Darren war noch immer nicht bereit, seinem Gastgeber Glauben zu schenken. Der kleine Mann riss sich von seinem Gegenüber los: »Was soll das? Was erzählen Sie mir da? Können Sie sich etwa nicht vorstellen, dass auch ich einmal Glück haben würde? Dass sich auch einmal jemand für mich interessiert?« Er richtete mit knubbeligen Fingern seinen Kragen. »Lassen Sie uns bitte in Frieden!«
»Ja, hörst du, Josh?« Rowena hatte ihren Tanz beendet und stand nun neben Darren, den Mann liebevoll in den Arm nehmend. »Lass uns in Ruhe!« Sie zwinkerte dem Barkeeper zu. »Schenk uns lieber noch einen ein!«
»Darren, bitte. So hör‘ doch!« Seine Stimme hatte etwas Flehendes.
»Hören Sie besser!» Darren Mac Allisters Stimme war nun unerwartet laut und gebieterisch. »Entweder, Sie tun, worum die Dame Sie gebeten hat, oder wir suchen uns ein anderes Etablissement.«
Rowenas Augen funkelten siegessicher. »Ach, lass ihn doch schmollen. Ich wohne nur einen Drink von hier entfernt. Was sagst du: gehen wir?« Mit diesen Worten biss sie Darren zärtlich in sein Ohrläppchen.
»Recht haben Sie.« Darren zurrte seine Krawatte fest. »Lassen Sie uns gehen.« Er rückte seinen Hut zurecht, umfasste selbstbewusst die schlanke Taille der jungen Frau und schickte sich an, gemeinsam mit ihr das Buzzard Bait zu verlassen.
Josh Carlyle ließ seine breiten Schultern hängen und seufzte. Hatte sie es also wieder geschafft. Würde es ihm je gelingen, die Succubus aufzuhalten? Auch diese Nacht hatte er nicht verhindern können, dass sie vorzüglich speisen würde. Er hatte nicht verhindern können, dass man auch von Darren Mac Allister nie wieder etwas hören oder gar sehen würde.
Josh schüttelte verzweifelt den Kopf, als er bemerkte, dass sich der kleine Mann noch einmal zu ihm umdrehte und ihm lächelnd zuzwinkerte.
Nein, Darren Mac Allister war beileibe kein Mann, der die Frauen anzog wie das Licht die Motten. Ganz im Gegenteil. Er war die Art Mann, die auf seine inneren Werte setzen musste. Und wie Rowena einst, so gestattete auch Darren dem Barkeeper einen kurzen Blick auf sein wahres Ich. Er erlaubte Josh für einen winzigen Moment, die geschwungenen Hörner zu sehen, die seine Stirn zierten. Seine gigantischen Flügel, die er wie einen Umhang am Rücken trug. Und seine hufartigen Füße, die nach jedem Schritt einen kleinen Brandfleck auf dem hölzernen Fußboden des Saloons hinterließen.
Ja, Darren setzte auf seine inneren Werte. Auf scheinbar kindliche Unschuld und Unbeholfenheit. Und ja, auch Darren sollte in dieser Nacht vorzüglich speisen.
Heumsimilibumflum
Lyxa Knäulspitz
N
un denn …«, sagte die Therapeutin mit dem Namen Helprecht und wandte sich als nächstes dem neuen Paar in der Runde zu, das die ganze Sitzung über schon neugierige Blicke auf sich gezogen hatte.
»Wie Sie wohl alle schon bemerkt haben, dürfen wir heute Abend auch zwei Neuankömmlinge in unserem Kreis begrüßen. Hanna kenne ich schon aus einigen Einzelsitzungen bei mir und ich habe ihr vorgeschlagen, heute doch mit ihrer Partnerin hier an unserer kleinen Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Es ist wirklich schön, dass Ihr beide hier seid«, fuhr sie fort und das neue Paar wurde mit freundlichen Grüßen von den anderen vier anwesenden Pärchen empfangen.
»Aber am besten stellt Ihr euch selbst vor, oder?«
Das machte Hanna dann auch: Hanna Talgrund, Lehrerin, auch sehr froh hier zu sein. Ihre Partnerin, welche schon die ganze Sitzung über allen ihr Missfallen durch eine demotivierte Sitzhaltung und diverse verdrießliche Blicke mitgeteilt hatte, stellte sich dann lediglich knapp als Lyzzi vor. Die abwartenden Augenpaare auf sich spürend, besonders die hoffnungsvoll leuchtenden von Hanna, fügte Lyzzi dann widerwillig hinzu: »Lyzzi … uh, Lichtbringer, schätze ich … keine Ahnung, was auch immer.« Dann auf die weitere Frage, was sie denn beruflich täte: »Weiß nicht. Schätze, am ehesten trifft es, wenn ich sage, dass ich ein Sexdämon bin.«
Lyzzi bekam daraufhin sehr viel Zuspruch aus der Gruppe. Man sagte, dass es sehr mutig sei, ihr Suchtproblem so früh und so offen zu benennen und dass es ja nicht wirklich ein »Problem« sei und sie ja nun alle füreinander da seien.
