Bestandteile des nach § 1610 Abs. 2 BGB geschuldeten Unterhalts sind auch die „Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf“, ggf. auch bis ins Erwachsenenalter hinein. Während dieser Zeit wird Auszubildenden die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht zugemutet.
Die jeweilige Ausbildung soll den Neigungen und Fähigkeiten des jungen Menschen entsprechen und zügig (vgl. BGH FamRZ 1984, 777; 1998, 671) betrieben werden (bei Berücksichtigung individueller Umstände). Eine nachhaltige Vernachlässigung des Studiums, die nicht auf Krankheit oder anderen gewichtigen Gründen beruht, führt zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsfinanzierung, ebenso eine lange Verzögerung des möglichen Ausbildungsbeginns (Schwab 2014, Rz. 887, 888; BGH FamRZ 2000, 420; 2011, 1560). Ggf. ist ein Fachwechsel zu akzeptieren, wenn die begonnene und abgebrochene Ausbildung auf einer Fehleinschätzung der Begabungen und Neigungen beruhte (BGH FamRZ 1991, 322; 1993, 1057; 2000, 420). Die Ausbildung ist für eine angemessene Dauer durch die Unterhaltsverpflichteten in den Grenzen des für sie wirtschaftlich Zumutbaren zu gewährleisten. Geschuldet ist von diesen die Übernahme der Kosten einer (!) angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.
Grundsätzlich nicht geschuldet sind darüber hinaus die Kosten einer eventuellen Zweitausbildung, mit bislang nur sehr wenigen von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen (BGHZ 107, 376; NJW 1989, 2253; FamRZ 1989, 853; 1991, 322; 1992, 502; FamRZ 1992, 1407: kein Jurastudium für Speditionskaufmann!; FuR 2006, 361; FamRZ 2001, 1601; NJW 2006, 2984 – kein Abitur-Lehre-Studium-Fall). Dazu die Übersicht 15 zur Rechtsprechung des BGH:
Ausbildungskosten nach § 1610 Abs. 2 BGB
1. Grundsatz: geschuldet ist die Finanzierung einer Ausbildung, die mit Blick auf Begabung, Neigung und Leistungswillen angemessen ist.
2. Ausnahme (dann: auch „Zweitausbildung“), wenn:
– Ausbildungsgang Abitur-Lehre-Studium (in dieser Reihenfolge),
– enger sachlicher Zusammenhang (Abi, Bauzeichner, Architekturstudium) und enger zeitlicher Zusammenhang
– und wenn dies den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.
3. Weitere Ausnahme (sehr selten), wenn:
– Ausbildungsgang Realschule, Lehre, Fachoberschule, Fachhochschule
– und wenn bereits zu Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar ein Studium angestrebt wurde (!)
– und wenn dies den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.
3.1.3 Religiöse Kindererziehung
Eines der ältesten bildungsrelevanten deutschen Gesetze ist das Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.07.1921 (Reichsgesetzblatt I S. 939 – mit späteren Änderungen). Dieses Gesetz aus der Zeit der Weimarer Republik enthält Vorschriften des öffentlichen wie des privaten Rechts. Bei Minderjährigen tritt danach die „Religionsmündigkeit“ wesentlich früher ein als die Volljährigkeit nach dem BGB: nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kinde die Entscheidung (allein) darüber zu, „zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will“; hat es das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (§ 5 des genannten Gesetzes).
3.2 Elterliche Sorge (Teil I)
3.2.1 Begriff und Erwerb der elterlichen Sorge
Elterliche Sorge ist ein Sammelbegriff für die wichtigsten privatrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern nach den §§ 1626 bis 1698b BGB (Wabnitz 2014b, Kap. 7 bis 10; Fröschle 2013; Heiß/Castellanos 2013; Hoffmann 2013; Völker/Clausius 2011). Die elterliche Sorge beinhaltet zugleich die wichtigsten Funktionen der elterlichen Verantwortung im Zusammenhang mit ihrem verfassungsrechtlich geschützten, Pflichten gebundenen Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Kap. 2.3.2).
Der frühere Rechtsbegriff „Elterliche Gewalt“ wurde erst 1980 durch den seitdem gültigen Begriff der „elterlichen Sorge“ abgelöst und 1998 mit der Einfügung partnerschaftlicher Beziehungsmerkmale in § 1626 Abs. 2 BGB in die derzeit gültige, modernen Anschauungen entsprechende Gesetzesform gebracht.
Grundtypen der elterlichen Sorge sind die gemeinsame elterliche Sorge durch beide Eltern und die Alleinsorge durch einen Elternteil.
Elterliche Sorge umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Daran knüpft gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB jeweils die gesetzliche Vertretung an, sodass die elterliche Sorge die in Übersicht 16 aufgeführten Elemente beinhaltet:
Elterliche Sorge
• Personensorge § 1626 Abs. 1 sowie § 1629 (gesetzliche Vertretung)
• Vermögenssorge § 1626 Abs. 1 sowie § 1629 (gesetzliche Vertretung)
Man muss also unterscheiden zwischen:
1. Personensorge in tatsächlicher Hinsicht
2. Gesetzlicher Vertretung in Personensorge-Angelegenheiten
3. Vermögenssorge in tatsächlicher Hinsicht
4. Gesetzlicher Vertretung in Vermögenssorge-Angelegenheiten
Der Erwerb der elterlichen Sorge setzt zunächst voraus, dass es sich um eine Mutter bzw. einen Vater im Rechtssinne gemäß §§ 1591, 1592 Nr. 1, 2 oder 3 BGB handelt. Sodann muss einer der 5 Erwerbstatbestände der elterlichen Sorge gemäß § 1626a BGB erfüllt ist (siehe dazu Übersicht 17; Wabnitz 2014b, Kap. 7; Münder et al. 2013b, § 10 II):
Die fünf Erwerbstatbestände der elterlichen Sorge gemäß § 1626a BGB
1. gemeinsame Sorge beider, bereits bei der Geburt des Kindes miteinander verheirateter Eltern; dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 1626a Abs. 1 („Sind die Eltern nicht …“)
2. gemeinsame Sorge beider, nicht miteinander verheirateter Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen beider Eltern (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1)
3. gemeinsame Sorge beider Eltern ab dem Zeitpunkt der Heirat nach der Geburt des Kindes (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2)
4.