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Die Klausel in Beispiel 2 a) ist „Vertragsbedingung“. Denn der Kunde erklärt sich, indem er die Klausel akzeptiert, bereit, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung mit einem bestimmten Inhalt gegen sich gelten zu lassen – nämlich mit dem Inhalt, dass die Reise nach Maßgabe des Reiseprospekts gebucht wird. Mit diesem Inhalt ist die Klausel nach § 307 I 1 BGB unwirksam[4]. Denn der Kunde bucht die Reise auf der Basis der Beschreibung im Internet und nicht auf der Basis eines Prospekts, den er im Zeitpunkt der Buchung noch gar nicht gelesen haben kann. Wenn also die Angaben im Prospekt von denen im Internet abweichen, wird der Vertragserklärung des Kunden ein anderer Inhalt als derjenige beigelegt, den der Reiseveranstalter nach §§ 133, 157 BGB als vom Kunden gewollt ansehen muss.
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Die Klausel im Beispiel 2 b) ist „Vertragsbedingung“. Denn der Kunde lässt sich, indem er die Klausel akzeptiert, darauf ein, dass der Händler bestimmt, wie und vor allem wann ein Vertrag zustande kommt. Da eine bestimmte Frist nicht genannt ist, innerhalb derer die Bestellung des Kunden angenommen worden sein muss, weicht die Klausel von § 147 II BGB ab. Sie ist nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam[5]. Sie enthält insbesondere nicht eine bloße Wiederholung der in § 147 II BGB getroffenen Regelung[6]. Denn sie ist so zu lesen, dass der Händler die Bestellung zu jedem beliebigen Zeitpunkt annehmen und den Vertrag zustande bringen kann. Damit ist der Kunde unbefristet an sein Angebot gebunden. Die Annahmefrist ist mit anderen Worten „nicht hinreichend bestimmt“.
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Um die Annahmefrist in einem solchen Fall mit hinreichender Bestimmtheit zu versehen, müsste der Verwender wenigstens zusätzlich angeben, bis wann er spätestes die Ware versenden bzw. mit der bestellten Leistung beginnen wird. Bei einem Stromlieferungsvertrag hat der BGH eine Klausel gebilligt, wonach der Vertrag wirksam wird, wenn der Versorger dem Kunden die Bestellung bestätigt und der Beginn der Belieferung mitteilt, spätestens aber mit Beginn der Belieferung[7]. Die Klausel war deshalb wirksam, weil sie speziell auf den Fall des Lieferantenwechsels gemünzt war (hier kann es bei der Beendigung des Altvertrages immer zu Verzögerungen kommen) und weil in den AGB des Versorgers zugleich vermerkt war, wann mit der Belieferung begonnen werden sollte – nämlich bei Bestellungen bis zum 20. eines Monats zu Beginn des übernächsten Monats. Ohne derartige Besonderheiten ist auch in Stromlieferungsverträgen eine Klausel, wonach der Vertrag mit schriftlicher Bestätigung seitens des Versorgers zustande kommt, nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam[8].
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§ 308 Nr. 1 BGB verbietet außerdem unangemessen lange Bindungsfristen. So wurde im Online-Versandhandel eine Bindungsfrist von fünf Tagen als zu lang befunden[9]. Erhebliche praktische Bedeutung haben Angebotsklauseln in Immobilienkaufverträgen erlangt. Bei bereits fertiggestellten[10] und ebenso bei noch zu errichtenden[11] Objekten (z.B. Eigentumswohnungen) ist dem Verkäufer nach Ansicht des BGH auf dem Boden des § 147 II BGB eine Annahmefrist von vier Wochen zuzubilligen: Das ist der Zeitraum, den der Verkäufer typischerweise benötigt, um die Bonität des Kaufinteressenten zu prüfen. Bindungsfristen in AGB, die wesentlich darüber hinausreichen, sind nach § 308 Nr. 1 BGB unzulässig. Deshalb hat der BGH eine (als AGB zu qualifizierende) Klausel, wonach der Käufer vier Monate und drei Wochen an sein Angebot gebunden sein sollte, nach dieser Vorschrift für unwirksam erklärt[12]. Eine sechswöchige Bindung des Käufers an sein Angebot in AGB des Verkäufers wurde vom OLG Dresden toleriert[13], vom BGH aber für unangemessen lang erklärt[14], weil der Verkäufer nach Ansicht des BGH kein schutzwürdiges Interesse an einer wesentlichen Verlängerung der gesetzlichen Bindungsfrist ins Feld führen konnte. Und selbst wenn solche Interessen doch einmal anzuerkennen sind, beträgt die absolute Höchstgrenze für eine zulässige Angebotsbindung in AGB eines Immobilienverkäufers nach Ansicht des BGH drei Monate[15]. Die Annahmefrist beginnt auf dem Boden des § 147 II BGB mit der Absendung des Angebots. Klauseln in AGB des Verkäufers, die den Fristbeginn von Umständen abhängig machen, welche der Kaufinteressent nicht beeinflussen kann (z.B. Eingang des Angebots beim Verkäufer), sind i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB „nicht hinreichend bestimmt“ und damit unwirksam[16]. Keinen gangbaren Ausweg bildet es, wenn der Verkäufer das Kaufangebot sofort annimmt, sich aber durch AGB den Rücktritt vorbehält. Denn diese Klausel erzielt ein ähnliches Ergebnis wie eine einseitige Bindung des Käufers an sein Angebot. Sie hält daher einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 3 BGB nicht stand, wenn der Verkäufer nicht in der Lage ist, ein Interesse an der Schwebelage darzutun, welches so gewichtig ist, dass es auch eine Angebotsbindungsklausel am Maßstab des § 308 Nr. 1 BGB zu rechtfertigen vermöchte[17].
