Schuldrecht Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Achim Bönninghaus
Издательство: Bookwire
Серия: JURIQ Erfolgstraining
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811476523
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der Zurechnungsfähigkeit nach § 276 Abs. 1 S. 2 ist dann zu fragen, ob die Person – individuell – die Einsichtsfähigkeit hatte, die Sorgfaltsmaßstäbe zu erkennen.

      Der 9 Jahre alte A und der 12 Jahre alte B beteiligen sich mit Gleichaltrigen an einem „Ritterspiel“, bei der eine Gruppe eine Mauer („Burg“) erstürmen soll, die von der anderen Gruppe verteidigt wird. Die Kinder „bewaffnen“ sich mit Holzlatten und spitzen Stöcken. A schleudert seinen Stock in den Rücken des ihm abgewandten und weglaufenden B. Als der Stock bereits durch die Luft fliegt, dreht sich der B plötzlich um und wird vom Stock im Auge getroffen. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Rahmen einer Haftung des A aus § 823 Abs. 1 kommt nicht in Betracht, da Kinder im Alter des A nicht erkennen können, dass durch ein solches Spiel derartige Verletzungen hervorgerufen werden können. Gleiches gilt für das Werfen von Stöcken in den Rücken weglaufender Personen. Minderjährige in diesem Alter können üblicherweise nicht vorhersehen, dass durch plötzliches Umdrehen weglaufender Personen und dem damit verbundenen Überraschungseffekt die Gefahr besonders schwerer Schäden durch Wurfgeschosse besteht. Auf die individuelle Einsichtsfähigkeit des A nach § 828 Abs. 3 kommt es deshalb nicht mehr an. Zu denken ist aber an eine Haftung aus § 829.

      2. Teil VertretenmüssenC. Vertretenmüssen wegen Verschuldens des Schuldners › III. Eigenes Verschulden bei „unnatürlichen“ Schuldnern

III. Eigenes Verschulden bei „unnatürlichen“ Schuldnern

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      Menschen können selbst handeln und sich daher – unter den Voraussetzungen der §§ 276 Abs. 1 S. 2, 827, 828 – selbst schuldhaft verhalten. Juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften können als abstrakte Gebilde hingegen nicht als solche handeln. Ihre reale Handlungsfähigkeit in der Lebenswirklichkeit wird erst durch die sog. Organe hergestellt. Diese Rechtsträger handeln durch ihre Organe. Organhandeln ist Eigenhandeln des jeweiligen Rechtsträgers, dem das Organ angehört.

      Beispiel für Organe

      Vorstand eines Vereins (§§ 26 ff.), einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. AktG) und einer Genossenschaft (§ 24 ff. GenG); der Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG); die Gesellschafter einer OHG (§§ 125 ff. HGB); die Komplementäre einer KG (nicht die Kommanditisten, vgl. §§ 125 ff., 161 Abs. 2, 170 HGB); die Partner einer Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 125 HGB).

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      Deswegen ist beim Punkt „eigenes Verschulden“ auf das Verhalten der jeweiligen Organe, Organmitglieder bzw. sonstiger Repräsentanten abzustellen. Dies folgt für den Verein ausdrücklich aus § 31.

      Hinweis

      § 31 ist keine Anspruchsgrundlage, sondern eine Hilfsnorm, mit der das Verhalten einer Person einem anderen Rechtsträger zugerechnet wird. Die Haftung selbst ergibt sich aus der jeweiligen Anspruchsgrundlage.

      Zu den unter § 31 fallenden Repräsentanten gehören neben den Organmitgliedern solche Personen, denen kraft Satzung oder durch interne Betriebsregelung wichtige Aufgabenbereiche innerhalb einer rechtsfähigen Vereinigung zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen sind und die die Vereinigung insoweit repräsentieren.

      Beispiele

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      Die Zurechnung nach § 31 (analog) setzt neben der Repräsentanteneigenschaft der betreffenden Person auch voraus, dass die Person „in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen“ gehandelt hat. Damit soll einerseits klargestellt werden, dass privates Verhalten der Repräsentanten kein Eigenhandeln der Vereinigung darstellt. Andererseits stellt § 31 nicht darauf ab, ob der Repräsentant innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat.

      Beispiel

      A und B sind Partner einer Rechtsanwaltssozietät (GbR). Der bei der Sozietät angestellte Rechtsanwalt R zieht im Auftrag des von ihm alleine betreuten Mandanten M Forderungen ein, die zunächst auf ein Fremdgeldkonto der Sozietät eingezahlt werden. Sodann hebt der R eigenmächtig die Gelder ab und verwendet die Beträge für private Zwecke.

      Hinweis

      Aus § 31 folgt nicht, dass die Organe bzw. sonstigen Repräsentanten selbst keiner persönlichen Haftung unterworfen sind, wenn sie eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begehen. Die in § 31 angeordnete Haftung begründet vielmehr eine zusätzliche Haftung der Vereinigung, die sie repräsentieren!

      Anmerkungen