Kompetenzorientierter Unterricht auf der Sekundarstufe I. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035504743
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Erläutern an Beispielen, modellhaftes Darstellen

      Anwendung: Die Lernenden können das erworbene Wissen in einer gegenüber der Lernsituation neuen, veränderten Situation anwenden.

      •Informationen zur Lösung von Problemen nutzen, Wissen in einen neuen Zusammenhang einbauen, Fertigkeiten in veränderten (praktischen) Situationen anwenden

      •Verknüpfungen und Beziehungen erkennen

      •Situationsgerechtes Transformieren, Anpassen von Wissen und Fertigkeiten an neue Anforderungen

      •Mit dem Wissen argumentieren, diskutieren

      Analyse: Die Lernenden können das, was sie wissen, in seine Elemente und Beziehungen zerlegen und tiefer analysieren.

      •Struktur zerlegen um im Einzelnen darlegen, Verarbeitungstiefe suchen

      •Zu den Elementen, den logischen und semantischen Beziehungen eines Begriffs/eines Zusammenhangs vorstossen

      •Unter verschiedenen Gesichtspunkten, Perspektiven einen Sachverhalt in seiner Struktur durchschauen

      •Eine Struktur vergleichend mit einer anderen Struktur betrachten

      Evaluation, Urteil, Synthese: Die Lernenden können Situationen reflektieren, beurteilen und kritisch prüfen.

      •Gedanklich oder real experimentierend eine Sache prüfen, sich ein Urteil bilden

      •Situationen vor dem Hintergrund von Normen und Wertgesichtspunkten prüfen, beurteilen, infrage stellen

      •Positionen vergleichend darstellen, kritisieren oder verteidigen

      •Sachverhalte abwägen, kriteriengeleitet und perspektivenbezogen erörtern

      Entwicklung: Die Lernenden entwickeln neue Ideen, neues Wissen und darauf aufbauende Techniken und Produkte.

      •Planen, Entwerfen, Entwickeln, Erfinden, Konstruieren

      •Design von Produkten aus der kreativen Kombination von Dingen und Ideen

      •Nutzung von Einsichten zur Herstellung neuer gedanklicher Strukturen

      •Gestalten, Weiterentwickeln von Techniken, Abläufen und Produkten

      Den dank unterschiedlich herausfordernden Lernaufgaben adaptiven Unterricht (Beck et al. 2008; Brühwiler 2014), der aus heutiger Sicht zudem auf den Erwerb von Kompetenzen ausgerichtet ist, beurteilten Helmke und Weinert schon im Jahre 1997 als zukunftsträchtig:

      «Das gleichermassen variable wie flexible Modell des adaptiven Unterrichts ist gegenwärtig das wissenschaftlich fundierteste und didaktisch aussichtsreichste unterrichtliche Konzept, um auf die grossen und stabilen interindividuellen Unterschiede der Schüler in didaktisch angemessener Form zu reagieren.» (Helmke u. Weinert 1997, 137)

      Der adaptive, kompetenzorientierte Unterricht beruht auf dem heutigen kognitiv-(sozial-)konstruktivistischen (auch ko-konstruktivistischen) Verständnis von Lernen und Lehren, wie nachfolgend dargestellt wird.

      Dass dem Erwerb von Wissen und Können konstruktive Prozesse zugrunde liegen, geht zurück auf die Erkenntnistheorie von Immanuel Kant (1724–1804) und auf Piagets genetischen Konstruktivismus als entwicklungspsychologische Weiterentwicklung von Kants Erkenntnistheorie. In die weitere Entwicklung bis zum heutigen kognitiv-(sozial-)konstruktivistischen Verständnis geht die soziokulturelle Theorie des russischen Psychologen Lew Semionowitsch Wygotski (1896–1934) ein. Der Aspekt des Sozialen und Kulturellen ist für Wygotski beim Lernen zentral; Lernen findet immer in einem soziokulturellen Kontext statt, das heisst unterstützt durch andere, die mehr wissen und können als der Lernende. Sein Begriff «Zone der proximalen (= nächsten) Entwicklung» bezeichnet «die Distanz zwischen dem aktuellen Niveau der Entwicklung, das sich in der Fähigkeit manifestiert, selbstständig Probleme zu lösen, und dem Niveau potenzieller Entwicklung, das durch die Fähigkeit bestimmt ist, Probleme unter der Anleitung eines Erwachsenen oder in Zusammenarbeit mit einem Mitschüler zu lösen» (Vygotsky 1978, 86).

