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sind daher nach Auffassung der Bundesärztekammer wiederum nur nach medizinischer Indikation angezeigt (Bundesärztekammer 2004). Damit ist der Unterschied zwischen Nicht-essen-Können und Nicht-essen-Wollen als Ausdruck eines beginnenden Abschieds vom Leben angesprochen (Heubel 2007). In der Praxis kann es aber sehr schwierig sein, die mitunter nur nonverbale Kommunikation des Patienten richtig zu deuten. Es ist daher oft nicht einfach, die Vorgaben der Bundesärztekammer umzusetzen.

      Auch der Begriff indirekte Sterbehilfe ist nicht unumstritten. Ein Kritikpunkt ist die Benennung an sich, da der Tod des Patienten bei den damit bezeichneten Maßnahmen weder direkt noch indirekt das Handlungsziel sei. Die eigentlich Intention, nämlich die Verlagerung des Behandlungsziels vom Heilen zur Leidminderung unter Inkaufnahme eines eventuell beschleunigten Todes, werde durch diese Bezeichnung nicht erfasst (Nationaler Ethikrat 2006, 28f ). Darüber hinaus tut sich bei dieser Kategorie eine weitere Schwierigkeit auf: Die Grauzone zwischen aktiver und indirekter Sterbehilfe macht es unter Umständen möglich, eine bewusste Tötungshandlung als erlaubte, indirekte Sterbehilfe zu verschleiern. Andererseits weisen einige Studien darauf hin, dass bei sorgfältiger und korrekter Dosierung die Anwendung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln nur selten eine lebensverkürzende (Neben-)Wirkung hat (Bosshard et al. 2006). Es besteht aber auch hier, wie bei allen medizinischen Maßnahmen, ein gewisses Komplikationsrisiko (Sahm 2006). So gesehen wäre es sinnvoller, in diesem Fall von einer unbeabsichtigten Nebenwirkung und nicht von indirekter Sterbehilfe als gesonderte Kategorie zu sprechen.

      Sterbehilfe im engeren und im weiteren Sinne. Eine zweite Perspektive bezieht sich auf den Gesundheitszustand des Betroffenen. Da Ärzte und Pflegende grundsätzlich dazu verpflichtet sind, lebenserhaltend zu wirken, ist es wichtig zu klären, in welchen Fällen von dieser Pflicht Abstand genommen werden darf und passive oder indirekte Sterbehilfe geboten sein kann. Hier sind zwei medizinische Szenarien denkbar: erstens bei Sterbenden und zweitens bei schwerstkranken Patienten mit infauster, d. h. aussichtsloser, Prognose, die eine Heilung unwahrscheinlich erscheinen lässt (Bundesärztekammer 2004). Dafür werden auch die Begriffe Sterbehilfe im engeren und im weiteren Sinne verwendet (Roxin 2001, 93).

      Sterbende sind im Sinne der Bundesärztekammer „Kranke oder Verletzte mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer lebenswichtiger Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist“ (Bundesärztekammer 2004, C-1040). Der Sterbevorgang muss also bereits begonnen haben und der Tod demnach nahe bevorstehen. Patienten mit infauster Prognose sind jene, „die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit sterben werden, weil die Krankheit weit fortgeschritten ist“ (Bundesärztekammer 2004, C-1040). Dieser zweite Zustand ist beispielsweise im Fall einer schweren Krebserkrankung gegeben, wenn der Sterbeprozess zwar noch nicht begonnen, das Grundleiden aber einen unumkehrbar tödlichen Verlauf genommen hat und demnach keine Hoffnung auf Heilung mehr gegeben ist. Kritische Gegenstimmen dazu sagen allerdings, dass das Leben an sich irreversibel tödlich verlaufe, und zielen damit auf die grundsätzliche Schwierigkeit ab, den Beginn des Sterbevorganges exakt zu bestimmen (Klinkhammer 2007).

      Definition

      Sterbehilfe im engeren Sinne (Sterbende): Der Patient liegt im Sterben, d.h. eine oder mehrere vitale Funktionen haben irreversibel versagt. Der Eintritt des Todes steht unmittelbar bevor.

      Definition

      Sterbehilfe im weiteren Sinne (Patienten mit infauster Prognose): Die Erkrankung des Patienten hat einen irreversiblen, tödlichen Verlauf genommen. Daher besteht keine Hoffnung auf Heilung mehr.

      Die Bundesärztekammer nahm diese Differenzierung 1998 in ihre Richtlinien zur ärztlichen Sterbebegleitung auf. Die Unterscheidung wurde relevant, als Anfang der 1990er Jahre das Schicksal von schwerst hirngeschädigten Patienten zum Thema medizinethischer Diskussionen wurde. Berühmtheit erlangte 1994 der „Kemptener Fall“, in dem der Bundesgerichtshof schließlich entschied, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bei einer Patientin im so genannten Wachkoma, die sich also nicht unmittelbar im Sterben befand, zulässig gewesen sei (siehe Kapitel 5). Der bis dahin sehr eng gefasste Symptombereich, in dem Sterbehilfe als zulässig erachtet wurde, war damit höchstrichterlich entscheidend erweitert worden.

