64. Die Athener sperrten nun die Festungswerke Potidäa's, gegen die Landenge hin, durch eine Verschanzung, in welche sie eine Beratung legten. Die Seite gegen Pallene blieb ohne Belagerungsschanzen. Denn sie glaubten sich nicht stark genug, neben der Beratung auf der Landenge auch noch auf Pallene überzusetzen und Schanzen anzulegen: indem sie fürchteten, die Potidäer und ihre Bundesgenossen möchten, wenn sie ihre Macht theilten, über sie herfallen. Als nun die Athener in der Hauptstadt hörten, daß auf der Seite von Pallene keine Belagerungswerke sidy befinden, so sandten sie einige Zeit nachher sechzehnhundert von ihren eigenen Schwerbewaffneten mit Phormio, dem Sohne des Alopius, als Befehlshaber. Als dieser nach Pallene gekommen war, so wählte er die Straße von Aphytis her, und näherte sich, mit dem Heere allmählig vorrückend, und zugleich das Gebiet verwüstend, der Stadt Potidia. Da nun Niemand zum Widerstande heranrückte, so sperrte er durch Schanzen die Festungswerke auf der Seite von Pallene: und so wurde nun Potidäa von beiden Seiten und zugleich von der Seeseite durch Schiffe, die dort vor Anker stunden, ernsthaft belagert.
65. Aristeus aber, der nach der Einschließung keine Rettung hoffte, wenn nicht von Peloponnes oder sonst und vernuthete Hülfe käme, rieth, es sollten, ausser fünfhundert, alle Uebrigen günstigen Wind abwarten, und auslaufen, mit die Lebensmittel desto länger ausreichen möchten. Er selbst wollte unter den Zurückbleibenden sein. Als aber rein Vorschlag nicht genehmigt wurde; so wollte er dem zufolge seine Maßregeln nehmen, und auswärts die Verhältnisse so gut wie möglich ordnen; er lief daher, unbemerkt von den Wachposten der Athener, aus, und nahm seinen Standort im Gebiete der Chalcidier, und unter andern Kriegsunternehmungen, die er in Gemeinschaft mit ihnen machte, erlegte er viele Hermylier durch einen bei der Stadt aufgestellten Hinterhalt, und unterhandelte nach dem Peloponnes, auf welche Art ihm Unterstützung zukommen könnte. Nach der Einschließung Potidäa's aber verheerte Phormio mit jenen sechzehenhundert Mann Chalcidice und Pottiäa, und eroberte auch einige kleine Städte.
66. Dieß waren die früheren gegenseitigen Beschwerden der Athener und Peloponnesier von der Korinther Seite, daß die Athener ihre Pflanzstadt Potidäa und Korinthische und Peloponnesische Mannschaft daselbst belagerten: von Seiten der Athener gegen die Peloponnesier, daß diese eine ihr verbündete und zinsbare Stadt zum Abfalle verleitet, und in Verbindung mit den Potidäern in offenem Kampf gegen sie gestritten hätten. Doch war der Peloponnesische Krieg noch nicht völlig ausgebrochen, sondern die Sache wurde noch eine Zeitlang hinausgeschoben. Denn die Korinther hatten hierin für sich gehandelt.
67. Als aber Potidäa Belagert wurde, so wollten sie sich nicht länger ruhig verhalten, theils weil von ihrer Mannschaft dort eine Besatzung lag, theils weil sie auch wegen des Platzes selbst besorgt waren. Sie beriefen also sogleich die Bundesgenossen nach Lacedämon, und erhoben dort Klage gegen die Athener, daß diese die Verträge gebrochen hätten, und die Rechte' des Peloponneses verlebten. Hier trugen die Aegineten, welche zwar aus Furcht vor den Athenern nicht öffentlich, aber heimlich Gesandte schickten, sehr viel dazu bei, den Krieg anzuregen, indem sie behaupteten, daß gegen die Verträge ihre Unabhängigkeit verletzt sei. Die Lacedämonier aber beriefen dazu, wer sonst noch von ihren Bundesgenossen durch die Athener gekränkt zu sein behauptete, und veranstalteten unter sich die herkömmliche Versammlung, und foderten jene auf, ihre Sache vorzutragen. Unter andern, welche der Reihe nach ihre Beschwerden vorbrachten, traten auch die Megareer auf, und erklärten sich theils über manche andere streitige Punkte, theils und vornehmlich über die vertragswidrige Sperrung der Häfen in Attischen Gebiete und der Märkte in Attika. Zuletzt traten die Korinther auf, nachdem sie durch Andere zuvor die Lacedämonier zur Erbitterung hatten reizen lassen, und sprachen sofort in folgendem Sinne:
68. "Ihr Männer von Lacedämon, eure Redlichkeit in der eigenen innern Staatsverwaltung und im gesellschaftlichen Leben macht, daß ihr in Betreff Anderer etwas schwergläubig seid, wenn wir gegen sie etwas vorzubringen haben: und eben daher zeigt ihr, bei der Mäßigung, die ihr beobachtet, zu wenig Einsicht in auswärtigen Verhältnissen. Denn wiewohl wir oft vorher sagten, welche Kränkungen uns von den Athenern drohen, so mochtet ihr doch allemal über das Angezeigte keine nähere Kunde einziehen, sondern ihr hattet vielmehr die Klagenden im Verdacht, daß sie nur wegen ihrer besondern Zwiste so sprächen. Daher kommt es auch, daß ihr nicht vor erlittener Kränkung, sondern erst jetzt, da die That gegen uns schon geschehen ist, diese Bundesgenossen versammelt habt, vor welchen uns vornehmlich das Wort um so eher gebührt, je bedeutender unsere Beschwerden sind, da wir von den Athenern gemißhandelt und von euch vernachläßigt worden sind. Hätten sie im Verborgenen irgendwo Hellas beeinträchtigt, so wäre es nöthig, euch als Unkundige zu belehren: nun aber, wozu bedarf es eines langen Vortrags, da ihr sehet, daß einige von uns schon unterjocht sind, und andern durch sie dasselbe Schicksal droht, und zumal unsern Verbündeten, und daß die Athener seit langer Zeit auf den Fall eines Krieges gerüstet sind? Denn sonst würden sie nicht wider unsern Willen sich in Korcyra eingedrungen haben und Potidäa belagern: wovon dieses der gelegenste Platz ist, aus dem man für die Umgegend Thraciens Vortheile ziehen kann, jenes aber den Peloponnesiern eine sehr bedeutende Seemacht hätte liefern können."