      In der Kritik der reinen Vernunft (1787) fragt Kant nach den Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens (der Welt) durch den Menschen, mithin noch den beim Subjekt vorliegenden Voraussetzungen für Erkenntnis. Nach Kant ordnet der Mensch die Erfahrung der Welt, die er mit den Sinnen erfährt, spontan nach angeborenen Kategorien und Anschauungsformen, den «a priori». Indem diese die sinnlichen Eindrücke nach ihnen innewohnender Art spontan ordnen, «konstruieren» wir unsere Erkenntnis von der Welt. Erkennbar ist dies beispielsweise bei optischen Täuschungen. Was vor den Augen steht, ist nicht dasselbe, wie was tatsächlich wahrgenommen wird. Der «rohe Stoff der sinnlichen Erfahrung» wird durch das «System aller Prinzipien der reinen Vernunft» in eine spontan entstehende Ordnung gebracht, was Kant wie folgt zum Ausdruck bringt:

      «[…] so gibt die Vernunft nicht demjenigen Grund, der empirisch gegeben ist, nach […], sondern macht mit völliger Spontaneität[22] eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirischen Bedingungen hineinpasst […].» (Kant 1787, Kapitel 109)

      Dies bedeutet, weiter ausgeführt:

      «Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung [d.h. mit dem rohen Stoff sinnlicher Eindrücke; M. B.] anfange, daran ist gar kein Zweifel […]. Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an […]. Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum noch nicht eben aus der Erfahrung. Denn es könnte wohl sein, dass selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrücke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermögen [durch sinnliche Eindrücke bloss veranlasst; M. B.] aus sich selbst hergibt.» (Kant 1787, Kapitel 6)

      Mit heutiger Sprache gesprochen: Die Bedeutung, die den in den Sinneskanälen einkommenden Daten zugeordnet wird, ist nicht an sich gegeben, sondern wird von der wahrnehmenden Person in Abhängigkeit von ihren kognitiven und wissensmässigen Voraussetzungen festgelegt. So etwa sieht ein Experte in einem Gegenstand mehr, anderes, Differenzierteres, Tieferes, Präziseres. Mit Kant gesprochen: «Wir erkennen von den Dingen a priori nur das, was wir selbst in sie hineingelegt haben» (Kant 1787, Prolegomena). In der Folge ist jeder nachfolgende Wissensaufbau, der auf den eigenaktiv von der Person konstruierten Bedeutungen basiert, ein weiterer eigenaktiver Konstruktionsprozess. Zum Wissen wird die Erkenntnis, wenn sie unabhängig vom erkennenden Subjekt gültig ist.

      Kants Erkenntnistheorie aufnehmend, zeigte Piaget in seiner als genetischer Konstruktivismus bezeichneten Theorie auf, wie die Wissens- und Handlungsstrukturen des Menschen das Ergebnis eines vom Individuum selber ausgeführten, zunehmend verinnerlichten und systematisierenden kognitiven Prozesses sind. Entwicklungspsychologisch gesehen, beginnt dieser mit den angeborenen Reflexen (analog zu Kants angeborenen a priori) und entwickelt sich über das präoperationale, das sensomotorische und das konkret-operatorische zum formal-operatorischen Denken des jungen Erwachsenen (Piaget 1973; 1974a; 1974b). Erworbene Begriffe, Konzepte, Theorien, Auffassungen und mentale Vorstellungen werden zu Instrumenten des Denkens, die analog zu Kants a priori die Erfahrung der Welt ordnen.

      Wissen wird durch Assimilation erworben – denjenigen Prozess, durch welchen jeder Mensch die Gegebenheiten der Welt mental nachbaut und neue Wissens- und Handlungsstrukturen in seine schon bestehenden Wissens- und Handlungsstrukturen integriert. Gelingt die Assimilation nicht, weil die passenden Assimilationsschemata (das Wissen und Können) fehlen, ist deren Akkommodation erforderlich, die Anpassung vorhandener Wissens- und Handlungsstrukturen an die Erfordernisse, welche die zu assimilierende Gegebenheit der Welt an das assimilierende Subjekt stellt. Durch die Akkommodation werden neue Assimilationsschemata verfügbar als Voraussetzung für Assimilation. Äquilibration (Gleichgewicht) zwischen Assimilation und Akkommodation besteht immer dann, wenn es gelingt, die Gegebenheiten der Welt mit den verfügbaren Wissens- und Handlungsschemata zu erfassen. Gelingt dies nicht, besteht ein Disäquilibrium, und dieses Ungleichgewicht ist als