34. "Wofern sie aber einwenden, es sein unbillig, daß ihr ihrem Tochterstaate Schutz verleitet, so mögen sie sich belehren lassen, daß jedes Pflanzvolk, so lange es gut behandelt wird, den Mutterstaat ehrt, aber bei erlittener Mißhandlung ihm entfremdet wird. Denn Ansiedler werden ausgesendet nicht um Sclaven, sondern um gleichberechtigt mit den Zurückbleibenden 311 sinn. Es ist aber unzweifelhaft, daß Jene Unrecht gethan haben. Denn in der Sache von Epidamnus zu gerichtlicher Verhandlung eingeladen, wollten sie ihre Beschwerden lieber mit den Waffen, als auf dem Rechtswege verfolgen. Euch aber möge dieses ihr Betragen gegen uns, als Stammsverwandte, aufmerksam machen, daß ihr euch weder durch ihre Täusdungen irre führen lasset, noch auf ihre Bitten sofort ihnen Hülfe leistet. Denn der behauptet seine Sicherheit am besten, welcher am wenigsten Anlaß hat, seine Gefälligkeit gegen Feinde zu bereuen."
35. Ihr werdet aber auch, wenn ihr uns in Schutz nehmet, die Verträge mit Sparta nicht verleben, da wir mit keinem Theile im Bunde stehen. Denn dort ist bestimmt, daß, welcher Griechische Staat in keinem Bündnisse einbegriffen sei, nach Gefallen sich an einen von beiden Theilen anschließen dürfe. Und empörend wäre es doch, wenn es ihnen vergönnt wäre, nicht nur aus dem Gebiete der Bergratsgenossen, sondern auch noch dazu aus dem übrigen Griechenland, und in bedeutender Anzahl aus Euren Untergebenen ihre Schiffe zu bemannen, während man uns von einer Bundesgenossenschaft, zu der alle berechtigt sind, und von anderweitiger Hülfe ausschließen, und euch zum Vorwurf machen wollte, wenn ihr unserer Bitte Gehör gebet. Wir würden vielmehr größeren Grund zur Beschwerde gegen euch haben, wenn wir euch nicht für uns gewinnen. Denn ihr würdet ja uns, die wir in Gefahr und nicht eure Feinde sind, zurückweisen: den Korinthern aber, die eure Feinde sind, und euch bedrohen, würdet ihr nicht nur nicht entgegenwirken, sondern ihr würdet es auch gleichgültig geschehen lassen, daß sie ihre Macht aus eurem Gebiete unrechtmäßig vermehren. Es ist vielmehr billig, daß ihr entweder ihre Werbungen auf eurem Boden hindert, oder auch und Hülfe sendet, auf welche Bedingungen ihr auch mit uns eins werdet. Am billigsten aber ist es, und dadurch zu helfen, daß ihr uns offenen Schutz gewähret. Wir können das bei, wie wir schon im Aufange bemerkten, mancherlei Vortheile für euch nachweisen: der wichtigste ist, daß wir dieselben Gegner haben, was zugleich die sicherste Bürgschaft unserer Treue ist, und zwar keine unmächtigen, sondern solche, welche die Abgefallenen zu züchtigen im Stande sind. Ferner ist es nicht gleichgültig, ob ihr das angebotene Bündniß einer Seemacht (denn wir sind keine Landmacht) von euch weiset. Vielmehr müßt ihr, wo möglich, vor allen Dingen nicht dulden, daß ein Staat seine Schiffe vermehre: wo nicht, so müßt ihr doch den, welcher der zuverlässigste ist, zum Freunde haben."
