Hyäne - ach du meine Güte. Auch das noch … Wie viele Jacobis, Brutusse und Gumbis sollte es hier den noch geben? Ich sah meinen Körper bereits nach der ersten Woche von Tattoos übersät.
„Hey Gumbi. You still living. Nice to see you, haha.“ McKenzie schaute freudig ins Gehege von Gumbi. Ich tat es ihm gleich. Man musste schon genauer hinschauen, um ein Tier im Gehege zu erkennen. Anstelle einer Hyäne sah ich nur ein graues Fellknäuel, das mitten im Gehege in der Sonne lag und sich nicht rührte. War das die Hyäne? Bis auf ein zuckendes Ohr und leichtes Bauchheben beim Atmen konnte ich kein Lebenszeichen erkennen. Anna erzählte, dass Gumbi einer der Stars auf der Farm war und mit seinem Alter von zwanzig Jahren eine der ältesten Hyänen weltweit sein musste. Man konnte ohne Probleme in sein Gehege gehen und ihn am Bauch streicheln. Gedanklich strich ich das hyänenartige Wollknäul aus meiner Brutus-Jacobi-Liste. Von ihm ging wirklich keine Gefahr aus.
„Wenn ihr ihn füttert, dann müsst ihr ihm zum klein geschnittenen Fleisch - seine Zähne sind nicht mehr so gut - drei Eier und zwei Vitamintabletten in den Napf legen“, erklärte Joschka. „Aber das lernt ihr alles in den nächsten Tagen. Auch was Jacobi und die anderen Paviane zu essen bekommen.“
Angekommen an einem weiteren Tor, stiegen wir erst über zwei schlafende Hunde und erreichten dann eine große Wiese. Bedächtig schloss ich das Gatter hinter mir. Auf der grünen Wiese bot sich uns ein interessantes Schauspiel. Mehrere Tiere liefen wild durcheinander, meckerten sich an oder beschnupperten sich gegenseitig am Hintern. Ein kleiner Steinbock namens Max duellierte sich gerade mit den Hörnern eines Lämmchens, während Melanie, eine gefühlt drei Meter große Babyantilope, neugierig den Panzer einer Schildkröte beobachtete, die langsam über das grüne Gras krabbelte. An einem kleinen Wasserloch versuchten zwei Gänsemännchen laut schnatternd herauszufinden, wer mehr Testosteron in den Flügeln hatte. Die Damenwelt schaute ihnen dabei interessiert aus dem Wasser zu und gab erste Wetten ab. Von den weißen Gänsen fiel mein Blick auf einen seltsamen Vogel. Wir liefen gerade über mehrere Steinplatten zu einem beleuchteten Gebäude, das am Ende der großen Wiese erbaut war. Noch nie hatte ich einen so hässlichen Vogel in meinem Leben gesehen. Sein Kopf war rosa gefärbt und ganz schrumpelig. Pickel übersäten sein ganzes Gesicht und er schrie wild durch die Gegend. Seine Augen waren vom Schreien ganz rot unterlaufen.
„Anna, was ist das für ein Vogel dahinten?“
„Meinst du den Vogel da?“
„Den mit dem rosa Kopf.“
„Ach den. Das ist ein Truthahn. Sag bloß, du hast noch nie einen Truthahn gesehen.“
„Ähm, schon, aber nicht in der Form …“ Ich dachte an das Truthahn-Baguette, das ich in Zürich gegessen hatte. Bei dem schrumpeligen langen Lappen, der ihm über den Schnabel hing, hatte ich plötzlich einen ganz komischen Nachgeschmack im Mund. Ich hoffte, dass das auf dem Baguette nicht das gewesen war, das dem Truthahn da im Gesicht baumelte.
„Ah, McKääääääänzie.“ Der Nachgeschmack und die Gedanken an das Truthahn-Baguette verschwanden, als wir den Restaurantbereich erreichten.
„Hey, McKäääääänzie. Huhu.“ Zwei dunkelhäutige Frauen in weißer Küchenkleidung standen hinter der Restaurantbar und hatten McKenzie entdeckt. Aufgeregt winkten sie lachend in seine Richtung. Sie wirkten wie zwei Teenager, die gerade Harry Potter persönlich gesehen hatten, wie dieser lässig zur Filmpremiere über den roten Teppich schritt. Ihr Gekreische deutete zumindest darauf hin.
