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Der „Amtsträger“ ist typischer Täter einer Vorteilsannahme (§ 331) bzw. der Bestechlichkeit (§ 332) und ebenso klassischer Adressat der Vorteilsgewährung (§ 333) bzw. der Bestechung (§ 334). Auch in der Praxis geht es nicht selten vorentscheidend darum, ob die handelnden Personen „Amtsträger“ sind oder nicht.
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Der „Amtsträger“ ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2a-c legal definiert. Daraus sollte eigentlich folgen, dass der Begriff „Amtsträger“ in allen Tatbeständen, in denen er verwendet wird, einheitlich definiert wird und der Rechtsanwender damit von jeglicher Anstrengung, insbesondere von den „Kunststücken“ teleologischer Begriffsausfüllung entlastet ist. Diese „Einheitslösung“ ist pragmatisch, zugleich aber der Rechtssicherheit verbunden, weil sie die recht heteronomen Vorschriften, in denen der „Amtsträger“ als Täter, Opfer oder sonst wie vorkommt,[1] von allen teleologischen Unwägbarkeiten befreit. Für sie spricht i. Ü. auch der Wortlaut des § 11 Abs. 1 („Im Sinne dieses Gesetzes ist ...“).[2] Abgesehen davon wäre die Verwendung von Legaldefinitionen im Allgemeinen Teil als gleichsam vor die Klammer gezogene Regeln für den Besonderen Teil überflüssig, wenn die, gerade bei den Amtsdelikten überaus vagen und daher teleologisch flexibel nutzbaren Rechtsgüter letztlich dann doch zu unterschiedlichen Amtsträger-Begriffen führten. Auch der Versuch, den je unterschiedlichen Zweck der Vorschriften, in denen der „Amtsträger“ erscheint, in einem gemeinsamen Vielfachen zu bündeln, ist wenig erfolgsträchtig, weil Widerstand (§ 113) und Korruption (§§ 331 f.) kaum teleologisch relevante Gemeinsamkeiten aufweisen.[3] Der BGH folgt dem Gedanken des Einheits-Amtsträgers nicht. Er sieht sich – zumindest bei der Auslegung des Begriffs des „sonstigen Amtsträgers“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2c) – nicht gehindert, diesen Begriff in Ansehung seiner Verwendung in den §§ 331 ff. „unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes“ zu interpretieren.[4] Dass der BGH sich mit der in der Literatur an Boden gewinnenden Auffassung, der zu Folge die Legaldefinitionen des § 11 dem Gericht die Möglichkeit einer deliktsbezogenen Auslegung nehmen solle,[5] nicht auseinandersetzt, überrascht nicht.
Teil 1 Korruptionsdelikte, §§ 331–336 StGB › B › II. Amtsträger – Einzelheiten
1. Amtsträger – § 11 Abs. 1 Nr. 2a
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Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2a ist Amtsträger, „wer nach deutschem Recht (…) Beamter oder Richter ist“.[6]
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Der damit angesprochene „Beamte im staatsrechtlichen Sinn“ ist nach herkömmlicher Auffassung eine Person, die sich freiwillig unter förmlicher Berufung in ein öffentlich-rechtliches Sonderverhältnis begibt, das für den Betreffenden Dienst- und Treuepflichten und für den Staat Schutz- und Unterhaltspflichten begründet.[7] Auf den Dienstherrn (Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband, Körperschaft) kommt es nicht an.[8] Ohne Bedeutung ist auch, ob eine Ernennung (§ 5 Abs. 1 BRRG) stattgefunden hat oder ob der Beamtenstatus unmittelbar durch einen Wahlakt bzw. eine Wahlannahmeerklärung erworben wurde.[9] Auch sog. Ehrenbeamte (§§ 3 Abs. 2; 115 BRRG) fallen unter § 11 Abs. 1 Nr. 2a.