»Nein, nein. Ich bin wortwörtlich ein Sexdämon, ein Succubus, Wesen der Hölle, spezialisiert auf … Sex. Abteilung Sex, Beischlaf und Lust und Begehren und … so weiter«, versuchte Lyzzi zu erklären und verstummte, als sie aus dem Getuschel der Gruppe heraus die Wörter »Metapher« und »Verdrängung« vernahm. Von vornherein wissend, dass die ganze Sache mit der Gruppentherapie ein Fehler gewesen war, wollte Lyzzi schon gehen, doch Hanna hielt sie zurück. Sie erinnerte Lyzzi daran, dass sie versprochen hatte, es doch zumindest zu versuchen. Widerwillig ließ sich die Sexdämonin wieder auf ihren Sitzplatz nieder. Versprechen waren eine ernste Angelegenheit, da wo sie herkam.
»Nun, bevor wir darauf näher eingehen, warum erzählen Sie beide uns nicht etwas mehr über Ihre Beziehung«, schlug Helprecht vor, um das Eis zu brechen.
»Sprecht Ihr zwei darüber nicht eh schon seit Wochen?«, fragte Lyzzi kritisch und blickte zwischen Helprecht und Hanna hin und her, wenig erfreut darüber, dass ihre Beziehung jetzt sogar Teil eines öffentlichen Diskurses mit noch mehr Fremden war.
Hanna räusperte sich. »Nun ja, offensichtlich … ich meine, wir sind jetzt ein gutes Jahr zusammen, sehr glücklich und wir lieben uns – ich liebe dich Engelchen, aus ganzem Herzen.«
»Jaja, ich auch. Bin ja hier deshalb.«
»… wir lieben uns, aber offenkundig gibt es … Probleme.«
Lyzzi seufzte. »Ist das wieder diese Altersunterschied-Sache?«
»Der Altersunterschied?«, fragte nicht nur Helprecht. Hanna und Lyzzi sahen beide relativ gleichalt aus.
»Ja, anscheinend, keine Ahnung. Hanna ist, was war es? Dreißig, uh, Minuten alt?«
»34 Jahre. Das sind sehr, sehr viele Minuten, Liebes …«
»Okay, sicher … und ich bin … Alles alt.« Man fragte Lyzzi verwundert, was dies bedeutete.
»Also seit Anbeginn der Zeit bin ich da. Alles, keine Ahnung. Obwohl nicht ganz. Da war die ganze Sache, wie mein Vater und meine Mutter ihre Jobs verloren haben, umgezogen sind und mich und meine Geschwister dann erst erschaffen haben, aber … uff, weiß nicht. Zeit läuft da unten etwas anders. Im Grunde schau ich hier seit der Antike regelmäßig vorbei. Also, pffft, zwei-, dreitausend Jahre aufwärts, oder so? Mindestens.«
»Das scheint mir natürlich ein sehr großer Altersunterschied«, pflichtete Therapeutin Helprecht bei.
»Und dann ist da natürlich ihr Job«, sagte Hanna und Lyzzi verdrehte wieder die Augen. Helprecht animierte sie dann dazu, doch selber mehr darüber zu erzählen.
»Wie gesagt ich bin ein Sexdämon. Die Hölle gibt es, meinen Vater den Teufel gibt es und wenn man hier oben scheiße ist, landet man da halt und hat ewige Verdammnis. Und dämonische Arbeitsbienen wie mich gibt es halt auch. Ich weiß, niemand hier glaubt das. Ihr Menschen findet die absurdesten Wege, das zu rationalisieren, aber ich bin ein echter Dämon aus der echten Hölle.«
»Mach bitte nicht wieder das Ding mit den Flammen. Das war neulich nicht okay«, appellierte Hanna.
»Weiß ich denn, dass so ein bisschen beschworenes Höllenfeuer so viel Chaos stiftet? Es war deprimierend genug, dass mich deine Freunde für eine professionelle Illusionistin gehalten haben!«
»Ich habe dir von Sprinkleranlagen erzählt. Die sind nicht sehr kompliziert: Feuer gleich Wasser gleich niemand ist glücklich …«, wandte Hanna ein und wurde von Helprecht ermahnt, Lyzzi doch bitte aussprechen zu lassen. Hanna entschuldigte sich.
»Auf jeden Fall, mein Job ist es, quasi,