„Du stehst wohl drauf, dass man dich herumkommandiert, was? Bist du eine Sub oder so was?“
Sub. Submissive, also Unterwürfige. Vielleicht war ich das, aber nicht absichtlich. Ich wusste nur nicht, wie ich für mich selbst einstehen konnte, wenn ich dazu gezwungen war. Über das Unterwürfige war ich mir nicht sicher, aber ich würde jederzeit sofort zugeben, dass ich Pazifistin war.
„Nein. Ich stehe nicht drauf, wenn man mich herumkommandiert.“ Mehr konnte ich nicht sagen, denn Connor war mir so nah und meine Lungen hatten ihre Funktion vergessen. Sein neugieriger Blick, die verengten Augen und das verschlagene kleine Grinsen passten zu der Stille um uns herum. Es war gelinde gesagt unangenehm.
„Okay, dann auf Wiedersehen“, krächzte ich und schickte mich an, in dem Stockbett zu verschwinden, wurde aber am T-Shirt festgehalten und kämpfte gegen ein Aufstöhnen. Wenn er mir erzählen wollte, dass ich dieses Bett nicht haben konnte, dann bei Gott, würde ich schreien, heulen oder kotzen. Oder alles zusammen.
Connor schüttelte langsam den Kopf und nickte auf das Bett obendrüber. „Nimm das nicht. Er hat Verdauungsprobleme.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Er hat Blähungen.“ Mein Gesichtsausdruck musste Verblüffung zeigen. „Er furzt.“
„Oh.“
Connor nahm meine Reisetasche und legte sie auf das Bett, das ich mir als Erstes ausgesucht hatte. „Hier solltest du davor sicher sein, weit weg von Hells notorischen Flatulenzen.“
„Das hab ich gehört, Arschloch“, rief Hell. „Du weißt genau, dass ich Bauchprobleme hab“, fügte er in gekränktem Tonfall hinzu.
„Pfefferminztee“, sagte ich sehr zu meiner eigenen Verlegenheit.
Hell schob den Kopf aus seiner Koje und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Wie hast du mich genannt?“
„Nein, ich äh …“ Ein überraschtes Lachen entglitt mir. „Pfefferminztee ist gut bei Magenproblemen. Ich habe welchen dabei, falls du möchtest.“
Er verzog die Lippen. „Bin nicht gerade ein Teetrinker.“
Na schön. „Ich stelle die Schachtel in die Küche, falls du deine Meinung änderst.“
Hell zog den Kopf wieder zurück. „Danke, Emmy“, sagte er.
Mein Lächeln war schmal, aber aufrichtig. „Sehr gern.“
Und schon konnte ich jemandem helfen. Das war schön. Es fühlte sich gut an. Und Connor stand immer noch dort und sah mich neugierig an. Das ließ mich innehalten. Mein Blick irrte unstet umher. „Brauchst du etwas von mir?“, fragte ich mit nervöser Stimme.
Seine Brauen senkten sich und er machte einen gedankenvollen Laut in seinem Hals. „Weiß ich noch nicht.“
Das war eine Erleichterung. Ich kletterte in mein Bett.
„Du weißt ja, wo du mich findest.“
Ich hörte wie er davonging und war dankbar für die kurze Atempause. Ein paar Minuten später startete der Motor des Busses mit leisem Gerumpel. Eine Weile war alles ruhig, bis Craig durch unsichtbare Lautsprecher sprach:
„Guten Morgen meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns gleich auf der ersten Etappe unserer Reise. Lassen Sie uns starten, indem ich Sie frage …“ Ich hatte nicht erwartet, was ich dann hörte. „Are you ready to rock?“, rief Craig. Die Jungs jubelten aber Craig war nicht zufrieden. „Also kommt schon, das war echt lahm. Ich fragte, seid ihr Motherfuckers ready to rock?“ Die Jungs grölten und schrien und bei ihrem Vokabular fielen mir fast die Augen heraus. Craig lachte ins Mikro: „Das war schon besser. Oh, und um zehn Uhr ist Nachtruhe.“ Das allgemeine Gegrummel brachte Craig nur noch mehr zum Lachen. „Schon gut, schon gut. Das hier ist ein gottverdammter Partybus und wir hören nie auf. Es gibt hier nur eine Regel.“ Er hielt kurz inne. „Und die lautet puff, puff pass.“
Ich hatte keine Ahnung, was das heißen sollte, aber es schien witzig zu sein, denn die Jungs lachten.
