BGH NJW 2002, 3240, 3244; OLG Hamburg FGPrax 1996, 132, 133.
Zutreffend LG Leipzig WM 2014, 1341, 1342.
BGH NJW 2016, 3015 Rn. 28 ff.
Graf von Westphalen NJW 2017, 2237, 2239.
III. Vom Verwender vorformulierte einseitige Erklärungen der Gegenseite
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Tipp
Wenn einseitige Erklärungen einer Vertragspartei von der anderen vorformuliert werden, handelt es sich immer um „Vertragsbedingungen“; dies auch dann, wenn jene Erklärungen gesondert zu unterschreiben sind.
1. Einwilligung des Patienten in ärztlichen Eingriff
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Beispiel 5
In einem Krankenhausaufnahmevertrag findet sich die folgende vorformulierte Klausel: „Die innere Leichenschau kann vorgenommen werden, wenn sie zur Feststellung der Todesursache aus ärztlicher Sicht notwendig ist oder wenn ein wissenschaftliches Interesse besteht.“[1]
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Man könnte hier im Beispiel 5 am Vorliegen einer „Vertragsbedingung“ zweifeln, weil das Einverständnis des Patienten mit der Öffnung seiner Leiche eine einseitige Erklärung verkörpere, deren rechtsgeschäftlicher Charakter zudem höchst zweifelhaft sei. Der BGH hat dies alles offengelassen; denn die Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen (jetzt §§ 305 ff. BGB) seien gleichwohl anzuwenden[2].
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Diese Ansicht verdient Zustimmung. Man darf sich nicht von dem Umstand blenden lassen, dass der Patient hier einseitig die Klinik zur Leichenöffnung ermächtigt. Denn diese Ermächtigung ist eingebettet in den Kontext eines Vertragsschlusses: Es kommt ein Vertrag über die Aufnahme als Patient in einem Krankenhaus zustande. Dieser Vertrag bildet den Rechtsgrund für die Einwilligung in die Leichenöffnung. Ganz ohne Zweifel wäre eine „Vertragsbedingung“ zu bejahen, wenn der Patient sich unter den genannten Umständen zur Erteilung dieser Einwilligung verpflichtet hätte. Eine solche Vertragsgestaltung hätte freilich kaum einen rechten Sinn ergeben, konnte doch die Einwilligung bereits mit Vertragsschluss erklärt werden. Indem der Patient bereits mit Vertragsschluss in die Öffnung einwilligt, wird also praktisch die Verpflichtung hierzu sofort erfüllt. In der Sache hält der BGH das vorformulierte Einverständnis des Patienten mit der inneren Leichenschau für wirksam, sofern in den Vertragsbedingungen klargestellt ist, dass der Patient die Einwilligung jederzeit ohne formale Erschwernisse widerrufen kann[3].
2. Einverständnis mit Werbung oder Datenweitergabe
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Beispiel 6
Eine Bank verwendet im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden Formulare. An deren Ende findet sich ein vom Kunden gesondert zu unterschreibender Passus: „Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Bank mich telefonisch zum Zwecke der Beratung anspricht. Dieses Einverständnis umfasst die Werbung für die Produkte der Bank. Es ist jederzeit widerruflich.“
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Die Einverständniserklärung im Beispiel 6 ist von der Bank für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Zweifelhaft ist aber, ob es sich bei ihr um eine Vertragsbedingung handelt. Denn es handelt sich um eine vom übrigen Vertragsinhalt abgesonderte, einseitige Erklärung des Kunden[4]. Der Kunde wird auch nicht verpflichtet, dies Einverständnis überhaupt zu unterschreiben. Dennoch hat der BGH mit Recht eine „Vertragsbedingung“ und damit eine AGB angenommen: Für das Vorliegen einer „Vertragsbedingung“ sei es ausreichend, wenn eine einseitige Erklärung im Zusammenhang mit der Anbahnung einer vertraglichen Beziehung unterschrieben werde. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Kunde diese Erklärung gesondert unterschreiben müsse. Entscheidend sei, dass auch bei solchermaßen vorformulierten einseitigen Erklärungen der Verwender einseitig die vertragliche Gestaltungsfreiheit in Anspruch nehme[5]. Der AGB-Charakter der Klausel wird nicht dadurch berührt, dass der Kunde sie gesondert unterschreiben soll (vgl. § 305 I 2 BGB), und ebenso wenig dadurch, dass der Vertragsschluss nicht scheitert, wenn der Kunde nicht unterschreibt: Für eine AGB genügt es, dass sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Sie muss nicht in jedem Fall nach der Vorstellung des Verwenders condicio sine qua non für den Vertragsschluss sein. Andernfalls wäre die Anordnung in § 305 I 2 BGB, wonach AGB auch bei äußerlich gesonderten Urkunden vorliegen können, weithin gegenstandslos: Die Trennung vom Restvertrag soll es im Regelfall gerade ermöglichen, die gesonderte Erklärung unabhängig von diesem Vertrag abzugeben. Der AGB-Charakter wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vorformulierte Einwilligung auf einem Textfeld niedergeschrieben ist, das der Kunde individuell markieren (z.B. ankreuzen) muss, um sein Einverständnis zu signalisieren (sog. Opt in)[6]. Das folgt aus einem Erst-Recht-Schluss aus § 305 I 2 BGB: Wenn schon eine gesonderte Unterschrift nichts am AGB-Charakter der Klausel ändert, dann erst recht nicht ein bloßes Ankreuzen.
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In der Sache hielt der BGH das vorformulierte Einverständnis mit Werbeanrufen zunächst für kategorisch unwirksam[7]: Unaufgeforderte Anrufe eines Gewerbetreibenden bei potentiellen Kunden zu Werbezwecken seien wettbewerbswidrig (§ 7 II Nr. 2 UWG), weil sie in die Privatsphäre des Kunden eindrängen und ihn unvorbereitet mit Werbebotschaften konfrontierten, denen sich der Kunde nur schwer entziehen könne, ohne unhöflich zu werden. Für den Fall, dass mit der Erteilung des Einverständnisses die Teilnahme an einem Gewinnspiel verbunden war, erörterten die Instanzgerichte immerhin die Möglichkeit, dass die vorformulierte Einwilligung wirksam sein könne, wenn sie so gefasst sei, dass nur Anrufe/Mails/SMS zulässig seien, die mit dem Gewinnspiel in Zusammenhang stünden[8]. Der BGH hält die vorformulierte Einwilligung mittlerweile für wirksam, wenn hierin klargestellt werde, für welche Produkte oder welche Dienstleistungen welches Unternehmens geworben werden dürfe[9]. Hält das vorformulierte Einverständnis diese Grenze nicht ein, so ist es unwirksam. Daran kann selbst der Umstand nichts ändern, dass die Einwilligung widerrufen werden kann[10]. Denn der Kunde muss dann selbst aktiv werden, um das Eindringen des Verwenders in seine Privatsphäre abzuwehren. Für unwirksam erklärt wurde auch das vorformulierte Einverständnis mit Werbung per E-Mail oder SMS[11]. Folgt man dem BGH freilich darin, dass die Einwilligung in Telefonwerbung innerhalb der soeben beschriebenen Grenzen wirksam erteilt werden kann, so gilt dies in gleicher Weise für das Einverständnis mit Werbung, die sich mittels anderer Kommunikationsmedien an den Kunden wendet. Für die Werbung mit E-Mails hat der BGH folgerichtig eben dies ausgesprochen[12].
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Besonders