Dieses gedenkende Element einer Gedächtnisfeier hat sich unsere Eucharistiefeier bewahrt. Wie beim Passamahl gedenkt sie der Unheilsgeschichte Israels und der Heilsinitiativen Gottes. Sie betet zum himmlischen Vater, dankbar all dessen gedenkend, etwa im IV. Hochgebet: »Wir preisen dich, heiliger Vater, denn groß bist du und all deine Werke künden deine Weisheit und Liebe. Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die ganze Welt anvertraut. Als er durch Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen. Voll Erbarmen hast du allen geholfen, dich zu suchen und zu finden. Immer wieder hast du den Menschen einen Bund angeboten und sie durch die Propheten gelehrt, das Heil zu erwarten.«
Bis hierher geht das Gedenken der alttestamentlichen Heilstaten. Und schon tragen Brot und Wein eine Bedeutung, die die der bloßen Nahrung weit übersteigt. Sie sind als »Frucht der Erde« Ausdruck der Schöpfergüte Gottes, als »Frucht der menschlichen Arbeit« Zeichen der dem Menschen von Gott gegebenen Verantwortung über die Welt. Sie weisen auf menschliche Not und Unruhe, aber auch auf göttliche Initiativen hin. Sie sind Zeichen dieses »Immer wieder«, sind Zeichen des Bundes, Zeichen für das Wort der Propheten, das Nahrung sein kann, und Zeichen für Hunger und Durst nach Gott und seiner Treue. Aber die Eucharistiefeier holt noch mehr in ihrem Gedenken ein. Sie erinnert sich zurück auf das Christusereignis, auf Gottes Heilstat in seinem Sohn Jesus Christus. »So sehr hast du die Welt geliebt, heiliger Vater, daß du deinen eingeborenen Sohn als Retter gesandt hast, nachdem die Zeit erfüllt war. Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau. Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich, außer der Sünde. Den Armen verkündet er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude. Um deinen Ratschluß zu erfüllen, hat er sich dem Tod überliefert, in seiner Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen. Er hat uns den Heiligen Geist gesandt, der das Werk des Sohnes weiterführen soll« (IV. Hochgebet). Und wieder erfahren die Gaben eine zusätzliche Bedeutung. Sie sind Zeichen Jesu, aber auch Zeichen unserer Armut, unserer Gefangenschaft, unserer Trauer. Zeichen menschlicher Not und göttlichen Segens. Sie bedeuten Gottes Neuen Bund mit den Menschen in seinem Sohn. Aber diese Zeichen sind auch noch Zeichen der Hingabe Christi an die Menschen und an den Vater. Und an diesen Vater gewendet, betet der Priester gedenkend: »Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Und als die Stunde kam, daß er von dir verherrlicht werde, nahm er beim Mahl das Brot und sprach den Segen, brach es und reichte es seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« (IV. Hochgebet).
Wie das Volk Israel wußte, daß allein Gott seine Rettung sein kann, wie die Jünger erkannten, daß dieser Gott in Jesus Christus uns erlöst, wie sie erkannten, daß der Leib und das Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein ewiges Leben bedeuten, so preist die Kirche den Vater für diese Erlösung, die ihr in der Eucharistiefeier zuteil wird: »Darum feiern wir das Gedenken unserer Erlösung, allmächtiger Gott. Wir verkünden den Tod deines Sohnes und sein Hinabsteigen zu den Vätern, bekennen seine Auferstehung und Himmelfahrt und erwarten sein Kommen in Herrlichkeit« (IV. Hochgebet).
Und wieder bekennen wir, daß Brot und Wein wohl Zeichen des Todes Jesu, ja auch unserer Verlorenheit sind, aber zugleich und vielmehr Zeichen des allen Tod besiegenden Erbarmens Gottes. All dies wird mit den Zeichen unserem Glauben inne, lebt in der Gedächtnisfeier auf. Aber wir spüren schon: Gedächtnis meint ja auch immer Gedenken eines Vergangenen. Wie ist das Vergangene gegenwärtig?
II. EPIKLESE (BITTE UM DIE GEGENWART GOTTES)
Schon beim jüdischen Passamahl war man überzeugt, daß das, was sich einst beim Auszug aus Ägypten ereignete, jene Rettungstat, nun in der häuslichen Feier gegenwärtig werde. Aber dies nicht einfach magisch und automatisch, sondern deshalb, weil das Gedenken der Familie auch schon ein Bitten an Jahwe ist, nun gegenwärtig werden zu lassen, was damals zum Heil des Volkes Israel geschah. Das ganze Passamahl wird also gerade, insofern es Gedächtnismahl ist, von der Bitte um die heute und in Zukunft helfende Gegenwart des Gottes Jahwe begleitet. Die Gaben sind also Zeichen der menschlichen Bitte um die Hilfe Jahwes, aber zugleich Zeichen der Hilfe selbst. Auch das Abendmahl beinhaltet diese Bitte; indem Jesus das Brot und den Wein segnet, bittet er um seine neue, andere Gegenwart bei den Jüngern: jene österliche, geistgewirkte: Das ist mein Leib, das ist mein Blut. Zeichen eines »Neuen Bundes«, einer neuen Gegenwart, die in meinem Blut und Tod beginnen wird. Damit beinhalten die Zeichen von Brot und Wein alle Gegenwartsweisen Gottes im Alten Testament und besonders jene in Christus, dem Neuen Testament. Brot und Wein sind Zeichen der Gegenwart der Inkarnation, also jenes Ereignisses, da die Menschwerdung begann, die in der Geburt offenbar und im Tod als wirkliche Menschwerdung bezeugt wird. Brot und Wein zeigen dann auch an, daß in Menschwerdung und Tod Gott sein Handeln nicht aufgegeben, seine Gegenwart nicht zurückgezogen, sondern neu bestimmt hat. In der Auferstehung Christi wird diese Gegenwart offenkundig. Auch das bedeuten Brot und Wein: sie sind auf die Bitte Jesu hin sein Leib, sein Blut, er selbst.
Auch die Kirche bittet nun, wissend, daß es der Geist ist, der die Gegenwart Gottes in Jesus gebildet hat, wissend, daß es wiederum der Geist ist, der die Gegenwart Christi heute bewirkt: »Damit wir nicht mehr uns selber leben,