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§ 308 Nr. 1 BGB wirkt sich ferner bei Fortgeltungsklauseln auf, die ebenfalls im Grundstücksverkehr verwendet wurden. Danach gilt ein Kaufangebot nach Ablauf der Bindungsfrist als unwiderrufliches Angebot weiter, kann also vom Verkäufer (der diese Klausel in AGB verwendet) immer noch angenommen werden, wenn es nicht vorher vom Kaufinteressenten widerrufen worden ist. Ob eine solche Fortgeltungsklausel in AGB wirksam ist, ist streitig. Einige halten sie für wirksam, weil der Verwender sich bei einem widerruflichen Angebot schon im Ansatz keine Annahmefrist vorbehalte[18]. Andere fordern für ihre Wirksamkeit, dass die Fortgeltung zeitlich begrenzt wird[19]. Der BGH hält mit Recht jedenfalls eine unbefristete Fortgeltungsklausel für unwirksam. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kaufinteressent sein Angebot widerrufen kann[20]: Solange das Angebot weiter gilt, weiß der Klauselgegner nicht, ob es noch zum Vertragsschluss kommt; er kann, wenn die Annahme erst nach langer Zeit erklärt wird, von dieser überrascht werden.
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Schwierigkeiten bereiten Angebotsbindungsklauseln in Wohnraummietverträgen. Wenn der Mieter, typischerweise nach Besichtigung der Wohnung, sein Interesse am Abschluss eines Mietvertrags bekundet, wird man einerseits dem Vermieter eine gewisse Bedenkzeit einräumen müssen, bis er ein entsprechendes Vertragsangebot annimmt; er mag etwa Informationen über die Bonität des Mieters und dessen Verträglichkeit und Zuverlässigkeit als Vertragspartner einholen wollen[21]. Andererseits wäre der Mieter, solange er an ein Vertragsangebot gebunden ist, faktisch daran gehindert, sich anderweitig nach Wohnungen umzusehen – was umso schwerer wiegt, als der Wohnraumbedarf in den meisten Fällen innerhalb eines kurzen Zeitfensters gedeckt werden muss[22]. Und da der Mietvertrag nach § 550 BGB der Schriftform bedarf, kann sich ohnehin keine der beiden Parteien sicher sein, dass der Vertrag zustande kommt, bevor er unterschrieben ist. Für die gewillkürte Schriftform hat eben dieser Gedanke in § 154 II BGB Ausdruck gefunden. Nun haben wir es bei § 550 BGB mit einer gesetzlichen Schriftform zu tun, deren Nichteinhaltung freilich nicht wie sonst (§ 125 S. 1 BGB) zur Nichtigkeit des Vertrags im Ganzen, sondern nur zum Wegfall seiner Befristung führt. Die Interessenlage ist jedoch keine andere als bei der gewillkürten Schriftform. Wenn aber ohnehin keine Partei vor der schriftlichen Fixierung des Vertrags endgültige Sicherheit erwarten darf, kann dies nur bedeuten, dass die Bindung der Parteien an ein abgegebenes Vertragsangebot i.S.d. § 145 Hs. 2 BGB ausgeschlossen ist; der Ausschluss ergibt sich zwar nicht aus einer ausdrücklichen Erklärung des Antragenden, wohl aber aus den Umständen. Eine Klausel in AGB des Vermieters, dass der Mieter – egal wie lang oder kurz – an sein Angebot gebunden ist, weicht folglich von § 145 Hs. 2 BGB ab und unterliegt daher nach § 307 III 1 BGB der Inhaltskontrolle. Für den Mieter ist eine solche Bindung angesichts der Situation, in der er sich bei der Wohnungssuche befindet, unzumutbar. Die Angebotsbindung in AGB des Vermieters ist daher nach § 307 I 1 BGB unwirksam[23]. Unwirksam ist konsequent auch eine Klausel, welche den Mieter für den