Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783956178986
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Sie das so? - Dann hab ich was falsch gemacht. Also, wie ist’s?«

      Reineke überlegte gründlich, aus seinem Chef wurde er noch nicht schlau. Der Alte soff, dass man ihn gelegentlich in seinen Dienstwagen tragen musste, und tätschelte bei jeder Gelegenheit liebevoll seinen Bauch: »Essen und trinken hält die Seele zusammen und treibt den Leib auseinander.« Sein Repertoire an ordinären Sprüchen genoss legendären Ruhm, er kümmerte sich scheinbar um nichts und erfuhr doch immer alles, was im Amt ablief. Streit schlichtete er nicht gerne, sondern ging mit einer so jähzornigen Wut gegen beide Kontrahenten vor, dass die meisten ihre Differenzen lieber gütlich beilegten. Für Politiker und Juristen hatte er nichts übrig, fleißige Mitarbeiter waren ihm unheimlich, dafür verstand er sich prächtig mit den faulen Genies.

      »Ich kann’s ja mal versuchen.«

      Nach zwanzig Dienstjahren arbeitete Reineke immer noch in der Abteilung XIII, mittlerweile als Abteilungsleiter. Eine Beförderung zum Vizepräsidenten hatte er ausgeschlagen, zwei Versetzungen abgewehrt. Vom ersten Tag an hatte er den Euphemismus Koordinierungsstelle durchschaut und eisern über seine neue Tätigkeit geschwiegen. Sie stimmten tatsächlich ab, mit den anderen Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt, mit Verfassungsschutz, Staatsschutz, Zoll, Militärischem Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst, das auch, aber die meisten Aktionen gingen über Abstimmung weit hinaus, darüber führten sie keine Akten. Sie betrachteten es jedes Mal als Niederlage, wenn die Abteilung XIII in der Öffentlichkeit genannt oder in den Zeitungen erwähnt wurde. Noch heute wunderte sich Reineke darüber, dass der dicke Alte ihn trotz seiner Jugend und offenkundigen Unzufriedenheit in diese Abteilung vermittelt hatte, und mehr noch, dass er genau die Aufgabe gefunden hatte, die ihm gefiel.

      Tepper, Wolfgang. Was war aus dem Kerl eigentlich geworden?

      Roland Pertz blieb am Telefon sehr kühl: »Tut mir Leid, keine Ahnung, wo sich der Mann aufhält.«

      »Du hast ihn damals - erbeten.«

      »Richtig. Auf Wunsch des Verfassungsschutzes. Was die mit Tepper angestellt haben ... Du kennst doch die Regel, je weniger man weiß, desto mehr kann man abstreiten.«

      Mit einem äußerst unguten Gefühl beendete Reineke das Gespräch. Pertz verschwieg alles, manchmal sogar, dass der BND, dem er als Abteilungsleiter diente, gezielte Aktionen durchführte. Natürlich mauerte Pertz und das hieß höchstwahrscheinlich, dass etwas schief gelaufen war, Pertz aber Einzelheiten entweder nicht kannte oder nicht preisgeben wollte. Nein, entschied Reineke, gegen Überraschungen sicherte sich der vorsichtige Mensch ab. Diese Karin Tepper konnte Lärm schlagen und deshalb galt es, sie aufzustöbern und dann im Auge zu behalten.

      Er drückte auf eine Taste des Telefons: »Heinrich und Opitz sollen sich so schnell wie möglich bei mir melden.«

      »Geht in Ordnung.«

      Montag, 11. September

      Kriminalrat Karl Simon schüttelte energisch den Kopf: »Nix! Ich will den Fall endlich vom Tisch haben.«

      Seine beiden Besucher schwiegen. Wenn Simon einen bestimmten Ton anschlug und die Augenbrauen zusammenzog, war mit ihm nicht mehr zu diskutieren.

      Kriminalhauptkommissar Ulf Grembowski schmollte und schaute gekränkt an seinem Vorgesetzten vorbei. Ziemlich genau zwölf Monate hatte er sich die Zähne an diesem Fall ausgebissen und war, wie er eingestehen musste, nicht einen Schritt weitergekommen. An seinem Fleiß und seiner Tüchtigkeit hatte es nicht gelegen. Zwar sah Grem, wie er im Präsidium allgemein genannt wurde, eher nach einem Preisringer aus, der lieber seine Muskeln als seinen Grips einsetzte, aber selbst Simon, der ihn nicht sonderlich schätzte, musste nach der Lektüre der umfangreichen Akte einräumen, dass Grems Mannschaft alles Menschenmögliche unternommen hatte. Nur eben ohne jeden Erfolg und der hämische Kommentar in der Samstagsausgabe des Tageblatts hatte dann wohl das Fass überlaufen lassen.

