Nun wurden die Fäden in selbstgebaute Webrahmen gespannt und die Frauen begannen die Fäden mit einer Art Schiffchen durch die Längsfäden zu ziehen, bis sich ein dünner aber fester Stoff bildete. Sie waren äußerst geschickt.
Auch die Kinder wurden in diese Tätigkeit eingespannt. Sie waren Teil des Lebens und wurden spielerisch in die Arbeit eingewiesen.
Sie saßen auf dem Boden. Sie lachten und unterhielten sich, als von weitem ein paar Warnrufe erschallten. Die Frauen standen sofort auf und stellten die Webrahmen beiseite.
Die Männer kamen zurück. Zwei liefen vorneweg. Sie trugen einen Dritten. Er hatte schlimme Bisswunden und er blutete stark aus Schulter, Rücken und Brust. Der Mann war bewusstlos vor Schmerzen.
Sie brachten den Mann in eine der Hütten, dann liefen die Frauen in ihre Unterkünfte und kamen mit verschiedenen Gegenständen zurück. Zwei der Frauen setzten einen Topf auf und erhitzten dort eine dunkelbraune Masse mit Wasser zu Brei. Dann brachten sie den Topf in die Hütte mit dem Verletzten.
Der Mann hatte nicht nur tiefe Bisswunden und Kratzer, große Stücke von losen Fleisch hingen von seinem Brust- und Schulterbereich.
Dennis konnte nicht helfen. Die Frauen strichen die dickflüssige Masse auf die Wunde, dann legten sie Blätter darüber, und wickelten den Verwundeten in ihre selbstgefertigten Tücher.
Einige der Frauen blieben bei ihm, andere begannen einen Sud aus Blättern und Früchten aufzukochen. All das ging mit einer unglaublichen Schnelligkeit vor sich.
Dann kam der Rest der Gruppe. Sie schleppten sich mit einem riesigen schwarzen Panther ab, den sie erlegt hatten. Der Panther hatte noch das Blut des Verletzten am Maul und an den Pranken. Dennis war erschrocken, und er bewunderte gleichzeitig den Mut der Männer.
Diese Raubkatze maß mindestens zwei Meter. Das Gewicht war so groß, dass zwei Männer die Raubkatze gleichzeitig tragen mussten. Die Jäger hatten sich unterwegs mehrfach abwechseln müssen.
Als sie ins Dorf kamen, gab es aufgeregtes Geschrei. Die Männer wurden umringt und bewundert. Sie kamen ans Feuer und warfen dort die Katze ab. Die Dorfbewohner streckten die Beine des Panthers aus, sie sahen dieses riesige Maul und diese gewaltigen Pranken. Dennis verstand, dass dieser Panther auch für ihre Verhältnisse ungeheuer groß war.
Dann mussten die Jäger erzählen.
Sie waren auf dem Rückweg gewesen. Der Fang war ausgezeichnet. Sie lachten und sie waren gut gelaunt, als sie eine Bewegung über sich wahrnahmen.
Zwei von ihnen hatten sofort die Bögen genommen, Pfeilspitzen in das Gift getaucht und die Bögen gespannt, aber der letzte der Gruppe war bereits von dem riesigen Panther zu Boden gerissen und in die Schulter gebissen worden.
Sie hatten sofort ihre Pfeile auf den Panter abgeschossen. Der Panther hatte von dem Mann abgelassen und griff erneut an. Einer der anderen Jäger hatte seinen Speer geworfen, der dem riesigen Tier in den Leib fuhr.
Mit einem Schlag seiner Pranken hatte der Panther den Schaft abgebrochen, als ihn der zweite Speer traf.
Der Panther war wütend. Er schlug auch diesen Speer auseinander und wollte erneut angreifen. Aber nun begann das Pfeilgift zu wirken.
Die Männer waren sich sicher, dass der Panther sie alle getötet hätte, trotz ihrer Speere. Nur das Pfeilgift hatte ihnen das Leben gerettet.
Sie hatten sofort den Verletzten aufgehoben, und zwei der Jäger mit ihm vorausgeschickt. Dann hatten sie versucht den Panther aufzuheben und zu tragen. Er war sehr schwer. Einer der Jäger tunkte mehrere Pfeile in das Pfeilgift, und wachte über den Transport. Wo ein Panthermännchen war, konnte auch ein Weibchen sein. Aber sie hatten nichts gesehen.
