Auch auf innerstädtischen Standorten versuchen Bäume das, was sie im Laufe der Evolution „gelernt“ haben, umzusetzen und für ihr Überleben zu nutzen. Dann kann es allerdings zu Konflikten kommen, denn sie können nicht unterscheiden zwischen einer Felsspalte und einem Kanalrohr, zwischen einem Felsbrocken und einer Gasleitung…
2 Bäume und Leitungen
2.1 Technische Infrastruktur
Die Menschen unserer Zeit benötigen nicht nur Parks und viele Bäume in ihrer direkten Nachbarschaft. Sie erwarten auch ein warmes, helles Zuhause und dass Radio und Fernseher funktionieren. Ebenso soll die Toilette spülen und die Dusche warmes Wasser spenden, kurzum, die Ver- und Entsorgung soll sicher gestellt sein.
All diese Segnungen unserer modernen Zivilisation werden bei uns überwiegend unterirdisch an Wohnungen und Arbeitsplätze heran- und herausgeführt, über die so genannten Ver- und Entsorgungseinrichtungen. Sie befinden sich bevorzugt in Straßen oder sonstigen öffentlichen Flächen, genau dort, wo auch die Straßenbäume mit ihren Wurzeln zu Hause sind.
In ihrer Addition ergeben die Ver- und Entsorgungseinrichtungen oft ein Vielfaches der gesamten Straßenlänge einer Kommune. Da der unterirdische Raum kostbar (weil begrenzt) ist und sich nicht jede Leitung mit jeder beliebigen Nachbarin verträgt, wurden für die Platzierung der verschiedenen Kabel und Rohrleitungen Regelwerke entwickelt. Diese sollen für eine prinzipielle Ordnung in der „Unterwelt“ sorgen.
So ist beispielsweise geregelt, dass zwischen einer Gasleitung und einem Hochspannungskabel ein bestimmter Sicherheitsabstand einzuhalten ist oder eben dieses Hochspannungskabel nicht in einen Kabelkanal eingezogen werden darf, weil es den direkten Kontakt mit Erdreich zur Kühlung benötigt. Der unterirdische Straßenraum ist sowohl horizontal aufgeteilt, als auch bezüglich der Tiefe, in der die Anlagen zu installieren sind.
Da der Bereich unter den Fahrbahnen aus verschiedenen Gründen möglichst nicht für das Verlegen von Versorgungseinrichtung genutzt werden soll, drängen sich die Rohre, Kabel und Leitungen unter den Gehwegen, Radwegen und Parkstreifen. Genau hier sind aber auch die Bereiche, die am ehesten für die Pflanzung von Straßenbäumen in Frage kommen.
2.2 Der Konflikt
Natürlich wäre es wünschenswert, so „problematische Nachbarn“, wie technische Einrichtungen und Bäume, vor allem deren Wurzeln, möglichst weit voneinander entfernt zu wissen. Doch unsere Städte sind eng, die Grundstückspreise hoch und kaum ein Stadtplaner hat es in den letzten Jahren oder Jahrzehnten gewagt, Baumstreifen in ausreichender Breite und frei von Ver- und Entsorgungseinrichtungen vorzuschlagen. So kam es zu den bekannten Problemen, auf die die betroffenen Dienststellen – respektive die beteiligten Personen – sehr unterschiedlich reagierten.
Da waren „auf der einen Seite“ die „Techniker“, die die Priorität eindeutig bei der „Versorgungssicherheit“, der Unversehrtheit ihrer Einrichtungen sahen und auf unkalkulierbare Haftungsfragen z. B. bei undicht gewordenen Gasleitungen verwiesen. Die mit Argusaugen bei jeder Aufgrabung auf Baumwurzeln achteten und sie als Beweisstücke sicherstellten, auch wenn diese nur um „ein dünnes Kabel“ herum gewachsen waren. Sie wurden wie Trophäen präsentiert, wenn mit den „Baumleuten“ wieder einmal über die Pflanzung von Straßenbäumen gesprochen werden musste.
„Auf der anderen Seite“ standen die „Baumleute“, die Bilder von abgerissenen Baumwurzeln und verletzten Bäumen aus ihren Taschen zogen und dadurch entstehende Fäulen und Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit ins Feld führten. Sie forderten Platz für ihre Baumpflanzungen und behaupteten, damit „dem Auftrag von Rat und Verwaltung“ zu folgen. Hin und wieder maßten sie sich an, darauf hinzuweisen, dass sie nur von ihrem Recht Gebrauch machen wollten, denn die Straße sei schließlich Eigentum der Kommune.
