negativen Zeiteffekts). Diese auf dem Lenkungszweck der Besteuerung beruhenden Wahlrechte können nach § 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 EStG unabhängig von der Vorgehensweise in der Handelsbilanz ausgeübt werden. Insoweit muss das Maßgeblichkeitsprinzip nicht beachtet werden.[1]
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– Ermessensspielräume wirken sich in gleicher Weise auf die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage aus wie Ansatz- und Bewertungswahlrechte. Ermessensspielräume unterscheiden sich von Wahlrechten lediglich dadurch, dass sie gesetzlich nicht kodifiziert sind. Ermessensspielräume resultieren zum einen aus unbestimmten Rechtsbegriffen und zum anderen aus Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation gesetzlicher Vorschriften. Die folgende beispielhafte Aufzählung verdeutlicht die große Bedeutung von Ermessensspielräumen im Rahmen der steuerlichen Bilanzierung. Es bestehen Spielräume bei der Ermittlung