"Allerdings."
"Dann kommen Sie mal mit."
Er führte uns in das Apartment. Auf dem Boden lag eine Tote. Sie war nackt und wies eine Schusswunde in der Bauchgegend auf. Ihr Körper war auf ganz ähnliche Weise bemalt wie es bei Dolores Montalban der Fall gewesen war.
"Wer ist die Tote?", fragte Milo.
"Wir haben ihre Sachen sicherstellen können", berichtete Davis. "Ihre Sozialversicherungskarte war auch dabei. Die junge Frau heißt Carrie McDaniel. Wir haben ihre Daten noch nicht in eine NYSIS-Abfrage gegeben, aber ich denke, das werden Sie im Field Office sehr schnell nachholen. Der gegenwärtige Bewohner dieses Apartments ist nicht, wie es das Türschild vermuten lässt, ein gewisser Timothy Jordan..."
"Sondern?", fragte ich.
"Wir haben die Nachbarn und die Hausverwaltung befragt. Der gegenwärtige Bewohner heißt Brett Nolan und hat die Angewohnheit, sich wie eine Leiche zu schminken. Ein Mann, der vom FBI gesucht wird, oder?"
"Kann man wohl sagen."
"Timothy Jordan ist Student an der Columbia University. Wie uns Nachbarn berichteten, verbringt er zurzeit ein Forschungssemester in Peking. Daher hat er sein Apartment untervermietet."
Ich blickte mich um. "Können Sie mir auch nur andeutungsweise sagen, was hier passiert ist, Lieutenant?"
"Im Groben ja. Brett Nolan und Carrie McDaniel hielten sich hier im Apartment auf. Die Tür wurde eingetreten. Ein Dritter kam hinzu. Offenbar war dieser Eindringling bewaffnet. Er begann eine Schießerei, in deren Verlauf Carrie McDaniel und der Angreifer ums Leben kamen. Daraufhin hat Brett Nolan offenbar das Weite gesucht."
"Dieser Angreifer..."
"Wir wissen nicht, wer er ist. Seine Papiere sind falsch, die Schalldämpfer-Waffe hatte keine Registrierung. Wir suchen in der Umgebung noch nach einem Wagen, den er gefahren hat. Jedenfalls hatte er Autoschlüssel dabei. Aber wenn Sie mich fragen, dann muss man in der Rubrik Profi-Killer suchen."
"Montalbans Rache!", entfuhr es Milo.
Er hatte damit genau das ausgesprochen, was auch mir im Kopf herumspukte.
Offenbar hatte sich der große Boss geschworen, diejenigen zur Strecke zu bringen, die er für den Tod seiner Tochter verantwortlich machte. Ob nun zu Recht oder zu Unrecht. Dazu brauchte er natürlich weder selbst tätig zu werden, noch einen seiner eigenen Leute loszuschicken. Das war alles viel zu risikoreich.
Es reichte völlig, wenn jemand wie El Columbiano ein Kopfgeld aussetzte.
Das sprach sich schnell herum und man konnte davon ausgehen, dass es genug Profis gab, die dann auf eigene Faust aktiv wurden...
Das Dumme war nur, dass man Dirty Rick Montalban wahrscheinlich weder das Aussetzen eines Kopfgeldes noch einen Mordauftrag nachweisen konnte. Vermutlich hätten wir nicht einmal belegen können, dass uns der Chef des Kolumbianer-Syndikats offenbar ziemlich dreist angelogen hatte.
"Zumindest wissen wir, dass Nolan noch lebt und nicht in der Gasexplosion ums Leben gekommen ist", murmelte ich halblaut. Brett Nolan hatte nun schon das zweite Mal unverschämtes Glück. Er würde es weiterhin brauchen, wenn er am Leben bleiben wollte.
"Können wir uns noch etwas umsehen?", fragte ich.
"Klar, aber ziehen Sie sich Latex-Handschuhe an, sonst werden die Kollegen vom SRD ziemlich ärgerlich", erwiderte Davis.
Wir sahen uns nach persönlichen Gegenständen um, die Brett Nolan gehörten und uns vielleicht auf die Spur jener Satanisten-Sekte bringen konnte, der Dolores Montalban verfallen war.
Dabei war es nicht ganz leicht, zwischen den Sachen des eigentlichen Wohnungsbesitzers und Nolans Eigentum zu unterscheiden.
