Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783956178986
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keinen schweren Kopf, erst recht nicht auf der Grundlage von Gundas hervorragenden Buletten und Bratkartoffeln, und auch Kili, der schon seit sieben Uhr an seinem Schreibtisch hockte, hatte den mäßigen Exzess gut überstanden.

      In der Semperstraße parkte Rogge drei Häuser vor der Bäckerei Krone. Als er das Geschäft betrat, warf Inge Weber ihm einen beunruhigten Blick zu, offenbar verriet sein Gesicht seine Spannung.

      »Guten Morgen, Herr Rogge.«

      »Guten Morgen. Können wir uns einen Moment ungestört unterhalten?«

      »Ja, kommen Sie.«

      Zwischen Geschäft und Backstube lag ein schmaler Raum, voll gestellt mit Schränken, einem langen Tisch und Stühlen; Inge Weber setzte sich und starrte ihn an.

      »Ich glaube, ich habe etwas herausgefunden.«

      »So?«

      »Sagt Ihnen der Name Zinneck etwas?«

      »Zinneck«, wiederholte sie gedehnt. »Nei...ein.«

      »Charlotte.«

      Sie überlegte, die Stirn vor Konzentration gerunzelt. »Nein«, murmelte sie schließlich und forschte in seinem Gesicht: »Müssten denn beide Namen ...«

      »Ich bin mir ziemlich sicher, Sie heißen Charlotte Zinneck.«

      »Charlotte Zinneck.« Sie flüsterte die beiden Wörter und ihre Blicke irrten umher. »Charlotte Zinneck - Herr Rogge, ich muss Sie enttäuschen, das sagt mir gar nichts.«

      »Keine Erinnerung, keine schwache Ahnung, das merkwürdige Gefühl, man müsste sich an etwas erinnern, aber käme bloß nicht drauf?«

      Ihm zuliebe strengte sie sich an, aber als ihre Lippen hilflos zu zittern begannen, erhob er sich mit einem Zentnergewicht auf den Schultern. Den Fehlschlag hatte er nicht erwartet und sie schaute ihn flehend an, als bitte sie um Entschuldigung dafür, dass sie ihm nicht helfen konnte.

      »Können Sie heute Nachmittag, nach Ihrem Dienst, zu mir ins Präsidium kommen?«

      »Ja, natürlich. Gegen fünf, ja?«

      »Dann erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.«

      »Ja - ja - um fünf — ich muss Achim anrufen«, murmelte sie verwirrt. Sie war durcheinander, seine Erregung hatte sie angesteckt, und als sie ihm die Hand hinstreckte, kämpfte sie mit den Tränen.

      Die Montagskonferenz hatte schon begonnen, als Kogge ins Präsidium kam, und Hertha legte den Kopf schräg: »Ist das nicht ärgerlich? - Nun haben Sie schon wieder diese schöne Versammlung versäumt.«

      »Lieber eine Tasse Kaffee als zwei Stunden Konferenz«, flachste er sie an.

      »Schon recht, aber wenn ich an die Kaffeekasse denke ...«

      »Sie sollten Kassiererin bei der Mafia werden.«

      »Hier fühle ich mich sowieso wie bei der Mafia«, entrüstete sie sich und er zückte ergeben sein Portemonnaie.

      Kili lobte Gunda in den höchsten Tönen, ihre Buletten etwas weniger, und erwähnte nur höflichkeitshalber die Kombination von Altbier und Samtkragen, einen klaren Schnaps, auf den so vorsichtig ein dunkelroter Magenbitter gegossen wurde, dass er auf der Oberfläche des Klaren schwamm und einen Kragen bildete.

      »Wie alt ist Gunda eigentlich?«, fragte Kili sehr beiläufig und Rogge grinste breit. Daraus machte sie ein Geheimnis, Rogge kannte ihr Geburtsdatum allerdings aus den Akten, und als Gunda ihn eines Abends direkt anhaute: »Stört es dich, dass ich vorbestraft bin?«, hatte Rogge geantwortet: »Wäre ich dann hier?«

      »Gunda meint ganz zu Recht, man sei nur so alt, wie man sich fühle.«

      »Dann steckt sie wohl noch in der Pubertät«, murrte Kili, der gestern Abend heftig mit ihr geflirtet hatte, was Rogge naserümpfend missbilligt, aber nicht gerügt hatte. Die zierliche aschblonde Gunda war hübsch und schien sanften Gemütes zu sein, hatte eine hinreißende Figur und liebte enge Kleider, bei denen sie oben und unten an Stoff sparte; alle drei Eigenschaften hatten Kili wohl daran erinnert, dass seine Jasmin gerade bei Kerzenlicht mit einem anderen Mann schäkerte, wenn nicht noch mehr, und Gunda hatte seine Komplimente mehr geduldig denn erfreut ertragen.

