Kompetenzorientierter Unterricht auf der Sekundarstufe I. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035504743
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in Schulsprache, Fremdsprachen, Mathematik und Naturwissenschaften bis am Ende des 4., 8. und 11. Schuljahres erwerben sollen» (www.edk.ch → Nationale Bildungsziele; das erste Kindergartenjahr gilt als erstes Schuljahr. Zusätzlich wurden die Zyklen 2 und 3 mit einem Orientierungspunkt versehen; den Lehrpersonen dient dieser als «Planungs- und Organisationhilfe» (Lehrplan 21: Überblick → Verbindlichkeiten → Orientierungspunkte), weil er angibt, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler am Ende der 4. bzw. in der Mitte der 8. Klasse verbindlich erworben haben müssen.

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      Ein gravierendes Problem von Lehrplänen ist nach Oelkers (2014, 9), dass «die reale Entwicklung des Lernstandes, […] nicht den Zyklen des Lehrplans folgt». Es gibt Schülerinnen und Schüler, welche den erwarteten Lernstand übertreffen, andere, die ihn noch nicht erreichen. Forschungsprojekte und Lernstandserhebungen bestätigen dies. Sie zeigen beispielsweise, dass «beim Schuleintritt knapp vier Fünftel der Kinder […] den Mathematik-Lernstoff der ersten Klasse bereits teilweise bewältigen. Ein weiteres Fünftel […] bewegt sich am ersten Schultag bereits im Lernstoff der zweiten Klasse» (Bildungsdirektion Kanton Zürich 2005, 5). Im Fach Deutsch beherrscht beim Schuleintritt bereits ein Drittel der Kinder die Lesekompetenzen der ersten Klasse.

      Unterstützung in umgekehrter Richtung bekommen die Aussagen von Oelkers durch die Forschungsresultate von Moser, Buff, Angelone und Hollenweger (2011, 48). Bei einer Lernstandserhebung am Ende der 6. Klasse zeigte sich, «dass knapp ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler die Anforderungen des Lehrplans in den geprüften Bereichen nur teilweise erfüllt». Dies hat sich seit der letzten Untersuchung im Jahre 1998 nicht verändert. Weiter vermerken die Autoren eine über die Zeit grösser werdende Leistungsschere auf der Mittelstufe. Im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern Ende der 3. Klasse gibt es Ende der 6. Klasse mehr Kinder, welche die Ziele des Lehrplans nicht erreichen können, ganz nach dem als «Matthäus-Effekt» bekannten Prinzip. Weinert bestätigt dies und empfiehlt Egalisierungsbemühungen im Unterricht deshalb nur für den Kompetenzerwerb bis zum Niveau von Grundkompetenzen. So können durch Unterrichtsdifferenzierung, beispielsweise im Tempo, vor allem aber durch unterschiedlich anspruchsvolle Lernaufgaben oder eine Lernaufgabe, die unterschiedlich umfassend und tief bearbeitet werden kann, alle Schülerinnen und Schüler trotz unterschiedlichen Lernfähigkeiten mindestens das grundlegende Kompetenzniveau erreichen; «unter vergleichbaren schulischen Lernbedingungen ist es nicht möglich, die individuellen Lern- und Leistungsunterschiede generell aufzuheben» (ebd., 85).

      Mit der Ausrichtung auf Kompetenzen wird der Unterricht zum kompetenzorientierten Unterricht.[21]

      6.1 Neue Aufgaben für Unterricht und Lehrperson

      Generationen von Pädagogen, Erziehungswissenschaftlern, Lehrerinnen und Lehrern haben sich im Sinne von Roth (1971) auf Kompetenzen bezogen, und weiterhin ist auch im Alltags-, Berufs- und Geschäftsleben oft von Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz die Rede. Eine Schwäche von Roths Konzepts ist, dass es in Bezug auf die Unterrichtsfächer und -inhalte keine genauen Aussagen macht (Müller, Gartmeier u. Prenzel 2013, 140). Im Gegensatz dazu werden in PISA «zentrale und grundlegende Konzepte […] aus dem jeweiligen Fachkontext getestet, die für ein Verständnis der Welt aus der Perspektive des Faches zentral sind» (Prenzel et al., 2003). Dasselbe Verständnis liegt – wie oben dargestellt – den Bildungsstandards und dem Lehrplan 21 zugrunde, ebenso dem sich daraus ableitenden kompetenzorientierten Unterricht. Der zentrale Punkt ist, «dass in der Schule erworbenes Wissen in unterschiedlichen Situationen flexibel anwendbar und anschlussfähig für nachfolgendes Lernen sein soll» (Müller, Gartmeier u. Prenzel 2013, 128). Indem zudem «weniger Inhalte abgehandelt werden und diese von den Schülerinnen und Schülern aktiver, lebensweltbezogener und kooperativer erarbeitet» werden, «wird die im Unterricht realisierte Verarbeitungstiefe eher erhöht als gesenkt» (ebd.). Dies hat Konsequenzen für die Lehrpersonen.

