Mysterium fidei. Lothar Lies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lothar Lies
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429060329
Скачать книгу
gesandt. Dieser soll das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführen und alle Heiligung vollenden. So bitten wir dich, gütiger Vater: Der Geist heilige diese Gaben, daß sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns die Feier dieses Geheimnisses hinterlassen hat zum ewigen Bund« (IV. Hochgebet).

      Dann beruft sich der Priester auf den Einsetzungsbericht. Dieses »Tut dies zu meinem Gedächtnis« ist der Rechtstitel, diese Bitte Gott vorzutragen. Aber es werden noch andere Bitten, ähnlich dem jüdischen Pascha, zum Ausdruck gebracht: die Bitten, nun nicht nur um Gegenwart Gottes und Christi hier und jetzt, sondern um Gottes wirksame Gegenwart für die einzelnen Menschengruppen, die nicht da sind. So betete der Jude für Verwandte, Volk und Vaterland, für die Kranken, Entrechteten: Jahwe möge an ihnen seine Größe und Nähe offenbaren. Jetzt verstehen wir auch, warum das Johannesevangelium anstelle des Abendmahlsberichtes das Hohepriesterliche Gebet enthält: Die Anliegen des Hohepriesterlichen Gebetes gehören in Jesu Passafeier. Und so betete Christus um die Einheit: daß sie eins sind, wie der Vater und ich eins sind. Und so betet die Kirche, aus dem Bewußtsein, Christus ist gegenwärtig in der Feier und in den Gestalten von Brot und Wein, den Vater an: »Sieh her auf die Gabe, die du selbst deiner Kirche bereitet hast, und gib, daß alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im Heiligen Geist, ein lebendiges Opfer in Christus zum Lob deiner Herrlichkeit« (IV. Hochgebet).

      Dann fleht die Kirche für die für diese Einheit Verantwortlichen: Papst, Bischöfe, Priester, Diakone, Laien, für Lebende und Verstorbene, vergewissert sich der Gemeinschaft der Heiligen und lobt den Vater aus dem Bewußtsein, eine Bitte geäußert zu haben, die unfehlbar erhört wird.

      III. STAUNEN VOR DER GEGENWART GOTTES IN CHRISTUS

      Schon der gläubige Jude war von der Gegenwart Gottes in der liturgischen Feier des Passa ergriffen. Der transzendente, mit keinem Namen einzufangende Gott ist in seinen Handlungen gegenwärtig. Wie damals an Israel, so handelt er heute an Israel, wird er morgen handeln an Israel. Er wird Nahrung spenden und Freiheit gewähren. In Jesus Christus hatten die Juden eine ganz neue Gegenwart Gottes erkannt, nicht nur in Handlungen, sondern personal, so daß man sagen konnte: Wer Jesus sieht, der sieht den Vater. Und genau diese Gegenwart feierte ja auch das Abendmahl: Das ist mein Leib, heißt ja nicht: das ist ein Teil von mir. Es heißt: Das bin ich. Jesus, der Sohn Gottes. Ich bin bei euch! Und auch hier entsteht neuerliches Staunen. Brot und Wein sind nicht bloß Zeichen der Gegenwart Gottes in seinem Handeln, nicht bloß Zeichen des Leibes Christi, getrennt von seiner Gottheit, sondern sie sind die Gegenwart des ganzen Christus: Gottheit und Menschheit, und zwar unerwartet: in den Zeichen menschlicher Not!

      Auch die Kirche weiß um diese Gegenwart. Sie ereignet sich wie im Abendmahlssaal so heute. Christus gibt sich noch heute uns: »Nehmet und esset alle davon. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Ebenso nahm er den Kelch mit Wein, dankte und reichte ihn seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des Neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis« (IV. Hochgebet). Diese Gegenwart regt zum Staunen an; der Diakon oder der Priester rufen demnach auch: »Geheimnis des Glaubens.« Und alle bestätigen staunend diese Gegenwart der Person Christi mit jenen Ereignissen, da Gott seine Größe gezeigt hat: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.«

