Berühmt wurde Greenberg durch seine sprachtyplogischen Arbeiten, seine Arbeiten zur Sprachklassifikation und insbesondere durch sein 1966 erschienenes Buch Language Universals: With Special Reference to Feature Hierarchies. Roman Jakobson hat bereits 1963 die Bedeutung der Greenberg’schen Universalienforschung erkannt und hervorgehoben: »Auf der grammatischen Ebene ist J.H. Greenbergs Auflistung von 45 implikativen Universalien eine eindrucksvolle Leistung. […] diese Daten (bleiben) unschätzbare und unentbehrliche Voraussetzungen für eine neue Sprachtypologie und für eine systematische Übersicht der universalen Gesetze der grammatischen Schichtung« (Jakobson 1992: 499).
Neben rein statistisch verteilten Universalien und absoluten gibt es solche, die eine hierarchische Ordnung angeben, sie werden als implikative Universalien bezeichnet. Die Ordnungsrelation hat das Grundmuster ›Wenn A gilt, dann folgt daraus B‹. Hierunter fallen Aussagen wie ›Wenn eine Sprache einen Plural hat, dann hat sie einen Singular‹, ›Ein Genusunterschied beim Nomen impliziert einen Genusunterschied beim Pronomen‹ oder ›In Sprachen mit Präpositionen folgt fast immer die Genitivphrase der Nominalphrase‹, z.B. dt. das Buch des Lehrers. Dies gilt aber eben nicht immer, z.B. Peters Buch oder des Kaisers neue Kleider. Hier liegt eine präferierte, statistisch wahrscheinliche Implikation vor. Ein anderes Beispiel ist die folgende Korrelation von Wortstellungstyp und Präpositional-/Postpositionalgruppe. Sprachen mit VSO-Stellung sind fast immer präpositional (P-NGr, entspricht dt. entlang des Weges), Sprachen mit SOV-Stellung fast immer postpositional (NGr-P, entspricht dt. den Weg entlang). In der SOV-Sprache Japanisch steht naka (dt. in) nach dem Nomen: Biru no naka ›in dem Hochhaus‹. Es gibt auch semantische implikative Universalien: Eine Sprache, die die Farbbezeichnungen rosa oder orange hat, hat ebenso Bezeichnungen für braun, blau, grün, gelb und rot.
Der Gelehrte und Politiker James Harris (1709–1780) definiert in seinem erstmals 1751 erschienenen Buch Hermes, or a philosophical inquiry concerning language and universal grammar Universalgrammatik (universal grammar) als »that Grammar, which without regarding the several Idioms of particular Languages, only respects those Principles, that are essential to them all« (Harris 1771: 100). Dieser Satz könnte von Noam Chomsky stammen und wie Chomsky (s. Kap. 4) glaubt Harris, dass »MIND [is] ultimately the Cause of all« (ebd., S. 306). Universalien und Universalgrammatik sind in dieser Perspektive mental verankert, bei Chomsky sind es Prinzipien in der biologischen Grundausstattung des menschlichen Gehirns, bei Harris angeborene Ideen, die letztlich archetypische Formen des Geistes Gottes sind.
Die Universalgrammatik (UG) nach Chomsky befasst sich mit der Untersuchung der sog. ›language faculty’, die als biologische Komponente angesetzt wird, wir hatten dies in Kapitel 4 bereits ausgeführt. Die Universalgrammatik als mentale Grundausstattung ist angeboren und genetisch festgelegt. Sie besteht aus abstrakten, universellen Prinzipien, die allen menschlichen Sprachen gemein sind, und einer beschränkten Menge von Parametern zu den Prinzipien. »Wir wollen die ›Universale Grammatik‹ (UG) als das System von Prinzipien, Bedingungen und Regeln definieren, die Elemente bzw. Eigenschaften aller menschlichen Sprachen sind […]. Die UG kann man somit als Ausdruck des ›Wesens der menschlichen Sprache‹ verstehen. Die UG ist bezüglich aller Menschen invariant. Die UG spezifiziert, was beim Spracherwerb erlangt werden muß, damit dieser erfolgreich ist. […] Jede menschliche Sprache stimmt mit [der] UG überein; Sprachen unterscheiden sich in anderen, zufälligen Eigenschaften« (Chomsky 1977: 41). Die UG geht damit über eine rein deskriptive Sicht hinaus, sie erklärt, warum es sprachliche Universalien gibt.