Nun also waren sie wieder im Lager und sie waren froh, heil wieder angekommen zu sein. Sie erkundigten sich als erstes nach ihrem Gefährten, dann mussten sie erzählen.
Während ihrer Schilderung wurden sofort drei Männer zu den Wachen geschickt, um sie zu warnen.
So schlimm dieser Überfall des Panthers war, so groß war auch die Freude im Dorf.
Die Frauen hatten sofort ein Gerüst aus Stangen errichtet.
Der Panther wurde darauf gelegt. Dann wurde der Verletzte aus der Hütte geholt, und auf Felle in der Nähe gelegt. Feuerholz wurde aufgelegt, so dass die Flammen höher loderten.
Die Männer und Frauen hatten bunte Bänder und Federn aus ihren Hütten geholt, die sie nun im Haar, um die Oberarme und den Hals trugen. Sie trugen ihre Trinkgefäße herbei, und begannen singend, stampfend und sich verbeugend, um das Feuer, den Panther, und den Verletzten zu tanzen. Die Kinder standen außen herum. Sie klatschten und lachten.
Dennis war völlig verblüfft. Er verstand, dass dies ein gewaltiges Ereignis für die Indios war, das gehörig gefeiert werden musste. Er verstand, dass dies auch ein Tanz für den Verletzten war, um eine baldige Genesung herbeizuführen.
Die Indios tanzten und tranken von ihrem gegorenen Saft.
Soviel verstand Dennis von Medizin, dass es für den Verletzten am besten war, wenn er jetzt Ruhe hatte. Nur, was konnte er tun?
So ging Dennis zu dem Verletzten in den Kreis, setzte sich neben ihn und nahm seine Hände. Er war in Gedanken versunken. Ohne dass er es bemerkte, bildete sich ein bläulicher Lichtschein, der an Intensität immer mehr zunahm. Dennis war bald eingehüllt von blauen Adern aus Blitzen. Züngelnd, funkensprühend.
Die Indios sahen das und hielten mit ihrem Tanz inne. Sie standen still und trauten sich nicht mehr zu bewegen, während das Kraftfeld an Intensität weiter gewann, bis es Dennis und den Verletzten wie eine Lichtkugel ganz einhüllte.
Nach einer Weile begann das Licht langsam zu verebben.
Es war Stille eingetreten. Selbst das Feuer wagte nicht mehr zu knistern.
In diese Stille hinein begann Dennis zu singen und zu summen. Dennis merkte von alledem nichts. Er hielt immer noch die Hände des Verletzten. Dann hörte Dennis auf, und er sagte in die Stille hinein: „Faroa braucht jetzt Ruhe. Tragt ihn in seine Hütte zurück. Verschiebt euren Tanz auf ein andermal. Ich werde bei Faroa wachen.“
Die Péruan folgten ihm. Es wurde nicht darüber diskutiert. Es wurde nicht abgestimmt. Sie hoben den Verletzten auf und trugen ihn in die Hütte.
Dennis bat Kkhiso und Polia in die Hütte. Dort setzte er sich neben Faroa und hielt seine Hände. Er verfiel in eine Art Wachtrance, in der er unaufhörlich summte. Er merkte nicht einmal etwas davon.
Stunden später bat er Kkhiso um Wasser und Tücher. Es befeuchtete Faroas Gesicht, trocknete den Schweiß und hüllte ihn wieder ein. Dann ergriff er erneut Faroas Hände, und fiel summend in Trance.
Irgendwann musste er eingeschlafen sein.
Am nächsten Morgen wurde er von einem freudigen Laut geweckt. Kkhiso hatte ihn ausgestoßen.
Dennis war mit seinem Kopf auf das Lager gesunken. Er hielt immer noch die Hände von Faroa. Dennis schaute auf und er sah, dass Faroa die Augen geöffnet hatte.
Faroa sah verwundert zu Dennis und Kkhiso, die sich jetzt über ihn beugte.
Dennis fühlte sofort nach seiner Stirn, bat Kkhiso um Wasser und Tücher, und er wusch wieder den Schweiß von Faroas Körper. Dann versuchte er mit Faroa zu sprechen. Er sei sehr schwach, sagte Faroa, aber er fühle sich gut.
Dennis nickte und fragte Kkhiso aus. Wie oft wechselten die Péruan solche Verbände? War es sinnvoll, den Verband jetzt schon zu erneuern? Kkhiso ging hinaus und besprach sich mit den Frauen.