      «Diese sind nunmehr gefordert, ihren Unterricht kompetenzorientiert zu gestalten. Damit rückt das blosse Faktenwissen in den Hintergrund und das konzeptuelle Verständnis sowie das kumulative Lernen in den Vordergrund. Bedeutung gewinnen nicht nur Lern- und Problemlösestrategien; ins Blickfeld rücken etwa auch motivationale Orientierungen, die Fähigkeit zur Selbstregulation sowie fächerübergreifende Fähigkeiten.» (Ebd.)

      Übergreifend gesehen, findet gemäss Reusser (2014a, 325) «seit geraumer Zeit eine schulform- und stufenübergreifende Akzentverschiebung curricularer Vorgaben» statt, nicht jedoch ein radikaler Paradigmenwechsel. Der Lehrplan 21 ist als «Fortschreibung einer seit Langem im Gang befindlichen Entwicklung» zu sehen, «wonach es in der schulischen Allgemeinbildung um eine tief verstandene, fachliche und überfachliche, auf mehrdimensionale Outcome-Variablen gerichtete Fähigkeits- und Wissensbildung geht». Es liegt «keine Abkehr von einer fachlichen Wissensbildung und schon gar nicht von der Leitidee des verständnisorientierten und problemlösenden Lernens vor» (ebd., 326). Kompetenz als Orientierungspunkt für den Unterricht (die Output-Orientierung) schlägt vielmehr «eine Brücke vom Wissen zum Handeln» (Prenzel et al. 2007, zit. in: Müller, Gartmeier u. Prenzel 2013, 132). Allerdings bleiben die als Folge von PISA eingeführten Bildungsstandards wirkungslos, wenn sie «nicht bis zum Unterricht durchdringen und […] nicht die Lehrpersonen und letztendlich die Schülerinnen und Schüler als eigenständige Lernende erreichen» (Oelkers u. Reusser 2008, 324). Im kompetenzorientierten Unterricht stehen deshalb (a) die Fähigkeiten, welche die Schülerinnen und Schüler erwerben sollen, im Zentrum und dass (b) im Unterricht Gelegenheiten geschaffen werden, damit die Lernenden diese Fähigkeiten entwickeln können. Das Ziel des Unterrichts sind Kompetenzen – nicht mehr allein Wissensziele wie nach den bisherigen Lehrplänen – «zur bewussten Bewältigung bestimmter Anforderungen in Form von Denkoperationen oder Handlungen; ([diese sind] immer bereichsspezifisch: bei bestimmten Dingen kennt man sich aus und weiss, was man tut, oder kann begründen, warum man es so und nicht anders macht)» (Lersch u. Schreder 2013, 37).

      Nach dem Lehrplan 21 ist «eine Schülerin oder ein Schüler beispielsweise in einem Fachbereich kompetent, wenn er/sie

      •auf vorhandenes Wissen zurückgreift bzw. das notwendige Wissen beschafft,

      •zentrale fachliche Begriffe und Zusammenhänge versteht, sprachlich zum Ausdruck bringen und in Aufgabenstellungen nutzen kann,

      •über fachbedeutsame (wahrnehmungs-, verständnis- oder urteilsbezogene, gestalterische, ästhetische, technische …) Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Lösen von Problemen und zur Bewältigung von Aufgaben verfügt,

      •sein oder ihr sachbezogenes Tun zielorientiert plant, in der Durchführung angemessene Handlungsentscheidungen trifft und Ausdauer zeigt,

      •Lerngelegenheiten aktiv und selbstmotiviert nutzt und dabei Lernstrategien einsetzt,

      •fähig ist, ihre bzw. seine Kompetenzen auch in Zusammenarbeit mit anderen einzusetzen». (Lehrplan 21: Grundlagen → überfachliche Kompetenzen)

      6.2 Merkmale des kompetenzorientierten Unterrichts

      Die folgenden Merkmale kennzeichnen nach Müller, Gartmeier u. Prenzel (2013, 133–134) den kompetenzorientierten Unterricht:

      1. Bezüge zwischen Lerninhalten und realen Problemsituationen: Wissen ist weder Selbstzweck noch bloss eine Bedingung für das Bestehen der nächsten Prüfung in der Schule. Vielmehr ist es nützlich für das Lösen vielfältiger, komplexer, alltagsnaher Probleme. «Deshalb stellt kompetenzorientierter Unterricht (in Form von Aufgaben) Probleme in den Mittelpunkt des Lernens und kreiert so wirklichkeitsnahe Lernanlässe» (ebd.).

      2. Aktive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand (kognitive Aktivierung): Für das Lernen zentral sind die kognitiven Aktivitäten der Lernenden, da die eigene aktive mentale Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand die Voraussetzung ist, dass Lernen stattfindet. Der kompetenzorientierte Unterricht erfüllt die nötigen Bedingungen dafür, indem Schülerinnen und Schüler beispielsweise dazu