      »Was meinen Sie, Herr Rogge?«

      Jens Rogge seufzte. Grems Verbitterung begriff er sehr gut und der Gedanke, Simons Entscheidung werde sein ohnehin gespanntes Verhältnis zum Leiter der Abteilung Vermisste noch weiter verschlechtern, behagte ihm überhaupt nicht. Wenn es nach ihm ginge, würde die Akte Inge Weber geschlossen. Einmal musste sie ja ihr Gedächtnis wiederfinden und bis dahin sollten sich alle gedulden.

      »Große Hoffnungen mache ich mir nicht«, erwiderte er endlich und Simon lächelte schmal.

      Wort für Wort hätte er die Überlegungen des hageren, grauhaarigen Mannes niederschreiben können, aber gerade deswegen schlug er nicht vor, sondern drohte mit einem dienstlichen Befehl. Sollte Grem sich quer legen oder Rogge Knüppel zwischen die Beine werfen, würde er mit dem Riesen Schlitten fahren. Erstens beabsichtigte er das schon lange und zweitens schadete es diesem ganzen Sauhaufen nicht, wenn wieder einmal verdeutlicht wurde, wer hier im Präsidium das Sagen hatte.

      »Große Hoffnungen müssen nicht sein«, versetzte er deshalb ungerührt, »eine kleine reicht mir vorerst.«

      Nach einer Weile zuckte Rogge die Achseln. Mit Simon kam er gut aus, aber deswegen kannte er den Rat auch besser als Grem, der vor unterdrückter Wut schwitzte und die Fäuste ballte, statt angestrengt zu überlegen, was sein Abteilungsleiter im Schilde führte.

      »Okay, ich sehe, wir haben uns verstanden. Kollege Grem gibt also den Fall offiziell an den Kollegen Rogge ab. Ich informiere die Staatsanwaltschaft und die Pressestelle.«

      »Muss das sein?«, knurrte Grem.

      »Keine Nachricht an die Presse, aber die nächsten Anfragen laufen über das Erste. Alles klar?«

      Wie von der Feder geschnellt sprang Grem hoch und stürzte zur Tür. Rogge wollte noch etwas sagen, aber Simon winkte ärgerlich ab. Mit einem gemurmelten »Wiedersehen« verließ Grem das Zimmer.

      Auf der Treppe gingen sie nebeneinander, Grem atmete schwer.

      »Ich hab mich nicht danach gedrängt, Grem«, sagte Rogge ruhig.

      »Dieser Scheißkerl hat was gegen mich, das ist alles, und du machst sein Spiel mit.«

      »Er kann mich anweisen, das weißt du genau.«

      »Was erwartet der Blödian eigentlich?«

      »Woher soll ich das wissen? Ich kenn den Fall nicht.«

      »Vom Tisch haben! Wenn ich so was schon höre! Der große Herr Rat schnippt mit den Fingern, prompt schlägt sie die Augen auf und flüstert: Ich bin die gute Lotto-Fee

      »Wenn sie die nächsten sechs Richtigen ausplaudert ...«

      Grems Zimmer war ein hoher, tiefer und entsetzlich schmaler Schlauch, so, als habe der Architekt sich verrechnet und während des Baus mit einem Mal festgestellt, dass zwischen zwei Zimmerwänden noch eine Lücke geblieben war. Aus purer Not hatte er ein Fenster in die Außenwand gebrochen, das die gesamte Breite des Zimmerchens einnahm. Hinter Grems Rücken munkelten die Kollegen, die ihm nicht wohl wollten, er habe sich den Raum bewusst ausgewählt, weil er jeden Morgen beide Arme gegen die Zimmerwände stemme und versuche, sie auseinander zu schieben. Erst wenn ihm das gelungen sei, würde er umziehen, aber vorher noch mit seinem Dick- und Quadratschädel die Mauern einrennen.

      »Setz dich!«, brummte Grem und warf sich in seinen Rollensessel, den er sofort nach hinten kippte.

      Abgerissene Tapete und bröckelnder Putz zeugten von seiner

      Lieblingsposition. Rogge musste sich regelrecht auf den Besucherstuhl schlängeln, weil der mit der Lehne ebenfalls an die Wand stieß. Trotz des geklappten Oberlichts stank es bestialisch nach dem Knaster, den Grem in einer uralten Pfeife rauchte.

      »Hier sind die Akten.«

      »Danke, ja.« Ein beachtlicher Stoß, Rogge schob ihn zur Seite und erkundigte sich sachlich: »Diese XY ... ungelöst-Sendung hat nichts gebracht?«

      »Überhaupt nichts!«, grollte Grem, dem noch heute der Kamm schwoll, wenn ihn die Kollegen als »unseren