„Ein paar Sachen noch“, sprach Craig weiter. „Dean ist hinten und macht ein Nickerchen, holt sich seinen Schönheitsschlaf ab, für seine nächste Schicht. Ich hoffe keiner wird seekrank, denn wir werden jetzt nonstop achtundvierzig Stunden lang auf Achse sein.“ Man hörte die Bremsen zischen und der Bus setzte sich in Bewegung. „Und los geht’s.“
Ich sah aus dem Fenster, als wir gerade vom Parkplatz rollten. „Nächster Halt, Texas.“
Es war seltsam, was ich fühlte. Schwer und doch schwerelos. Gefesselt und doch frei. Mein Herz sagte mir, dass das hier eine riesengroße Chance war. Mein Verstand sagte mir, dass ich ein kleines Mädchen war, das sich an etwas Großem versuchte. Und dass ich selbst schuld sein würde, wenn etwas schiefging. Mit mir selbst auf Kriegsfuß stehend, holte ich tief Luft. „Los geht’s“, wisperte ich beim Ausatmen. Hier war ich nun, die nächsten achtundvierzig Stunden in einem Bus mit fünf Rockstars. Ich runzelte die Stirn. Ich meine, echt jetzt.
Wie schlimm konnte das schon werden?
Kapitel 5
Getting To Know You
Emily
In meiner Koje hörte ich, wie sich die Jungs unterhielten.
„Mir ist langweilig“, beschwerte sich Connor.
Lee lachte leise. „Wir sind erst zwölf Stunden unterwegs.“
„Ich hab dir gesagt, dass das passieren wird“, sagte Noah angefressen.
„Ach kommt schon, lasst ihn. Er kann nichts dafür. Er hat ADHS“, sagte Hell, aber eindeutig amüsiert.
„Wenn ich nicht aus diesem verfickten Bus rauskomme, raste ich aus.“
Connors Gereiztheit in der Stimme war ein wenig erschreckend, aber ich musste mit diesem Eindruck allein sein, denn als ich aus meiner Koje den Gang entlang linste, sah ich, wie Noah zur Tür des Fahrers ging. Er öffnete sie und sprach einen Moment mit Craig. Noah kam zurück und der Lautsprecher ging an. Craigs Stimme klang bissig.
„Was versteht ihr kleinen Bitches nicht an dem Wort Nonstop? In einer Stunde kommen wir zu einer Raststätte. Wir machen dort eine kurze Pause. Und wenn ich sage kurz, dann meine ich verfickt noch mal kurz. Craig over and out.“
Connors Kinn sah verkrampft aus, als sich Noah wieder hinsetzte. „Danke, Mann“, sagte Connor und starrte dabei auf den Tisch.
„Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, sagte Noah.
Ich konnte mir nicht helfen, aber ich fand diesen Austausch süß.
Eine Stunde später parkte der Bus auf einem Rastplatz. Jemand klopfte an meine Koje und ich zog den Vorhang auf.
Noah stand da und lächelte zaghaft. „Geht’s dir gut da drinnen?“
Ich nickte.
„Ehrlich?“
„Ja“, nickte ich noch mal. „Warum?“
Er setzte sich auf die Bettkante. „Du hast dich nur noch nicht blicken lassen.“
Oh, das. „Ich wollte euch nicht im Weg sein.“
„Bitte? Du bist nicht im Weg“, sagte er und lächelte aufmunternd. „Versteckst du dich etwa hier drin? Ist es das, was du hier tust?“
Na klar. „Nein.“ Das Wort kam zu schnell und zu laut heraus.
„Ich denke doch.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit einem Blick an, der mich aufforderte, zu widersprechen. Das tat ich nicht. Ich hoffte, er verstand mich.
„Die Jungs“, fing ich an und schob mir die Brille hoch.