„Nice to see you, McKenzie. How are you?“
„I äm good, thäääänks“, antwortete er lässig. „Girls, how are you?“ Beide Frauen kicherten aufgeregt. Langsam erwachte in mir der Eindruck, dass McKenzie auf der Farm der zweite Star neben Gumbi sein musste. Jeder kannte ihn und grüßte ihn lachend.
„Essen die Volontäre auch immer im Restaurant?“, fragte Marlene erwartungsfroh. Der Restaurantbereich mit den schön dekorierten und gedeckten Tischen hatte etwas und lud zum Verweilen ein. Über den Tischen hingen in den Baumkronen überall Lichterketten, die mit ihrem warmen Lichtschein das schöne Ambiente mit Blick auf die Tiere abrundete. Leider musste Anna sie enttäuschen:
„Leider nein. Hier essen meistens nur die Farmgäste, die draußen bei den Paviangehegen entweder campen oder dort einen Bungalow beziehen. Einmal in der Woche dürfen aber die Leaver hier essen.“
„Leaver?“
„Die in der Woche dann abreisen. Die dürfen sich eine Gästeliste zusammenstellen und dann hier den Abend ausklingen lassen. Ist immer was Besonderes, so ein Leaver-Dinner.“ Anna lächelte.
„Oft ist das Restaurant aber auch leer, weswegen wir nicht verstehen können, dass wir dann nicht hier essen dürfen“, ergänzte Joschka.
„Warum nicht?“, fragte ihn Jessi. „Wenn ihr da essen geht, dann sind das doch auch Einnahmen für das Restaurant. Weswegen haben wir sonst eine Kreditkarte bekommen?“
„Ist halt nicht gewollt. Aber gut - was soll man machen?“ Joschka zuckte mit den Schultern. „Ist deren Problem.“
„Man muss nicht alles verstehen. Wir essen immer dort hinten. Kommt mit. Die anderen warten schon auf euch.“ Wir folgten Anna an den Restauranttischen vorbei und näherten uns immer mehr den Stimmen, die rechts vom Restaurant zu hören waren.
Sie verstummten, als sie uns kommen sahen.
30 VOLONTÄRE UND EIN DIEB
(CHAPTER SEVEN)
Ich fühlte mich wie ein Artist in einer Zirkusmanege. Nicht etwa, weil der Ort mit der Feuerstelle in der Mitte und den vielen Bänken und Tischen drumherum stark an ein Zirkuszelt erinnerte. Vielmehr, weil uns gerade dreißig Augenpaare neugierig anschauten und unsere Körper von Kopf bis Fuß scannten. Es fehlten nur noch die Scheinwerfer und der Zirkusdirektor, der uns ankündigte. „Keine unüberlegten Aktionen, Männer! Nur lächeln und winken“, schoss mir die Taktik der Pinguine aus Madagaskar durch den Kopf. Keine unüberlegten Aktionen, McKenzie. Wie er setzte ich mein schönstes Lächeln auf.
„Hey, Guys.“
„Hey, Anna“, schallte es zurück. Alle Augen waren auf sie gerichtet.
„Say hello to the Newbies.“
„Hello Newbies.“ Ich schmunzelte, schien ich mich doch sehr an ein Fußballspiel erinnert, in dem die Heimmannschaft gerade ein Tor erzielt hatte und der Stadionsprecher die fünfzigtausend Kehlen zum Ausrasten brachte.
„Torschütze mit der Nummer 10: Luuukas …“
„… Podolski.“
„Luuukas …“
„… Podolski.“
„Luuukas …“
„Podolski - Fußballgott!!!“
„Neuer Spielstand: Deutschland?“
„1.“
„Frankreich?“
„0.“
„Danke schön!“
„Bitte!“
„Schalala …“
„Schalalalalalaalalalalal“
Zufrieden drehte sich Moderator Anna zu uns. „So, Leute: Das sind die Oldies, also die anderen Volontäre. Nächste Woche gehört ihr dann auch zu den Oldies, wenn wieder Neue kommen. Setzt euch einfach an irgendeinen Tisch dazu und denkt dran: English please.“
Ich schaute in die Runde und in die vielen neugierigen Gesichter. Jungen und Mädchen, die Mädchen waren deutlich in der Überzahl, saßen bunt gemischt zusammen unter einem Holzdach, das sich im großen Bogen um die Feuerstelle erstreckte und die einzelnen Tische und Bänke bedeckte.