Der Krieg begann, als Ibrahim von Karaman, der ein Bündnis mit mehreren christlichen Fürsten nördlich der Donau eingegangen war, das gesamte Gebiet bis zu den Dardanellen überfiel. Sultan Murad berief eine Versammlung der Ulema von Edirne ein, um eine Erklärung des Dschihad gegen Ibrahim zu erwirken. Die Fetva der Gelehrten lautete: „Wenn ein Mann gemeinsame Sache mit den Ungläubigen macht und der Gemeinschaft Mohammeds Schaden und Drangsal bereitet […], so ist er selbst ein Ungläubiger.“82 Solcherart gerüstet setzte sich das osmanische Heer zu den Klängen einer Militärkapelle von Edirne aus in Marsch. Eine tatarische Vorhut plünderte und fing zahlreiche Sklaven, bis Murad diesem Treiben „aus Mitleid mit der Bevölkerung“ ein Ende setzte.83 Er kehrte nach Edirne zurück, ohne Ibrahim gestellt zu haben. Murads ältester Sohn Alaeddin jedoch, der von dem ihm unterstellten Provinzkommando in Amasya ausgerückt war, trat Ibrahim entgegen und verlor in der Schlacht sein Leben.
König Wladyslaw (Ladislaus) von Ungarn, der serbische Despot Ɖurađ (Georg) Branković und János (Johann) Hunyadi, der mächtige ungarische Fürst aus Siebenbürgen, unternahmen im Oktober einen koordinierten Angriff auf das andere Donau-Ufer.84 Unter dem Dröhnen von Kesselpauken und Allah, Allah!-Rufen marschierte eine kleine osmanische Truppe in den Kampf.85 Prompt wurde sie in die Flucht geschlagen. Von Edirne aus erging die Anweisung zur vollen Mobilmachung an die osmanischen Kadıs, die Zivilbeamten, denen die Aufsicht über die Truppenaushebungen oblag.86 Ihre Befehle lauteten, die Gesamtbevölkerung einzuziehen. Dort hieß es: „Dieser Heilige Krieg ist eine Pflicht für alle, die in Rumelien leben, groß oder klein, zu Fuß oder zu Pferd.“ Irregulären Kämpfern versprach man einen Timar, einen Platz bei den Janitscharen oder in der persönlichen Hausmacht des Sultans oder aber, falls sie Nomaden waren, die Befreiung von der rotierenden Heeresfolge – „was sie sich auch wünschen mögen.“ Beide Wesire Murads wurden angewiesen, die Truppen zu inspizieren, sobald sie in Edirne versammelt waren. Ein Annalist hielt fest, dass die Janitscharen 3000 Mann stark waren, wahrscheinlich die Gesamtstärke der vollzähligen Truppe.87 Die Heiligen Kriege erwähnen noch weitere osmanische Fußtruppen namens azebs und yayas. Der Großteil des Osmanenheeres, die regulären Truppen, wurde nach Provinzen in zwei Corps aufgeteilt, die „Armee von Rumeli“ und die „Armee von Anatolien“. Offenbar bemerkenswert erschien dem Annalisten die Anwesenheit von 16 Sancakbeyis.88 Zusammen bildeten sie die „verbundenen Heere Osmans“ oder das „Heer des Islam“89 unter einem Oberbefehlshaber mit dem Titel Beylerbeyi, „Bey der Beys“.
Der Feldzug nahm einen schlechten Verlauf. Er litt unter den Fehlern, der Führungsschwäche und der Disziplinlosigkeit der Rumeli-Armee. Noch während das Heer sich sammelte, traf Murad in Sofia inmitten eines Rückzugs nach dem Prinzip der verbrannten Erde mit seinen Feldherren zusammen. Er brannte Sofia nieder und sperrte die Pässe nach Filibe (Plovdiv). Diese Taktik hatte mehr oder weniger Erfolg, weil sie Hunyadis Armee die Versorgung erschwerte, aber sie brachte auch großes Leid, und Murad „war äußerst niedergeschlagen und bereute, was er getan hatte“. Als der Bischof von Sofia eine Messe für Hunyadis Truppen las, reagierte Murad heftig. Mit donnernden Trommeln, schmetternden Becken und schrillenden Trompeten und Flöten trafen die osmanischen Truppen im Dezember 1443 am Slatiza-Pass westlich von Sofia auf Hunyadis vorrückendes Heer und erkämpften in einer zweitägigen Schlacht einen blutigen Sieg. Während der stümperhaften und ergebnislosen Verfolgung jedoch wurde das Osmanenheer dezimiert und einer der Feldherren gefangen genommen. Murad ließ seine inkompetenten Offiziere prügeln und kahl rasieren und zog ihre Lehen ein.90 Hunyadis Truppen erging es auf ihrem mühsamen Rückzug nach Norden kaum besser, und im Juni des nächsten Jahres trafen sich slawische Gesandte mit osmanischen Staatsmännern in Edirne, um einen zehnjährigen Waffenstillstand zu schließen.
Murad jedoch hatte die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Aus heiterem Himmel überließ er den Thron seinem Sohn Mehmed. Die Annalisten, die ihm nahestanden und seinen Schmerz kannten, zogen eine direkte Verbindung zwischen der Abdankung und dem Tod seines Sohnes Alaeddin, und dem pflichtete der griechische Historiker Dukas bei.91 Für sich selbst wählte Murad die Abwärtsmobilität der Heiligen und suchte Zuflucht in einer Derwisch-Tekke in Manisa.92
Diese Gelegenheit galt es nicht zu verpassen. In der Hoffnung, eine Rebellion gegen Murads zwölfjährigen Sohn Mehmed II. auszulösen, setzte der Kaiser in Konstantinopel einen obskuren Angehörigen des Osmanenhauses, den er gefangen gehalten hatte, auf freien Fuß.93 Im September 1444 brachen die lateinischen Könige den Waffenstillstand und starteten einen massiven Kreuzzug. Hunyadi marschierte donauabwärts, um Varna zu belagern, gab dieses Vorhaben jedoch auf und wandte sich gegen Edirne selbst.
Der osmanische Palast wechselte in den Katastrophenmodus. Erfahrene Männer übernahmen in Edirne das Ruder. Rund um die Stadt wurde ein Graben gezogen, man kommandierte die Einwohner ins Innere der Zitadelle, und Bäume wurden gefällt, um die Bergpässe zu sperren. Vermögen und Wertgegenstände wurden abtransportiert und in sichere Verwahrung gegeben. Ein zweiter Befehl zur Generalmobilmachung erging, nun gezeichnet von Prinz Mehmed. Zu guter Letzt wurde Mahmud Pascha ausgewählt, um Sultan Murad zur Rückkehr zu überreden. Murad wollte zwar nicht, aber Mahmud Pascha drängte ihn, und angesichts des Ernstes der Lage gab er nach. Als auf den Poststraßen Boten mit der Nachricht eintrafen, dass der Sultan unterwegs sei, brach Edirne in einen Freudentaumel aus. Der eifrige Mehmed wollte sogar selbst die Attacke gegen die Ungläubigen anführen! Doch es war dann sein Vater, der die Truppen „in einer Stunde günstiger Vorzeichen“94 ins Feld führte, während der junge Prinz zur Verteidigung der Hauptstadt zurückblieb. Die Entscheidungsschlacht fand im November 1444 vor den Toren von Varna statt.95 Die Armee von Rumeli auf dem linken Flügel wurde besiegt. Die auf dem rechten Flügel kämpfende Armee Anatoliens wurde in die Flucht geschlagen, und ihr Anführer fiel. Der Ausgang hing vom Zentrum ab, wo Murad selbst stand, beschützt von einigen Hundert Janitscharen und Azebs, seiner persönlichen Leibwache sowie Pagen des inneren Palastes. Auf dem Höhepunkt der Schlacht stießen zwei weitere Infanteriekompanien zu ihnen, und der Sieg wurde errungen.
Erneut brach Murad zur Tekke in Manisa auf, und erneut wurde sein beschauliches Dasein von einem Notruf aus seinem alten Leben unterbrochen, diesmal wegen der finanziellen Folgen der Geschehnisse im vorhergegangenen Jahrzehnt. Da waren die Kriege, die zwei Generalmobilmachungen und dazu noch beträchtliche Ausgaben für den Wiederaufbau der Infrastruktur. Im September 1445 vernichtete ein Brand den Markt von Edirne, die große Moschee und 7000 Häuser.96 Ein venezianischer Beobachter bemerkte, man habe die niedergebrannten Flächen „wie tot liegenlassen“. Aus der osmanischen Steuerpolitik resultierte ein Missverhältnis zwischen der Steuereintreibung, die halbjährlich auf der Basis eines jahrszeitlichen (Sonnen-)Kalenders erfolgte, und den Ausgaben, die vierteljährlich nach dem islamischen (Mond-)Kalender getätigt wurden. Da das Mondjahr elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, entfallen auf 32 Sonnenjahre grob gerechnet 33 Mondjahre. Auf dem Papier übersprang man dieses zusätzliche Finanzjahr, in der Realität sah sich das Schatzamt gezwungen, flüssige Mittel zur Deckung des unvermeidlichen Defizits aufzutreiben.97 Nach dem Brand fielen zwei Zahlungstermine aus, und als man die Janitscharen endlich entlohnte, bekamen sie verschlechterte Münzen.98 Im späten Frühjahr 1446 meuterten sie. Konstantin Mihailović führt in seinen Memoiren eines Janitscharen den Wechselkurs des osmanischen Silber-Akçe zum venezianischen Golddukaten als Grund an. Silbergehalt und Gewicht des neuen Akçe waren um elf Prozent reduziert, und die Münzen fielen sichtbar kleiner aus.99 Drohend äußerten die Rebellen, sie könnten dem osmanischen Prätendenten, der in Konstantinopel in Gefangenschaft lebte, gegenüber dem jungen Sultan Mehmed II. den Vorzug geben. Ein zweites Mal schickte man nach Murad, der unter der Bedingung, zusammen mit seinem Sohn Mehmed II. zu herrschen, für den Rest seines Lebens zurückkehrte.100
Gegen Ende seiner Herrschaft begann Murad mit dem Bau eines neuen Palastes in Edirne, der sich in herrlicher Lage am Ufer der Tundscha erhob, gegenüber einer dichtbewaldeten Insel im Fluss. Dort fand er endlich Ruhe.
Aşıkpaşazade über die letzten Tage Sultan Murads II.
Eines Tages ging Sultan Murad für einen Ausflug auf die Insel. Als er hinkam, stand an der Inselbrücke ein Derwisch. Dieser sagte