69. Und von allem Diesem liegt die Schuld auf euch ; denn ihr habt geduldet, daß sie nach dem Perserkriege zuerst ihre Stadt befestigten, sodann die langen Mauern aufführten: und so habt ihr bis jetzt immer nicht nur denen, die von jenen unterjocht wurden, sondern auch bereits euren eigenen Bundesgenossen die Freiheit entzogen. Denn dieß thut eigentlich nicht sowohl der Unterjocher selbst, sondern der, welcher es verhindern könnte, und dieß versäumt, mag er auch den ehrenvollen Namen des Befreiers von Hellas tragen. Und kaum ist es jetzt, zu einer Versammlung gekommen, und auch jetzt noch nicht, als ob die Sache im Klaren wäre. Denn es sollte nun nicht mehr erst untersucht werden, ob wir Unrecht leiden, sondern wie wir uns dagegen verheidigen werden; denn der Thatkräftige geht mit gesatztem Entschlusse ungesäumt auf die Unentschiedenen los. Wissen wir ja doch, auf welchem Wege und wie die Athener allmählig gegen ihre Nachbarn vorwärts schreiten. So lange sie meinen, daß ihre Plane wegen eurer Gleichgültigkeit unenthüllt bleiben, so handeln sie weniger dreist: wenn sie aber sehen, daß ihr die Sache merket, und doch unthätig bleibet, so werden sie um so gewaltiger zugreifen. Ihr Lacedämonier seid ja die einzigen unter den Hellenen, die sich ruhig verhalten, und nicht mit Kriegsmacht, sondern durch Zögerung Andere abwehren: ihr suchet das Wachsthum der Feinde nicht in seinem Beginnen, sondern wenn es sich schon verdoppelt hat, zu unterdrücken. Mau rühmt zwar eure sichere Haltung: aber der Ruf hat die That überstiegen. Denn wir wissen ja, daß, als die Perser von den Grenzen der Erde her gegen den Peloponnes anrückten, von eurer Seite noch nicht einmal die angemessenen Gegenanstalten getroffen waren: und jetzt kümmert ihr euch nicht um die Athener, die nicht ferne, wie jene, sondern in der Nähe sind, und statt sie selbst anzugreifen, wollt ihr gegen ihren Angriff lieber vertheidigend zu Werke gehen, und im Kampfe gegen eine weit stärkere Macht es auf den Zufall ankommen lassen. Und doch wisset ihr, daß die Perser ihre meisten Unfälle durch eigne Schuld erlitten, und daß wir über die Athener selbst bisher oft mehr durch ihre Fehler, als durch eure Hülfe Vortheile erhalten haben. Denn die auf euch gesetzten Hoffnungen haben wohl schon Manchen, der sich wegen seiner Zuversicht nicht gehörig rüstete, zu Grunde gerichtet. Uebrigens glaube Niemand von euch, daß dieß mehr aus feindseliger Absicht, als Beschwerde zu führen, gesagt setz Denn Beschwerde findet statt gegen fehlende Freunde, Anklage aber gegen beeinträchtigende Feinde.
70. Zugleich glauben wir, eben sowohl als irgend Jemand, berechtigt zu sein, Pudere zu tadeln, zumal, da die Gegenstände, auf die es hier ankommt, so wichtig sind: für welche ihr keinen Sinn zu haben scheinet, indem ihr wohl noch nie erwogen habt, was für ein Volk die Athener sind, mit denen ihr es zu thun haben werdet, und wie sehr sie euch in Allem überlegen seien. Denn sie sind unter: nehmend, und rasch im Entwerfen und in der Ausführung alles dessen, was sie beschließen. Ihr aber sein stets nur bereit, das Bestehende zu erhalten, ohne etwas Weiteres zu unternehmen, auch wisst ihr nicht einmal das Nothwendige in der That durchzusetzen. Sie dagegen sind über ihre Kräfte thatlustig, sie wagen über Erwartung, und sind in Gefahren voll Hoffnung. Euch aber ist es eigen, in der Ausführung unter