Der festgestellte Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit könnte jedoch gerechtfertigt sein. Aufgrund des diskriminierenden Charakters der Maßnahme scheidet jedoch eine Rechtfertigung nach der Cassis-Formel[69] aus, sodass einzig die geschriebenen Rechtfertigungsgründe des Art. 36 AEUV die Maßnahme legitimieren können.
In Betracht kommt hier zunächst der Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes. Die Werbung für Regionalprodukte könnte das Ziel verfolgen, die Verbraucher zum Verzehr frischer und werthaltiger Kost zu bewegen. Ein solch allgemeiner Qualitätsschutz fällt allerdings nicht unter Art. 36 S. 1 AEUV, da er nicht primär im Interesse des Schutzes der Gesundheit erfolgt[70]. Zudem ist vorliegend die Kampagne nicht auf Lebensmittel beschränkt, sodass auch deshalb der Bezug zum Gesundheitsschutz nicht intensiv genug ist. Weiter könnte als Rechtfertigungsgrund der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums eingreifen. Der EuGH erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass geschützte geografische Herkunftsangaben unter bestimmten Voraussetzungen hierunter subsumiert werden können. Allerdings werden hier gerade keine solchen geschützt, so dass es auch nicht darauf ankäme inwieweit ein solcher zusätzlicher Schutz neben dem unionsrechtlichen Regime überhaupt zulässig wäre (s. ausführlicher dazu Fall 6). Nach alledem kommt eine Rechtfertigung der Maßnahme nicht in Betracht. Der Aufruf „Buy Pälzisch!“ verstößt gegen die Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 AEUV. Daraus folgt ein Unterlassungsanspruch der L.
4. Verstoß gegen die Berufsfreiheit
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Ferner macht L einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG iVm Art. 19 Abs. 3 GG geltend. Als öffentlich-rechtlich verfasste Körperschaft und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung ist die IHK grundrechtsgebunden. Streitig ist allerdings, wie der über eine europarechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG auch juristischen Personen anderer Mitgliedstaaten zu gewährende Grundrechtsschutz bei Deutschengrundrechten wie der Berufsfreiheit zu verwirklichen ist. In Betracht kommt entweder eine unmittelbare Subsumtion unter das Deutschengrundrecht oder die Vermittlung eines äquivalenten Schutzniveaus über Art. 2 Abs. 1 GG. Aufgrund der besonderen Bedeutung des europäischen Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV sprechen die besseren Gründe für eine analoge Anwendung des Deutschengrundrechts[71]. Zudem ist es auch an dieser Stelle unschädlich, dass kein Fall der unmittelbaren, sondern lediglich ein solcher der mittelbaren Staatsverwaltung vorliegt, da gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle Stellen des Bundes und der Länder grundrechtsgebunden sind[72]. Verpflichtet werden also auch alle Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.
a) Schutzbereich/Eingriff
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Ein Beruf ist jede nicht sozialschädliche und auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Damit handelt es sich bei Produktion und Vertrieb von Weingummi ohne weiteres um einen Beruf. In den Schutzbereich könnte durch den Aufruf „Buy Pälzisch!“ eingegriffen worden sein. Jedenfalls können nach der neueren Eingriffsdogmatik auch behördliche Warnungen, Informationen und Empfehlungen einen sog. mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff darstellen, sofern diese eine bestimmte berufliche oder gewerbliche Betätigung tatsächlich beeinträchtigen[73]. Insoweit macht das BVerfG jedoch eine wichtige Einschränkung. Nach seiner Auffassung „beeinträchtigen marktbezogene Informationen des Staates den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG allerdings dann nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt“. Ob diese Dogmatik zu überzeugen vermag[74], kann vorliegend dahin gestellt bleiben, da es sich bei der Kampagne der IHK nicht um die Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Information am Markt handelt, sondern um eine Werbekampagne, die gerade auf eine Beeinflussung des Marktes und die Förderung ganz bestimmter Produkte abzielt. Da eine Förderung der regionalen Produkte als Kehrseite eine zwingende Benachteiligung der übrigen Produkte beinhaltet, ist nach den allgemeinen Grundsätzen ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben.
b) Rechtfertigung
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Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Gemäß dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) wäre Voraussetzung hierfür aber zunächst das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Gerade für Fälle staatlicher Informationstätigkeit und Empfehlungen hat das BVerfG zwar Voraussetzungen aufgestellt, bei deren Vorliegen eine Rechtsgrundlage nicht erforderlich sein soll, die Ermächtigung wegen der Vielschichtigkeit denkbarer Sachverhalte vielmehr als Annex aus der Aufgabenzuweisung folgen soll[75]. Allerdings liegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nicht vor. Verlangt wird nämlich jedenfalls eine sachliche Informationstätigkeit, für die ein entsprechender Anlass zu bestehen hat. Eine Werbemaßnahme zur Förderung bestimmter Produkte aus rein wirtschaftlichen Aspekten ist hiervon hingegen nicht erfasst.
Demnach bleibt es bei dem allgemeinen Erfordernis des Vorliegens einer Ermächtigungsgrundlage[76]. Diese könnte vorliegend in § 1 Abs. 1 IHKG gesehen werden, wonach es der IHK ausdrücklich obliegt, die gewerbliche Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftsteile zu fördern. Allerdings ist zwischen bloßen Aufgabenzuweisungen und Ermächtigungsgrundlagen zu unterscheiden. Aus der Formulierung des § 1 Abs. 1 IHKG geht jedoch bereits hervor, dass es sich hierbei, anders als etwa bei § 9 des Gesetzes, um eine bloße Aufgabenzuweisung handelt („haben…die Aufgabe“). Auf eine Aufgabenzuweisungsnorm lassen sich aber nur solche Maßnahmen stützen, die noch keinen Eingriff in die Rechtssphäre eines Einzelnen begründen. Vorliegend wurde jedoch ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG bejaht. Für diesen fehlt es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Auch das begründet einen Unterlassungsanspruch. Dies gilt nach den in Rn 81 dargestellten Grundsätzen unabhängig von der Frage, ob tatsächlich auch L selbst in ihrer Berufsfreiheit betroffen ist bzw sich überhaupt unmittelbar auf Art. 12 GG stützen kann.
5. Fazit
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Da die IHK Pfalz ihren gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich verlassen hat bzw jedenfalls die konkrete Kampagne ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ergangen ist, steht L ein Unterlassungsanspruch gegen die IHK Pfalz zu. Die Klage ist somit auch begründet.
B. Der Anspruch auf Auskunft bzw Akteneinsicht
I. Die Zulässigkeit der Klage (Organstreitverfahren)
1. Verwaltungsrechtsweg
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Auch die internen Rechtsverhältnisse zwischen Mitgliedern der IHK und deren Organen gehören dem öffentlichen Recht an. Für Streitigkeiten zwischen Organen einer Kammer um organschaftliche Kompetenzen ist, ebenso wie im Kommunalverfassungsrecht, verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben[77]. Auch die Mitwirkungsrechte von Kammermitgliedern unterliegen der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen eines sog. Organstreits.
2. Statthafte Klageart
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Da es sich insoweit um eine Innenrechtsstreitigkeit handelt, kommt nach hM von vorneherein nur die allgemeine Leistungsklage in Betracht, da es auch bei Maßnahmen mit Regelungswirkung jedenfalls an der für einen VA nach