      »Es wird sie begeistern zu hören, dass du sie für einen albernen Teenager hältst. Was macht unser Fall?«

      »Alles aufs Gleis geschoben, Chef.« Anfragen in Hamburg, bei den Kollegen und der Einwohnermeldestelle, beim BKA, beim Kraftfahrzeugbundesamt, bei den Autoversicherungen. Zentraler Abgleich mit den Vermisstenmeldungen lief noch; dass Hans Zinneck seine Frau - Schwester? - Charlotte nicht als vermisst, verschwunden angezeigt hatte, ließ sich am einfachsten dadurch erklären, dass ihm ebenfalls etwas zugestoßen war. Aber beim BKA geriet jede Anfrage in die große Warte-und Kontrollschleife vor den zentralen Computern.

      »Schon was aus Herlingen gehört?«

      »Nein, sie drehen Benno noch durch die Mangel.«

      Bis zum Mittag saß Rogge vor dem Computer und verfasste seinen zweiten langen Bericht. Diesmal wurde er häufiger gestört, die Mannschaft wollte sich vergewissern, dass er wieder an Deck war, und wie aus heiterem Himmel wuchsen die bekannten und ungeliebten Aktenstapel auf seinem Schreibtisch.

      In der Kantine winkte ihm Simon zu, der natürlich das Gras hatte wachsen hören. Rogge berichtete ihm in groben Zügen, was sich ereignet hatte. Sie saßen allein an dem großen Tisch, es gab nur wenige Kollegen, die sich freiwillig zu dem Kriminalrat gesellten. Zudem kultivierte Simon eine fiese Technik, jeden niederträchtig anzugrinsen, der auf den Tisch zusteuerte.

      »Gute Arbeit, Herr Rogge«, urteilte Simon endlich anerkennend. »Mit Grem hätte keiner aus dem Dorf so offen gesprochen.«

      »Mit Wibbeke auch nicht«, fügte Rogge hämisch hinzu. So billig ließ sich ein erfahrener Hauptkommissar auch von einem durchtriebenen Vorgesetzten Kriminalrat nicht abspeisen; daher war ohne Worte ausgemacht, dass Simon eines nicht mehr allzu fernen Tages beichten musste, warum er Grem den Fall weggenommen hatte.

      »Übrigens - kein Wort an die Pressestelle«, setzte Simon beiläufig hinzu.

      Nach einer Minute bejahte Rogge nachdenklich.

      Um fünf Uhr war Rogge halbwegs auf dem Laufenden, um sechs hielt er es nicht mehr aus. In der Bäckerei Krone versicherte man ihm, dass Inge Weber kurz nach vier fortgegangen sei. In ihrer Wohnung hob niemand das Telefon ab.

      Hinter Schönborn musste er hertelefonieren, der sein Misstrauen nicht verhehlte, aber versprach, Inge Weber zu suchen.

      Um sieben Uhr rief Schönborn zurück: »Nein, sie ist nicht bei mir und nicht in ihrer Wohnung. Auch nicht bei den Nachbarn.«

      »Scheiße«, fluchte Rogge aus tiefstem Herzen.

      »Was soll das heißen?«

      »Ich habe ihr heute Morgen erzählt, wie sie richtig heißt, und prompt ist sie abgehauen.«

      Darauf schwieg Schönborn so lange, dass Rogge den Hörer auflegte.

      Simon krächzte ins Telefon: »Soll ich jetzt behaupten, ich sei völlig erschüttert?«

      »Nein, aber wenn Sie genau diese Reaktion befürchtet haben, hätten Sie mir einen Tipp geben müssen.«

      »Diese Reaktion habe ich nicht - ich wiederhole: nicht - befürchtet.«

      »Und was machen wir jetzt?«

      »Eine Nacht darüber schlafen. Was denn sonst!?«

      Weil eine Hiobsbotschaft sich immer so einsam fühlt, schlich Kili in Rogges Zimmer, als solle ihm der Kopf abgerissen werden: »Absolute Fehlanzeige. Zinneck, Hans und Charlotte sind im vorigen September nicht in Hamburg gemeldet gewesen. Es gibt keine Vermisstenmeldung auf den Namen Hans oder Charlotte Zinneck. Im vorigen Jahr ist in Hamburg kein Auto auf einen der Namen angemeldet gewesen. Eine Diebstahls-oder