17 Ist Gebärdensprachen eine Sprache?
Gebärdensprachen sind wie das Deutsche oder Englische natürliche Sprachen, mit denen gehörlose oder hörgeschädigte Menschen kommunizieren. Es gibt verschiedene Gebärdensprachen; z.B. sind die englische und amerikanische Gebärdensprache sehr unterschiedlich, obwohl gesprochensprachlich das britische und amerikanische Englisch sehr ähnlich sind. Gebärdensprachen haben eine Grammatik wie andere Sprachen auch, und sie können folglich wie diese auch linguistisch untersucht werden. Für die deutsche Gebärdensprache (DGS) gibt es eine ausgezeichnete Analyse und Darstellung von zwei Sprachwissenschaftlern (Happ/Vorkörper 2006), die beide die Gebärdensprache aktiv beherrschen.
Auf der Ausdrucksebene besteht die deutsche Gebärdensprache aus zwei Komponenten: (a) den durch eine Hand oder durch zwei Hände dargestellten Gebärden und (b) der nicht-manuellen Komponente, die Mimik, Kopfbewegungen, Kopf- und Körperhaltung umfasst; so werden z.B. bei Entscheidungsfragen die Gebärden durch hochgezogene Augenbrauen und einen leicht nach vorn geschobenen Kopf markiert.
Eine Gebärde selbst setzt sich aus vier Grundelementen zusammen: der Handform, der Handstellung, der Ausführungsstelle und der Bewegung. Bei der Gebärde für gebärden (s. Abb. 5) beispielsweise sind beide Hände beteiligt und die kreisförmige Bewegung der Hände wird wechselseitig ausgeführt. Wenn wir die Gebärde für gebärden nicht als Bild wie in Abb. 5 darstellen wollen, sondern in Alphabetschrift, dann schreiben wir den Stamm in Kapitälchen, also: GEBÄRD. Nebenbei: Es gibt verschiedene Gebärdenschriften, die Darstellung des Wortes Gebärdensprache in der Kapitelüberschrift ist eine typografische Umsetzung des Fingeralphabets.
Abb. 5: Gebärde für gebärden6
Es gibt ca. 30 Handformen, 5 Grundhandstellungen wie Handfläche nach oben oder unten, unterschiedliche Ausführungsstellen (am Kopf, an der Hand usw.) und viele verschiedene Bewegungen (kreisförmig, gerade nach oben / nach unten usw.). Aus der Kombination der Grundelemente mit ihren verschiedenen Realisierungen setzen sich die einzelnen Gebärden zusammen, die dann lexikalische oder grammatische Bedeutungen kodieren.
Das Deutsche ist eine flektierende Sprache (s. Kap. 10), aber die deutsche Gebärdensprache ist eine polysynthetische und sie weist gegenüber dem Deutschen eine Reihe von Eigenheiten auf. Wie die Beispiele (1, 2) zeigen, steht der Artikel bzw. das Demonstrativpronomen nach dem Nomen und nicht wie im Deutschen davor. Auch das Adjektiv steht postnominal. Die Position des Artikels ist ebenfalls entscheidend. In (1) bilden wie im Deutschen der Artikel / das Demonstrativpronomen und das Nomen eine Klammer (s. auch Kap. 48), nur ist der Artikel eben nachgestellt, das Adjektiv steht direkt nach dem Nomen und hat eine attributive Funktion. In (2) bilden Nomen und Artikel eine Einheit, über die etwas ausgesagt wird (,ist klein‹), man nennt dies die prädikative Funktion. Attributive und prädikative Funktion sind also durch die unterschiedliche Gebärdenfolge ausgedrückt. Anders als im Deutschen ist auch der Kasus nicht angegeben.
(1) HUND KLEIN DER / DIESER
Der/dieser kleine Hund
(2) HUND DER KLEIN
Der Hund ist klein.
Während der unbestimmte Artikel nicht ausgedrückt wird, gibt es zwei Gebärden für den bestimmten Artikel: »Der bestimmte Artikel für Personen wird stets mit der G-Handform ausgeführt. Dabei ist die Handfläche nach unten orientiert, die Bewegung ist waagerecht und die Gebärde endet sanft. Die Spitze des Zeigefingers verweist auf den Raumpunkt. Der bestimmte Artikel für Gegenstände, kleine Personen und Tiere wird mit der gleichen Handkonfiguration (Handform und Handstellung) wie der bestimmte Artikel für Personen ausgeführt. Die Bewegung ist jedoch leicht nach unten. Die Spitze des Zeigefingers zeigt auf das Referenzobjekt« (Happ/Vorkörper 2006: 96). Die Gebärde für das Demonstrativpronomen ist fast identisch mit der für den Artikel, allerdings endet die Bewegung nicht sanft, sondern abrupter, und die Gebärde wird durch eine Mundmimik begleitet.
Ein