      Dennoch ist nach wie vor umstritten, wie komatöse Krankheitszustände bezüglich eventueller Sterbehilfemaßnahmen zu werten seien. Problematisch ist vor allem, dass sich hinter dieser allgemein üblichen Bezeichnung eine ganze Reihe verschiedener Zustände verbirgt, die eine sehr unterschiedliche medizinische Betreuung notwendig machen, von einfachen pflegerischen Maßnahmen bis hin zu einer umfangreichen intensivmedizinischen Betreuung. Daher ist es nach bisherigem Kenntnisstand nicht möglich, diese Symptomgruppe hinsichtlich ihrer Prognose verallgemeinernd zu beurteilen. Vielmehr kommt es auf die Bewertung des Einzelfalles an.

      Die Bundesärztekammer begegnet dieser Schwierigkeit, indem sie in ihren Grundsätzen ausdrücklich darauf hinweist, dass auch Patienten mit schweren zerebralen Schädigungen ein Anrecht auf medizinische Versorgung und Therapie haben. Erst wenn sich ihr Zustand dahingehend verändert, dass das Leiden einen infausten Verlauf nimmt, oder wenn der Sterbevorgang gar schon eingesetzt hat, gelten passive und indirekte Sterbehilfe als zulässig (Bundesärztekammer 2004).

      Kernaussage

      Es ist umstritten, ob bei andauernder Bewusstlosigkeit (Wachkoma) Sterbehilfemaßnahmen zulässig sind.

      Freiwillige, nicht-freiwillige und unfreiwillige Sterbehilfe. Und schließlich zielt eine dritte Perspektive, die Zustimmungsebene, auf das Ausmaß der Beachtung des Patientenwillens ab. Im Falle einer freiwilligen Sterbehilfe äußert der Patient seinen Wunsch zu sterben bewusst, freiwillig und ohne jeden äußeren Zwang. Es liegt ein eindeutiger, erklärter Wille vor. Bei der nicht-freiwilligen Sterbehilfe ist der Patient nicht einwilligungsfähig, weshalb ein Stellvertreter für ihn entscheiden muss. Hier gilt es, den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Im Falle einer unfreiwilligen Sterbehilfe wird der Patient entweder zuvor nicht über seinen Willen befragt oder er wird gegen seinen Willen getötet. (Beispiele für unfreiwillige Sterbehilfe sind aus den Niederlanden bekannt, siehe Kapitel 3.) In Kapitel 5 gehen wir ausführlich auf die Schwierigkeiten ein, die sich bei der Ermittlung des Behandlungswunsches – vor allem von nicht einwilligungsfähigen Patienten – ergeben.

      Definition

      Freiwillige Sterbehilfe: Der Patient stimmt der Sterbehilfemaßnahme bewusst und ohne jeden Zwang zu.

      Definition

      Nicht-freiwillige Sterbehilfe: Der Patient ist nicht einwilligungsfähig. Ein Vertreter muss an seiner Stelle in seinem Sinne für ihn entscheiden; der mutmaßliche Wille des Patienten muss ermittelt werden.

      Definition

      Unfreiwillige Sterbehilfe: Die Sterbehilfemaßnahme erfolgt ohne Berücksichtigung oder gegen den Willen des Patienten.

      Sedierung am Lebensende. Damit wird eine Maßnahme bezeichnet, die darauf abzielt, das Bewusstsein eines schwer leidenden und im Sterben begriffenen Patienten durch die Gabe von Medikamenten teilweise oder vollständig auszuschalten. Ziel ist die Leidensminderung. Auf diese Maßnahme wird nur zurückgegriffen, wenn der Leidenszustand (z. B. Schmerz, Unruhe, Angst oder Atemnot) durch andere palliative Maßnahmen nicht mehr beherrschbar ist. Die Sedierung am Lebensende geriet in den Verdacht, ähnlich wie die indirekte Sterbehilfe den Sterbevorgang zu beschleunigen. Aufgrund dieser „Doppelwirkung“ (Neitzke / Frewer 2004) wurde sie auch in ihren rechtlichen Konsequenzen oft als solche eingeschätzt. Neuere Untersuchungen gehen jedoch davon aus, dass die Medikamente bei richtiger Dosierung keinen Einfluss auf den Sterbeprozess haben (Bosshard et al. 2006).

      Definition

      Sedierung am Lebensende: Maßnahme, die das Bewusstsein eines Schwerkranken oder Sterbenden durch die Gabe von Medikamenten teilweise oder vollständig ausschaltet, um so anders nicht beherrschbaren, quälenden Zuständen (z. B. Schmerzen, Unruhe) zu begegnen

      Tötung auf Verlangen und Beihilfe zur Selbsttötung. Eine spezielle Situation der aktiven Sterbehilfe wird durch die Bezeichnung Tötung auf Verlangen erfasst. Dabei handelt es sich um den Wunsch eines schwerst kranken Menschen,