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Fraglich – und im Ergebnis zu verneinen - ist allerdings, ob auch solche Ehrenbeamte, die ihr Amt auf Grund einer entsprechenden gesetzlichen Pflicht zu übernehmen hatten,[10] „Amtsträger“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2a sind. Die h. M. bejaht das unter Aufgabe des Erfordernisses der Freiwilligkeit der Übernahme der „Amtsträgereigenschaft“[11] mit dem – u. a. zirkulären – Argument, ehrenamtliche Richter, die zum größten Teil auch zur Amtsübernahme verpflichtet seien, würden durch § 11 Abs. 1 Nr. 3 auch zu „Amtsträgern“. Letzteres ist dem Gesetz zumindest unmittelbar nicht zu entnehmen, würde aber, selbst wenn es zuträfe, nichts besagen. Immerhin ist in § 11 Abs. 1 Nr. 3 der „ehrenamtliche“ Richter ausdrücklich genannt, nicht aber der „Ehrenbeamte“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2a![12]
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Von geringer praktischer Bedeutung sind Fragen in Zusammenhang mit der verwaltungsrechtlichen Wirksamkeit der Begründung des Beamtenstatus. Einigkeit besteht darüber, dass im Falle einer sog. „Nicht-Ernennung“, d. h. bei Fehlen der beamtenrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen, kein „Amtsträger“ kreiert wird. [13]
10
Entsprechendes sollte auch für eine Ernennung gelten, die etwa gem. § 8 BRRG nichtig ist, mögen auch die Handlungen der Betroffenen als „Amtshandlungen“ gelten und wirksam sein.[14]
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Die Gegenmeinung[15] übersieht, dass der Begriff des „Amtsträgers“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2a ein rein formaler ist.
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Der nichtige Ernennungsakt mag ggf. in eine „Bestellung“ zu einem „sonstigen Amtsträger“ nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c „umgedeutet“ werden können, das ändert jedoch nichts daran, dass es einen „Beamten“ – ex tunc – nie gegeben und der „Schein-Amtsträger“ daher objektiv auch nie ein öffentliches Amt repräsentiert hat.
13
In Zusammenhang mit den Korruptionsdelikten stellt sich die Frage, wie (ggf. vorläufig) dienstenthobene, beurlaubte oder Ruhestands-Beamte in Zusammenhang mit § 11 Abs. 1 Nr. 2a zu behandeln sind, nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn sie trotz ihrer (temporären) „Amts-Ferne“ Diensthandlungen i.S.d. §§ 331 ff. vornehmen (wollen bzw. sollen) und dafür Vorteile erhalten (wollen bzw. sollen), also die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 331 ff. vorliegen. Da § 11 Abs. 1 Nr. 2a an das Beamtenverhältnis im statusrechtlichen Sinn anknüpft, kommen beurlaubte und vorläufig in den Ruhestand versetzte oder vorläufig dienstenthobene Beamte zwar grundsätzlich als „Amtsträger“ in Betracht, werden allerdings im Allgemeinen nicht (mehr) mit amtlichen Aufgaben betraut werden.
14
Letzteres ist aber nach der Rechtsprechung Voraussetzung für die Begründung der Amtsträgereigenschaft;[16] die bloße formale Rechtsstellung reicht nicht.[17]
15
Zur Verdeutlichung mag die „Deutsche Bahn AG“-Entscheidung des BGH[18] dienen:
Es ging um eine etwaige Bestechung (§ 334) eines beurlaubten Beamten der Deutschen Bundesbahn (vgl. § 12 Abs. 1 DBGrG). Der BGH betrachtet den beurlaubten Beamten, der auf der Grundlage eines (neuen) Anstellungsvertrages mit der Deutschen Bahn AG tätig war, zwar statusmäßig als Beamten, prüft (und verneint) dann jedoch die Frage, ob die nunmehr ausgeübte Tätigkeit als „amtliche Aufgabe“ ausgeübt werde.[19]
16
Kirchliche Amtsträger sind grundsätzlich keine „Beamte“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2a. Sie unterfallen auch sonst, d. h. etwa in Ansehung von § 11 Abs. 1 Nr. 2b, 4 nicht dem Amtsträgerbegriff.[20] Auch wenn die großen Religionsgemeinschaften formal Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV),