„Er schläft in der Regel bei Daniel in der Hütte. Ihr müsst mal sehen, wenn Daniel Enrico für die Nacht wickelt. Er ist so ja schon so süß, aber in Windeln …“, schwärmte Nathalie. Ich konnte es mir gut vorstellen. Dieser kleine Babyaffe hatte mich in seinen Bann gezogen. Noch nie hatte ich so etwas Niedliches und Süßes gesehen.
„Wer ist noch mal Daniel?“, fragte Marlene.
„Daniel sitzt dahinten bei Adelle, Flo und Sarah am Tisch. Er ist schon seit knapp fünf Monaten hier.“ Nathalie deutete auf den Tisch hinter uns. Dort hatte Daniel einen gut gefüllten Teller vor sich stehen, dessen Inhalt er in sich hineinschaufelte. Er trug Bart und somit mehr Haare im Gesicht als auf dem Kopf. In seinem Tank-Top machte er einen sehr sportlichen Eindruck. Wie ein Turner sah er aus. Klein, aber kräftig. Ich schätzte ihn auf Ende dreißig, Anfang vierzig.
„Ich dachte, man kann maximal drei Monate hier auf der Farm bleiben“, hakte Marlene nach. „Wie hat er das den hinbekommen?“
„Indem man drei Monate am Jahresende und drei Monate am Jahresanfang bucht“, sagte Joschka in ihre Richtung. „Dann hat man sein halbes Jahr zusammen.“
McKenzie meldete sich mit einem Räuspern zu Wort. Er war seit dem Essen auffällig still geworden und stocherte die ganze Zeit gelangweilt in seinem Essen herum.
„Oh sorry, McKenzie“, entschuldigte sich Anna bei ihm von der anderen Tischseite aus. „Guys, we have to speak English. It is respectless when we speak German and another person on the table can not understand what we are saying.“ Komisch, hatte sie sich doch die ganze Zeit auch auf Deutsch unterhalten. Ich überlegte, wie das auf dem Zimmer zwischen ihm und mir erst werde sollte. Ich verstand ihn ja kaum.
„You are not hungry, McKenzie?“ Anna war McKenzies Gestocher auch aufgefallen. Doch er wollte nicht wirklich reden. Müde schaute er durch seine Harry-Potter-Brille und stützte seinen Kopf mit der Hand ab.
„I äääm good, thäääänks. Just tired.“
„Wie lange habt ihr Pause gemacht in Gobabis?“, fragte Nathalie neugierig nach. „Musste der Fahrer bei euch auch irgendwelche Erledigungen machen?“
„Zwei Stunden …“ Jetzt war Jessi in ihrem Element. „Zwei ganze Stunden haben wir auf den Fahrer gewartet. Und wisst ihr, warum? Wegen tausend Eiern …“
„Tausendachtzig, Jessi“, korrigierte ich sie lachend. „Tausendachtzig.“ „Ach, das wundert mich noch nicht mal. Wir mussten auch lange auf den Fahrer warten“, grinste Nathalie. Wahrscheinlich hatten alle so ihre Erfahrungen auf der Hinfahrt zur Farm gemacht. Gott sei Dank waren wir jetzt da.
„Is there everyone second?“ Gott sei Dank, dachte ich mir. Es gab zwei Essensrunden. Man durfte nachnehmen. Glücklich schaute ich zu Anna. Sie hatte sich wieder vor den Töpfen und Schüsseln positioniert und zählte von da die vielen Hände, die sich auf ihre Frage gemeldet hatten. Wie eine Rakete beim Start waren diese nach oben in die Luft geschossen ...
„9,10, 11 - okay, I think there is still one spoon pasta and sauce for everybody. Enjoy.“ Sie hatte ihren Satz noch nicht mal ausgesprochen, da rannten die Ersten schon los. Enrico eingeschlossen. Er war es dann auch, der als Erster mit einer langen Spagetti vom Buffet davonlief.
MOVE YOUR BODY
(CHAPTER EIGHT)
Wieder standen wir Newbies im Mittelpunkt und genau da, wo soeben Anna noch die zweite Essensrunde eingeläutet hatte. Auch Dossie hatte sich mittlerweile zu uns gesellt und alle ihre Kollegen mitgebracht. Zu ihrem Team gehörten Izelle, Devi, Edlin und Eugene. Sie saßen zusammen am knisternden Feuer und schauten zu den Newbies. Bei allen hatten wir uns gerade eben noch per Händedruck persönlich vorgestellt, wie wir es schon bei den Volontären getan hatten. Vor allem der Händedruck von Eugene und Devi blieb mir wie der von Alex fest in Erinnerung. Der zarte und weiche von Izelle und Edlin eher weniger. Vorne stehend fiel mir auf, dass Alex und Michi bei den Volontären sitzen geblieben waren. Wie ich anfangs erst vermutet hatte, gehörten sie nicht zu Dossies Team, sondern waren wie die anderen Volontäre und Projektteilnehmer. Die Oldies der Oldies quasi. Beide schauten ebenfalls gespannt in unsere Richtung.
