2.3.2 Art. 6 und 7 GG
Für den Bereich der Bildung, der Pädagogik und der Sozialen Arbeit von besonderer Bedeutung sind Art. 6 und 7 GG. Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dies beinhaltet ein „Abwehrrecht“ gegenüber ungerechtfertigten Eingriffen des Staates in die Privatsphäre von Ehe und Familie, aber auch eine grundsätzliche Verpflichtung des Staates, Ehe und Familie zu fördern, etwa im Steuerrecht und im Sozialrecht (Wabnitz, 2014b, Kap. 1.2).
Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die „zuvörderst“ – also: in erster Linie – ihnen obliegende Pflicht (dazu: BVerfGE 6, 55; 24, 119; 56, 363; 72, 122; 75, 201). Der Staat darf sich also grundsätzlich nicht in die Kindererziehung „einmischen“ – es sei denn, es droht eine Gefährdung des Wohls des Kindes. Dann ist der Staat – konkret: das Familiengericht und ggf. das Jugendamt – berechtigt und ggf. sogar verpflichtet, in Ausübung des sog. „staatlichen Wächteramtes“ gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG mit dem Ziel des Schutzes des Kindes ggf. auch in Elternrechte einzugreifen (Kap. 3.3.2 und 5.2.1 sowie bei Hömig/Antoni 2013, Art. 6, Rz. 15 ff.; Wabnitz 2014b Kap. 1.2.2; Trenczek et. al. 2014, Kap. I. 2.2.6). Allerdings gibt es gemäß Art. 6 GG kein allgemeines Erziehungsrecht des Staates im Bereich der Familie.
Anders ist dies im Bereich des Schulwesens. Ab Beginn der Schulpflicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG; dazu Kap. 9.1.1) stehen Bildungs- und Erziehungsrechte von Eltern und Staat aus verfassungsrechtlicher Sicht „gleichrangig“ nebeneinander, und es kommt darauf an, dass sowohl Eltern als auch Schulen die Bildung von Kindern und Jugendlichen ab dem Schulalter gemeinsam auf möglichst optimale Weise gewährleisten (Hömig/Antoni 2013, Art. 6, Rz. 15). Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit eines sinnvoll auf einander bezogenen Zusammenwirkens von Eltern und Schule (BVerfGE 34, 183; 47, 74; 52, 236).
2.3.3 Art. 12 GG
Von großer Bedeutung auch für die Bildung und Erziehung von jungen Menschen ist schließlich Art. 12 GG (Freiheit der Berufswahl und -ausübung). Danach haben alle Deutschen das Recht, Beruf und Arbeitsplatz sowie Ausbildungsstätte frei zu wählen (dazu: BVerfGE 7, 377; 78, 179). Allerdings unterliegt dieses Grundrecht – wie zum Teil auch andere Grundrechte – Einschränkungen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, auch etwa im Falle von Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen (dazu: BVerfGE 33, 303; 39, 371; 43, 45; 85, 54; BVerwGE 56, 40; 70, 319; Hömig/Hömig 2013, Art. 12, Rz 21).
Literatur
Hömig, D. (Hrsg.) (2013): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. 10. Aufl.
Kievel, W., Knösel, P., Marx, A. (2013): Recht für soziale Berufe. Basiswissen kompakt. 7. Aufl.
Luthe, E.-W. (2003): Bildungsrecht. Leitfaden für Ausbildung, Administration und Management. Kap. B
Trenczek, T., Tammen, B., Behlert, W., Boetticher, A. von (2014): Grundzüge des Rechts. Studienbuch für soziale Berufe. 4. Aufl.
Wabnitz, R. J. (2014a): Grundkurs Recht für die Soziale Arbeit. 4. Aufl.
2.4 Fall: Bund und Länder
1. Gesundheitsminister G des Bundeslandes B ärgert sich seit langem darüber, dass das System der gesundheitlichen Versorgung in seinem Bundesland so „zersplittert“ sei und es völlig unterschiedliche und nicht miteinander „verzahnte“ Kompetenzen für die ambulante ärztliche Versorgung, die Krankenhäuser und die zahnärztliche Versorgung usw. gebe – und zudem auch noch eine Fülle von Krankenkassen. Dies alles sei unübersichtlich und kostentreibend. Er plant deshalb für sein Bundesland eine Zusammenführung dieser Strukturen in einem staatlichen Gesundheitsversorgungssystem.
2. Zwecks „Effektivitätssteigerung“ des deutschen Schulwesens plant die Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft die Einrichtung eines Bundesschulamts auf der Grundlage eines neu zu schaffenden Bundesschulorganisationsgesetzes.
Wie wäre dieses Vorhaben verfassungsrechtlich zu beurteilen?
3. Einmal angenommen, der Deutsche Bundestag würde ein solches „Bundesschulorganisationsgesetz“ beschließen, weil es sich hier um eine „nationale“ Aufgabe handele, könnte die Landesregierung des Bundeslandes X dagegen etwas unternehmen?
3 Bildungsrechtliche Aspekte des Familienrechts
Fragen der Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen sind in zahlreichen Gesetzen des privaten und öffentlichen Rechts geregelt; zu Letzteren siehe Kap. 4 bis 11 sowie zunächst die Übersicht 14:
Gesetze des öffentlichen Familienrechts
1. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
2. Einkommensteuergesetz (EStG)
3. Bundeskindergeldgesetz (BKGG)
4. Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)
5. SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe)
6. Adoptionsvermittlungsgesetz
7. Internationale Abkommen wie die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) (Kap. 14) oder das Haager Minderjährigenschutzabkommen
Die wichtigsten privatrechtlichen Regelungen für das Eltern-Kind-Verhältnis sind im 4. Buch des BGB (Familienrecht) enthalten, insbesondere in dessen Abschnitt 2: Verwandtschaft (§§ 1589 ff bis 1698b BGB).
3.1 Bildung im Eltern-Kind-Verhältnis
3.1.1 Allgemeine Vorschriften und Kindeswohl
Das „Kindeswohl“ (und nicht etwa das „Elternwohl“!) ist der zentrale Maßstab für das Eltern-Kind-Verhältnis, die Ausübung des elterlichen Sorgerechts und ggf. mit Blick auf familiengerichtliche Eingriffe in dieses. Das „Kindeswohlprinzip“ wird in § 1697a BGB in allgemeiner Form wie folgt umschrieben: Das Familiengericht trifft „diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht“ (Kap. 3.3.2 sowie bei Wabnitz 2014b, Kap. 10).
3.1.2 Bildung und Verwandtenunterhalt
Eltern