      IV. LOBPREIS UND HINGABE

      Alle Gebete des Passamahles, auch die, die den Charakter der Bitte tragen, sind eingesetzt in den Rahmen des großen Gotteslobes und des Dankes. Die Passamahlgebete sind eine große Eucharistie, ein Preisgesang, in dem sich der fromme Jude mit seiner Familie dem Wirken Gottes anvertraut und übergibt: Wir preisen dich und danken dir, weil du die Welt erschaffen, uns darin Wohnung und Nahrung gegeben hast. Wir danken dir, weil du uns aus Ägypten herausgeführt hast. Und weil alle Juden wissen, daß sie nur im Segen und in der Gnade Jahwes geborgen sind, schenken sie sich diesem Gott hin. Sie gehen auf die Nähe Jahwes zu und verpflichten sich ihm, wissend, daß sie dies nicht aus sich tun, sondern von der Gnade Gottes getroffen sind. Auch im Abendmahlsgeschehen dankt Jesus für dies alles wie jeder gläubige Jude. Auch die Apostel tun dies. Aber auch Jesus und die Apostel danken für die besondere Nähe Gottes in Jesus selbst. Und übergeben sich dem nahen Gott. Sie gehen den Bund ein, den die Nähe Gottes in Christus anbietet: »Und er erhob seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt. Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast. Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war« (Joh 17,1–5).

      Auch die Eucharistiefeier der Kirche ist von diesem großen gedenkend-staunenden Lobpreis bestimmt. Das IV. Hochgebet leitet die Kirche mit dem Lobpreis der Präfation ein: »In Wahrheit ist es würdig, dir zu danken, ja, es ist recht, dich zu preisen, heiliger Vater. Denn du allein bist der lebendige und wahre Gott …«

      Das eucharistische Gebet beginnt sie: »Wir preisen dich, heiliger Vater, denn groß bist du, und alle deine Werke künden deine Weisheit und Liebe …« Den Lobpreis des Hochgebetes endet sie: »Und wenn die ganze Schöpfung von der Verderbnis der Sünde und des Todes befreit ist, laß uns zusammen mit ihr dich preisen in deinem Reich durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit.«

      V. ERGEBNIS

      Unsere Eucharistiefeier umfaßt die Grundgedanken des Passamahles, umfaßt das Abendmahlsgeschehen und feiert zugleich Gegenwart all dessen, um sich in den gegenwärtigen Christus hineinzugründen.

      Zur theologischen »Gestalt« der Eucharistie

      I. FRAGESTELLUNG

      Mysterientheologie, liturgische Bewegung und Rezipienten suchten mit den Begriffen »Gestalt«, »Grundgestalt«, »Sinngestalt«, »dogmatische Sinngestalt«, »liturgische Gestalt«, »Feiergestalt« das Wesen der Eucharistiefeier als Opfer, Mahl oder Eucharistia zu bestimmen (II). Uns ist die »Eulogia« (Berakah, benedictio, Segen) Sinngestalt der Eucharistiefeier (III).

      II. EUCHARISTIE: OPFER ODER MAHL?

       1. Reformation und Trient

      In der Messe als Sühnopfer sah die Reformation Lästerung des einmaligen Opfers Christi und den Hauptangriff gegen ihre Rechtfertigungslehre »sola gratia«.1 Ihr bestimmte »Nehmet hin und esset« die Eucharistie wesentlich als Mahl. Trient verteidigte beides: Opfer und Mahl, ohne die Einmaligkeit des Kreuzesopfers abzuschwächen. Die 22. Sitzung (17. Sept. 1562) behandelt das Meßopfer (DH 1738–1760): Einerseits hat Christus »zwar sich selbst ein für alle Male auf dem Altar des Kreuzes durch den eintretenden Tod Gott, dem Vater, opfern wollen [vgl. Hebr 7,27], um für jene [daselbst] ewige Erlösung zu wirken …« (DH 1740). Andererseits ist die Eucharistie sichtbares Opfer, das das vollbrachte Kreuzesopfer darstellt (repraesentaretur), bis zum Ende der Zeit erinnert (memoria … permaneret) und dessen heilbringende Kraft zuwendet (applicetur).2 Weil das Konzil den Sühnopfercharakter (propitiatorium) der Messe in Kanon 3 (DH 1753) ausdrücklich definierte, sprach man im Blick auf das Kreuzesopfer von einem »relativen« Opfer. Das ist irreführend. Denn Kanon 1 betont, daß dieses Sakrament ein »verum ac proprium« (DH 1751) und eben kein »relativum sacrificium« ist, u.a. weil es durch Priester dargebracht werde (DH 1741).3 Damit stellte sich der liturgischen Bewegung die Frage nach der sinngebenden Grundgestalt der Messe: Opfer oder Mahl.

       2. Die Meßopfertheorien

      Katholische Theologen flohen seit Trient zu Meßopfertheorien. Noch 1962 lobt