„So, Newbies. It is time to present yourself “, sagte Anna und grinste uns an. „It is tradition that the Newbies say something about their background, their hobbies and expectations. Are you single or not, do you have tattoos or piercings, how long will you stay and what are you looking for during your stay. What do you want to experience, Marlene?“ Sie schaute zu Marlene, die ganz rechts neben Jessi und McKenzie stand.
„Yes?“
„Do you want to start?“
„For sure.“ Erleichtert atmete ich durch. Ich hatte keine Lust, als Erster mit der Selbstpräsentation zu beginnen, und wollte mir erst einmal anschauen, was die anderen so antworten würden.
„Hey guys. I am Marlene and I come from …“ Ihr Satz wurde plötzlich von lauter Musik unterbrochen, gefolgt von einem lauten Seufzer aus McKenzies Richtung. Er ahnte, was jetzt kommen würde. In der Vergangenheit hatte ich schon häufig Videos gesehen, in denen auf öffentlichen Plätzen, Marktplätzen, Bahnhöfen oder Flughäfen plötzlich viele Menschen auftauchten und zu lauter Musik anfingen zu tanzen. Immer hatte ich mich gefragt, wie es wohl sein würde, als Ahnungsloser im tanzenden Mob zu stehen. Würde man mitmachen oder nur dumm aus der Wäsche gucken? Meine Schwimmbewegungen mit den Armen deuteten auf Mitmachen hin. Innerhalb von Sekunden waren alle Volontäre und Koordinatoren von ihren Plätzen aufgesprungen. Wir standen nebeneinander in einem großen Kreis, machten zur Musik Kraulbewegungen und wippten mit dem Körper hin und her. Anna gab den Takt und die Bewegungen vor. Ich gab mir Mühe, meine Bewegungen wie ihre aussehen zu lassen, auch wenn mir das sichtlich schwerfiel. Die Musik änderte sich und es kamen neue Bewegungen, Schrittfolgen und Drehungen dazu, die meine koordinativen Fähigkeiten in sämtlichen Belangen überforderten. Es waren einfach zu viele Schritte, da kam ich nicht hinterher. Während alle mit ihrer Drehung schon fertig waren, drehte ich mich noch immer in die falsche Richtung und stieß fast mit Jessi zusammen.
„Andere Richtung, Zilas. Andere Richtung.“ Zu einem Lied musste man in die Hocke gehen, worauf vor allem Bewegungsmuffel McKenzie keine Lust hatte. Im Gegensatz zu seinem steifen Hüftschwung waren meine orthodoxen Tanzbewegungen noch filigran und sehenswert. Er war heillos überfordert, was insbesondere Edlin zum Lachen brachte. Immer wieder kommentierte er McKenzies Bewegungen, worauf er postwendend einen Mittelfinger vom Amerikaner zurückgefeuert bekam.
„Shut up, Ääädlin“, sagte McKenzie in Edlins Richtung, nachdem dieser erneut „down McKenzie“ gebrüllt hatte. Edlin hielt sich den Bauch vor Lachen und vergaß ganz das Tanzen.
Zu McKenzies Erleichterung war das Getanze nach gut zehn Minuten wieder vorbei. Alle setzten sich zurück auf ihre Plätze und griffen nach ihren Getränkeflaschen und Cola-Dosen. Wir Newbies blieben vorne stehen. Wir hatten ja noch eine Aufgabe vor uns. Anna ließ die Musikbox verstummen und wiederholte noch einmal, was alles in unserer Selbstpräsentation vorkommen sollte: Name, Alter, Nationalität, Länge Aufenthalt, Single oder vergeben, Tattoos und Piercings und Erwartungen.
Diesmal wurde Marlene nicht unterbrochen:
„Hey guys, my name is Marlene. I am 18 years old, and I come from Austria. I have no tattoos, only one piercing and I will stay for four weeks. Ähm, anything else?“
„Hobbies and single or not“, erinnerte sie Anna.
„Ah yes. I am single and hobbies are … taking photos, meeting friends and drinking with them alcohol.“ Sie lachte. Schon im Bus hatte sie mir erzählt, dass Wein ganz oben auf ihrer Skala stand.
„Thank