Einen Teil seiner Kleidung hatte Nolan zurückgelassen. Dasselbe galt auch für die Schminkutensilien im Bad, mit denen er sich offenbar eine bleich erscheinende Haut machte.
22
Lichtblitze zuckten durch das Halbdunkel, das im "Damned Soul Club" herrschte. Tänzer zuckten ekstatisch auf der Tanzfläche. Harte Beats mischten sich mit ohrenbetäubenden, schrillen Gitarrensounds. Hin und wieder erhellte ein Laserblitz die bleich geschminkten, totengleichen Gesichter der Tänzer. Die Lampen an den Tischen glichen leuchtenden Totenschädeln.
Ein Mann im weißen Anzug betrat zusammen mit drei Begleitern den Raum. Er trug einen dünnen Oberlippenbart. Das Haar war zu seinem Zopf zusammengefasst. Den zum Anzug passenden weißen Hut trug er tief ins Gesicht gezogen.
Sein Gefolge war ebenfalls in Weiß gekleidet - einer Farbe, die im "Damned Soul Club" verpönt zu sein schien.
Der Zopfträger steckte sich eine Zigarre in den Mund.
Einer seiner Begleiter zündete sie ihm eilfertig an.
"Hey, was ist das für ein düsterer Laden, Mister Dominguez", meinte er.
"So sieht eben ein Gruftie-Schuppen aus", knurrte dieser. Er machte seinen Leuten ein Zeichen. Sie folgten Dominguez an die Bar.
Eine zierliche junge Frau mit schwarz geschminkten Augenrändern stand hinter dem Tresen.
"Hey, Lady, ich suche das Narbengesicht", sagte Dominguez.
Die junge Frau mit den schwarz geränderten Augen musterte Dominguez von oben bis unten. "Wer hat euch überhaupt reingelassen?"
"Wir haben eure Türsteher überzeugt", erklärte Dominguez grinsend.
Seine Begleiter ließen daraufhin wie auf ein geheimes Kommando die Jacketts zur Seite gleiten und gaben damit den Blick auf ihre Pistolen frei.
"Ach Sie sind das...", murmelte die junge Frau. "Bruder Maleficius hat erwähnt, dass jemand nach ihm fragen würde..."
"Dann sag mir mal schnell, wo dieser Bruder Malefitz zu finden ist, bevor ich ungeduldig werde!"
Ein kahlköpfiger Riese mit einer Sicherheitsnadel in der Wange und Augenbrauen, die nur aus Piercings zu bestehen schienen, trat hinzu.
"Gibt's Probleme?", fragte er die junge Frau.
"Ich glaube nicht." Sie deutete auf einen Nebenausgang. "Den Korridor entlang. Dritte Tür links."
Dominguez grinste. "Heißen Dank, Höllenbraut!"
"Bild dir nur nichts ein!"
"Hey, chica, warum so kratzbürstig?" Dominguez legte lässig eine Visitenkarte auf den Tisch. "Kann ja sein, dass du mal einen neuen Job brauchst. Mir gehören ein paar Striplokale in East Harlem und wenn du bereit wärst, dir dieses fiese weiße Puder abzuwaschen..."
"Verpiss dich!", zischte die junge Frau so laut, dass sie damit selbst die Gitarrenmusik übertönte. Einige der Tänzer drehten sich um.
Dominguez' Gefolge brach in schallendes Gelächter aus.
Der gepiercte Kahlkopf spannte die Muskeln an. Aber die bleiche Lady hielt ihn davon ab, sich Dominguez zu packen.
Die Männer in Weiß zogen ab, betraten den Korridor.
Bei der dritten Tür links klopfte Dominguez.
Die Hände seiner Bodyguards glitten zu den Waffen.
Jemand öffnete die Tür. Dominguez runzelte die Stirn, als er den düsteren Kuttenträger vor sich sah. "Bruder Maleficius erwartet Sie!", sagte er.
Im Raum herrschte Halbdunkel.
Es gab keinerlei Fenster, durch die Tageslicht hätte dringen können.
Der hintere Teil des Raums wurde durch einen dunklen Vorhang abgetrennt. Er bewegte sich leicht. Von irgendwoher musste Zugluft kommen.
Auf dem Boden waren sechs Kerzen in einem regelmäßigen Hexagon angeordnet.
Dahinter