36. "Und sollte nun jemand diese Vorschläge zwar vors theilhaft finden, aber fürchten, durch deren Befolgung bundbrüchig zu werden, so möge er bedenken, daß sich seine Furcht, da ihr Macht zur Seite steht, den Gegnern furchtbarer machen wird: daß hingegen die Beseitigung jener Bedenklichkeit und des Bündnisses, weil sie ohne Machtvergrößerung bliebe, wenig geeignet sein werde, bei so mächtigen Gegnern Furcht zu erregen. Diese Berathschlagung gilt ja ausserdem eben sowohl Athens, als Corcyra’s Wohl: und man sorgt nicht gut für jenes, wenn man aus Rücksicht für die Gegenwart Bedenken tragen sollte, für einen künftigen und in Kurzem eintretenden Krieg ein Land mit sich zu verbinden, dessen Freundschaft oder Verfeindung von bedeutendem Gewicht ist. Denn Corcyra liegt bequem für die Fahrt nach Italien und Sicilien: so daß diese Insel die Ueberfahrt einer Flotte von da nach dem Peloponnes verhindern kann, dein aber, was von hier aus dorthin geht, sicheres Geleit gewährt. Und auch sonst bietet sie viele Vortheile dar. Um aber in kurzer Hauptsumme das Ganze, wie das Einzelne, zusammen zu fassen, so möget ihr aus Folgendem euch über: zeugen, daß ihr uns nicht hülflos lassen dürfet. Es giebt drei bedeutende Seemächte unter der Hetlenen, die eure, die unsere und die Korinthische. Lasset ihr zwei davon sich vereinigen, und uns den Korinthern zur Beute werden, so werdet ihr mit Corcyra und den Peloponnessern zugleich den Seekampf zu bestehen haben. Nehmet ihr aber uns zu Buna desgenossen auf, so wird im Kampf auf eurer Seite die Mehrzahl der Schiffe sein." Solches trugen die Korcycäer vor. Die Korinther aber redeten nach ihnen in folgendem Sinne:
37. Da die Storcyräer nicht bros von ihrer Aufnahme in euren Schuts, sondern auch davon gesprochen haben, daß wir ungerecht handeln, und sie unbillig bekriegt werden, so müßen auch wir zuvor dieser beiden Punkte gedenken, ehe wir zum übrigen Vortrage und wenden, damit ihr unser Unsinnen um so richtiger im Voraus beurtheilen, und ihre Bitte nicht ohne triftige Gründe abweisen möget. behaupten, aus kluger Mäßigung noch mit Niemanden Bundesgenossenschaft gemacht zu haben. Aber nicht aus tugendhafter, sondern aus böslicher Absicht haben sie diesen Grundsatz befolgt: sie wollten Niemand zum Genossen oder Zeugen ihrer Frevel haben, noch durch die Auffoderung zur Theilnahme beschämt werden. Auch hat ihr Gebiet eine Lage, die ihnen Selbständigkeit gewahrt, und es ihnen möglich macht, über ihre Beeinträchtigungen Anderer selbst die Schiedsrichter zu machen, was bei einem Vertragszustande minder ausführbar wäre, da sie sehr selten zu ihren Nachbarn schissen, hingegen Andere, die nothgedrungen bei ihnen landen, sehr oft aufnehmen. Und darauf beruht ihre Zurückgezogenheit von Bündnissen, die sie als ehrbaren Vorwand gebrauchen, nicht um an fremdem Unrecht keinen Theil zu nehmen, sondern um allein Unrecht zu verüben: um da, wo sie die Stärkern sind, Gewalt zu gebrauchen, und in der Verborgenheit sich Gewinn zu verschaffen, und wo sie irgend etwas weghaschen können, es ohne Beschämung zu thun. Wären sie jedoch, wie sie behaupten, rechtliche Menschen, so könnten sie, je unangreifbarer sie für ihre Nachbarn sind, um so augenscheinlicher ihre Redlichkeit beweisen, wenn sie Recht gäben und nähmen."
38. "Aber so zeigen sie sich weder gegen Andere, noch gegen uns. Denn wiewohl sie unser Pflanzvolk sind, so sind sie doch ganz von uns abgefallen, und führen jetzt Krieg mit uns, unter dem Vorwand, ihre Niederlassung könne doch wohl nicht, um durch uns bedrückt zu werden, gestiftet sein. Wir aber behaupten, daß auch wir die Colonie nicht angelegt haben, um von ihr gemißhandelt zu werden, sondern unter der Bedingung, die Vorsteherschaft zu führen und gebührender Achtung zu genießen. Wenigstens ehren uns unsere übrigen Pflanzstädte, und in hohem Grade widmen uns unsere Töchterstaaten kindliche Liebe. Und es ist unläugbar, daß, wenn die meisten mit uns zufrieden sind, diese allein wohl ein ungegründetes Mißfallen gegen uns hegen müssen; und wir führen nicht einen so auffallenden Krieg, ohne aus: gezeichnete Beleidigungen erlitten zu haben. Hätten wir aber auch gefehlt, so wäre es rühmlich für sie gewesen, unserer Aufwallung nachzugeben, für uns dagegen nicht ehrenvoll, gegen sie bei gemäßigtem Betragen Gewalt zu gebrauchen. Nun aber haben sie aus Uebermuth und auf ihren Reichthum trotzend, neben vielen andern Vergebungen gegen uns, unser Eigenthum, Epidamnus, nach dessen Besitz sie, so lang es in Noth war, nicht verlangten, nun erst, da wir ihm zu Hülfe eilten, mit Gewalt weggenommen, und behalten dasselbe."
39. Freilich behaupten sie, sie hätten sich vorher einer gerichtlichen Entscheidung unterziehen wollen. Dabei kann aber doch wohl die Sache dessen, der sich im Vortheile befindet, und in sicherer Stellung Untersuchung fodert, nicht als begründet erscheinen, sondern dessen, der, ehe man durch, Kampf entscheidet,