2.3 Ansätze zur Konfliktlösung
In Osnabrück gibt es seit Anfang der 1970iger Jahre regelmäßige Gespräche zwischen den Vertretern der Stadtwerke, des früheren Tiefbauamtes (Fachdienst Straßenbau) und des ehemaligen Grünflächenamtes (Fachdienst Grünflächen). Zunächst bezogen sich diese vorrangig auf die Festlegung neuer Baumstandorte in bestehenden Straßen.
Sehr schnell stellte sich heraus, dass dieses Gremium, bei Bedarf nahmen auch Vertreter anderer Verwaltungsdienststellen teil, sachorientiert arbeitete und bei gemeinsamen Ortsbegehungen das Ziel der vermehrten Durchgrünung der Osnabrücker Straßen eigentlich immer erreicht wurde. Wenn in Ausnahmefällen, trotz intensiver Vorplanung seitens des Grünflächenamtes, keine Baumstandorte zu finden waren, gab es für das „Nein“ nachvollziehbare Gründe. Ich hatte den Eindruck, dass alle Beteiligten nach einer solchen „Vor – Ort – Runde“ mit einem guten Gefühl in ihre Büros zurückkehrten.
Aber nicht nur die Neupflanzung von Bäumen in bestehenden Straßen, auch die Begrünung der Straßen neuer Baugebiete wurde und wird abgestimmt. Hierbei hat sich die später gegründete KOST, die Koordinierungsstelle beim Fachdienst Straßenbau, sehr bewährt.
Natürlich war und ist die Pflanzung von Bäumen nur eine Facette der interdisziplinären Zusammenarbeit. Aus unserer Sicht ist die Einbeziehung unserer Fachleute bei der Planung und Realisierung neuer Leitungs- und Kabeltrassen sowie bei den ständig stattfindenden Erneuerungs- und Reparaturarbeiten an Ver- und Entsorgungseinrichtungen, im Nahbereich von Bäumen und öffentlichen Grünflächen genau so wichtig.
Sofern nicht in der KOST thematisiert, wird der Fachdienst Grünflächen, wie andere Fachdienststellen auch, in einem Umlaufverfahren über die Planungen der Leitungsverwaltungen informiert. Hier werden die Belange des Baumschutzes eingebracht und in der Regel seitens der Leitungsverwaltungen in deren Leistungsverzeichnisse übernommen.
Ob sich die ausführenden Firmen auch an diese Vorgaben halten, ist ein anderes Thema. Grundlage unserer Forderungen oder Hinweise sind die Regelungen der gültigen Baumschutznormen, insbesondere die der DIN 18920 und der RAS-LP 4. Womit wir bei den Regelwerken und Normen wären …
2.4 Atmosphärische Störungen
Als 1989 die „Technischen Mitteilungen Baumpflanzungen im Bereich unterirdischer Versorgungsanlagen“ von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen herausgebracht und vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches übernommen wurden, veränderte sich das Klima zwischen den „Technikern“ und den „Baumleuten“ merklich. Auch wenn dieses Regelwerk auf den ersten Blick einen Interessenausgleich zwischen den „Parteien“ zu suchen scheint, kann es das Ziel seiner überwiegend aus dem technischen Sektor stammenden „Väter“, der technischen Infrastruktur gegenüber den Bäumen eine Vorrangstellung einzuräumen, nicht leugnen. Deutlich werden die Wertigkeiten der Aufgaben, unterschieden in die
„gesetzlich geforderte Ver- und Entsorgungssicherheit“ und in den
„öffentlichen Auftrag zur Begrünung“.
Zwar wird für Baumpflanzungen anerkannt, dass die Abstände von Bäumen zu Ver- und Entsorgungseinrichtungen nicht immer entsprechend den hierfür gültigen Regelwerken eingehalten werden können. Aber gleichzeitig werden so viele Risiken aufgeführt, die von Bäumen für die Ver- und Entsorgungseinrichtungen ausgehen sollen, dass mancher Kollege der Versorgungsunternehmen hierdurch nachhaltig